Vor Ort · Missionarische Woche
Ich fühlte mich anfangs wie ein Tupperdosen-Verkäufer
von Iris Ingerling · 23.03.2020
Irgendwann habe ich dann mal nachgefragt „Was ist das denn eigentlich, diese Missionarische Woche?“ Als mir dann erklärt wurde, dass wir da von Haus zu Haus gehen und an jeder Tür klingeln um mit den Leuten über den Glauben zu sprechen, haben bei mir erstmal die Alarmglocken geläutet. Das ganze erinnerte mich doch sehr an eine bekannte, jedoch nicht sonderlich beliebte Art einer anderen religiösen Gruppierung. Somit habe ich dann auch für mich beschlossen, dass das vermutlich eher nichts für mich ist.
Wie es nun soweit kam, dass ich doch dabei war kann ich gar nicht mehr genau sagen. Ich weiß, dass mich die Vision der Missionarischen Woche sehr gepackt hat, welche da lautet: „Wir versuchen die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass die Menschen Jesus begegnen können.“ Und weiter hab ich im Neuen Testament gelesen, dass Jesus seine Jünger zu zweit ausgesandt hat um zu den Menschen zu gehen, zu denen er es zeitlich und persönlich nicht mehr schafft. Wir haben diese Möglichkeit der Evangelisierung also gar nicht bei dieser anderen Gruppierung „abgeschaut“, sondern den Auftrag direkt von Jesus erhalten. Das überzeugte mich, ich meldete mich an und begann, mich riesig auf diese Woche zu freuen. Wobei auch das mit der Woche nicht ganz richtig ist, denn eigentlich dauert die ganze Aktion 10 Tage.
Losgeschickt um Zeugnis zu geben
Sie startet nämlich am ersten Wochenende mit einer Schulung, in der wir unter anderem auch zu den „Heißen Eisen“ gebrieft wurden. Für den Fall, dass wir an den Haustüren mit Themen wie den Zölibat oder das Frauenpriestertum konfrontiert werden. Wenn jetzt jemand denkt, dass wir mit schlagfertigen Argumenten gefüttert wurden, liegt hier falsch. Wir bekamen zwar zusätzlich ein paar Fakten mit auf den Weg, aber im Grunde wurden wir darauf hingewiesen, einfach Zeugnis zu geben. Darüber, warum wir hinter der katholischen Kirche stehen und warum wir da sind.
Am Sonntagnachmittag ging es dann – immer zu zweit – los mit den Hausbesuchen, die sich für mich recht schnell zur Herausforderung entpuppten. Denn ich fühlte mich anfangs wie ein Tupperdosen-Verkäufer, wie jemand, der an den Türen um jeden Preis seine Kerze und das Programm loswerden will.
Es geht darum, die Leute einfach zu besuchen
Nach den ersten Häusern und Gesprächen wurde mir aber langsam bewusst, warum ich eigentlich unterwegs bin. Die Intention ist nämlich nicht, die Leute zu bekehren oder sie zu bezirzen, sondern sie einfach zu besuchen. Sie zu fragen, wie es ihnen geht, ob sie Wünsche oder Anregungen für die Pfarreiengemeinschaft hätten oder auch einfach Gebetsanliegen. Für Letzteres hatten wir kleine, schön gestaltet Zettel dabei, die wir den Leuten entweder dagelassen haben oder auch selbst aufgeschrieben haben, was den Menschen auf dem Herzen lag. Die Gebetsanliegen wurden dann in einer Box in einer der Kirchen gesammelt und im Anschluss an die Missionarische Woche zu Klöstern und ins Basical gebracht, wo nun fleißig dafür gebetet wird. Bei jedem Hausbesuch überreichten wir den Leuten – als Schmankerl sozusagen – eine gesegnete Kerze und das Abendprogramm der Missionarischen Woche.
Eins meiner Highlights war eine Frau, deren Nachbarin schon zu uns meinte, wir müssten einfach reingehen, weil sie die Klingel nicht mehr hört. Da standen wir also, am Küchentisch dieser älteren Dame. Bevor wir etwas sagen konnten, kam sie uns schon zuvor: „Warten Sie! Sagen sie Nichts! Ich muss erst meine Hörgeräte reintun.“ Als sie uns dann hören konnte, erklärten wir ihr, wer wir sind und warum wir da sind. Darauf meinte sie: „Ach, des ist aber nett! Jetzt hab ich aber leider gar keinen Kuchen für Sie.“ Im weiteren Gespräch haben wir schon gemerkt, dass wir an eine alte, aber sehr fitte Frau geraten sind.
Manchmal erzählen die besuchten Menschen von ihren Gotteserfahrungen
Als wir sie zu unserem Programm einladen wollten, sagte sie: „Oh ja, da würde ich schon gerne kommen, aber wissens‘, ich kann nicht mehr so recht rausgehen, weil ich bin ja 1921 geboren, ich wird‘ also nächstes Jahr 100.“ An dem Punkt haben wir beide erstmal geschluckt und uns ganz verdutzt angeschaut. Die Frau wirkte zwar alt, aber SO alt – damit haben wir nicht gerechnet. Weiter im Gespräch hat sie uns von den Gotteserfahrungen in ihrem Leben erzählt, was wirklich wahnsinnig beeindruckend war. Ein Beispiel möchte ich kurz mit euch teilen.
Die Dame lebt schon ihr ganzes Leben in Bad Wörishofen, immer in der gleichen Straße. Laut ihren Ausführungen gab es in der ganzen Stadt Weihnachtsbeleuchtung, außer bei ihr. Das hat sie gestört und sie hat angefangen, dafür zu beten. Eines dieser Gebete habe sie damals auch als Gedicht aufgeschrieben, erzählte sie. Durch verschiedene Umstände, die sie selbst gar nicht mehr wusste, durfte sie ihr aufgeschriebenes im Kurtheater vortragen. Der Pfarrer und auch der Bürgermeister saßen damals im Publikum und seit diesem Tag wird ihre Straße zur Weihnachtszeit festlich beleuchtet – bis heute.
Ob uns das gedichtete Gebet interessiere, fragte sie uns. Wir dachten, dass sie jetzt erstmal ihre Schubladen nach einem Zettelchen durchsuchen muss – aber nein. Sie hat es einfach auswendig aufgesagt. Und dieses Gebet – es dauerte ungefähr 6 Minuten und alles hat sich gereimt – war eines der schönsten und persönlichsten Gebete, die ich jemals gehört habe.
Solche oder ähnliche Begegnungen sind allerdings nicht Alltag bei der Missionarischen Woche, sondern die Ausnahme. Aber es gibt sie und sie schenken uns Missionaren so viel Kraft, dass wir auch nach unerfreulichen und abweisenden Begegnungen, die wir an den Haustüren erleben, nicht aufgeben.
Im Nachhinein kann ich es also jedem nur ans Herz legen, diese Erfahrung mal selbst auszuprobieren. Es ist zwar wirklich anstrengend und man opfert einige Stunden Schlaf, aber man bekommt so viel zurück, dass man es gar nicht ganz in Worte fassen kann.