Vor Ort · Ist Ökumene das Optimum?

„Wir müssen wieder mehr um Wahrheit ringen“

Gott wünscht sich EINE Kirche. Gerne geben wir uns mit der Ökumene unter den christlichen Konfessionen zufrieden. Auf meinem Weg von der evangelischen Freikirche zur katholischen Kirche habe ich mir immer wieder die Frage gestellt, wie wir Gottes Auftrag zur Einheit gerecht werden können. Meines Erachtens gibt es nur eine Vorgehensweise.

von Marie Häuser · 23.04.2024

Junge Frau mit zusammengebundenen brünetten Haaren in brauner Winter-Lederjacke vor einer Kirche
Marie vor ihrer katholischen Heimatkirche in Gießen. Foto: privat

Als ich anfing, eine Beziehung zu Gott aufzubauen, lebte ich meinen Glauben für einige Jahre für mich allein. Dann erwachte in mir die Sehnsucht nach christlicher Gemeinschaft. Ich war ziemlich offen. Mein einziger Bezugspunkt war bisher die Bibel gewesen und für mich lag der Fokus klar auf ihr. Ich suchte Menschen, die auch an Jesus glauben und ihr Leben nach ihm ausrichten wollen.

Die Konfession war erst mal Zufall

Ich war zu dem Zeitpunkt freikichlich getauft und Konfessionen spielten für mich keine Rolle bis ich anfing, in die katholische Kirche in Bonn zu gehen. Diese Wahl traf ich mehr oder weniger zufällig, als ich bei einem meiner ersten Streifzüge in eine Kirche stolperte und in dem Programm der Gemeinde ein Angebot für Obdachlose fand, bei dem ich mich engagieren wollte.

Daraufhin ging ich sonntags in die Gottesdienste der Katholischen Hochschulgemeinde und schloss mich einer Bibelgruppe an. Zusätzlich dazu ging ich in einen Hauskreis der Freien evangelischen Gemeinde (FeG).

Eucharistie: Ich fühlte mich ausgeschlossen

Relativ schnell wurde ich mit der Tatsache kirchlicher Gespaltenheit konfrontiert. Jeden Sonntag wurde ich bei der Eucharistie daran erinnert, dass ich nicht katholisch war. Ich fragte mich, warum die institutionelle Zugehörigkeit so eine bestimmende Rolle spielt. Sind wir nicht vereint durch den einen Glauben an Jesus Christus?

Ich stieß mich daran, weil ich an der Kommunion teilnehmen wollte und mich als gläubige Christin auch im Recht dazu sah. Es fühlte sich immer so an, als müsste alle allen anderen ständig klargemacht werden, dass Christen eben NICHT EINS sind. „Stimmt das überhaupt?“, fragte ich mich.

In einer Heiligen Messe hatte ich dann den Gedanken: „Du könntest dazugehören, wenn du wolltest. Du entscheidest dich selbst zum Ausschluss.“ Aber ich hielt daran fest: Ich wollte auf keinen Fall katholisch werden.

Die christlichen Konfessionen auf dem Prüfstand

Kurzum: Heute bin ich katholisch, weil ich mich nie von der katholischen Kirche lösen konnte. Ein Grund für meine Entscheidung war die Überzeugung, dass Gott sich eine Kirche wünscht. Mir war klar, dass dies nur die katholische Kirche sein konnte, weil sie diejenige mit der längsten Tradition ist und sich alle anderen erst aus ihr entwickelt haben. Ich wollte also meine Verantwortung wahrnehmen, diesen Willen zu verwirklichen, indem ich den Schritt der Konversion unternahm.

In diesem Zuge änderte sich auch meine Sicht auf kirchliche Einheit. Zu Anfang sah ich die Einheit der verschiedenen Konfessionen allein im Glauben an Jesus Christus. Aber nach einiger Auseinandersetzung mit dem Thema kam ich zu dem Schluss, dass Einheit sich auf allen Ebenen vollzieht: in theologischen Ansätzen, in der Institution, im Verständnis des Abendmahls bzw. der Eucharistie.

Das ist das Verständnis von Einheit, das man auch in der Bibel findet! Dinge, die mir unbiblisch erschienen, prüfte ich und setzte mich mit ihnen auseinander, bis ich sie verstehen konnte. Es gibt unglaublich viel guten katholischen Content auf YouTube, der erklärt, wie die katholische Kirche zu bestimmten Lehrsätzen kommt (gerne nachschauen! :-)).

Einheit ist kein Automatismus

Heute glaube ich, dass Einheit nicht einfach gegeben ist, sondern erarbeitet werden muss. Leider erlebt man in der katholischen Kirche nicht notwendigerweise mehr Einheit. Die Kirche ist innerlich gespalten. Oft drehen wir uns mehr um Kirchenpolitik als um Christus.

Diesen Fokus auf Jesus Christus schätze ich sehr in meinen freikirchlichen Freundschaften. Ich erlebe Einheit mit Freikirchlern darin, dass diese Freundschaften von einer tiefen Liebe zu Christus geprägt sind. Ich habe den Menschen unglaublich viel zu verdanken, was mein Glaubenswachstum angeht. Aber auch unabhängig davon sind sie eine große Bereicherung für mein Leben.

Zwei junge Frauen Arm in Arm beim Junggesellinnenabschid
Marie mit ihrer Freundin Selina, einer charismatischen Freikirchlerin. Ihre Freundschaft ist besonders durch den gemeinsamen Glauben gewachsen. Foto: privat

Einheit nur durch Wahrheit

Wenn man mich fragt, wie Einheit heute aussehen kann, kann ich nicht sagen, dass ich der Meinung bin, dass Ökumene das Optimum ist. Ja, es ist die beste Art, mit der Situation umzugehen, aber wir sollten uns mit der faktischen Gespaltenheit der Kirche nicht einfach so zufriedengeben.

Ja, wir haben Einheit in Jesus. Ja, wir sind durch Glauben gerettet und der Hl. Geist wirkt in uns, ob wir katholisch sind oder nicht. Aber erstens glaube ich, dass wir uns als Christen wieder mehr Gedanken darüber machen müssen, dass es unmöglich ist, dass unterschiedliche Glaubenssätze der Konfessionen wahr sind.

Es macht zum Beispiel einen riesigen Unterschied, ob die Eucharistie wirklich der Leib Christi ist oder nicht! Das sollte jedem und jeder bewusst sein, der oder die die Abendmahltheologie eher stiefmütterlich behandeln will. Wir müssen wieder mehr um Wahrheit ringen, mit uns selbst und untereinander.

Zweitens wünsche ich von Herzen jedem gläubigen Menschen, die Fülle der Gnaden in der katholischen Kirche erleben zu können! Nicht, dass mein Leben dadurch perfekt, oder ich dadurch irgendwie wertvoller geworden wäre. Aber ich lerne Gott vor allem durch Beichte und Eucharistie noch einmal ganz neu und tiefer kennen. Und das wünsche ich jedem.