Vor Ort · Jugendwerkwoche

Mit Courage gegen Hatespeech

Was tun gegen Hasskommentare in sozialen Netzwerken? Mit dieser Frage beschäftigte sich ein Workshop im Rahmen der Jugendwerkwoche 2021. Ignorieren ist nachvollziehbar, Courage gegen Hatespeech ist besser. Denn gerade als Christen tragen wir die Verantwortung, dem Hass im Netz aktiv entgegenzutreten.

von Jonathan Huber · 11.02.2021

Teilnehmer beim virtuellen Workshop zum Thema Hatespeech
Bei der Jugendwerkwoche im Februar 2021 beschäftigte sich ein Workshop mit dem Thema Hatespeech. (Foto: Jonathan Huber)

Fünfundsiebzig Prozent der Onlinenutzer in Deutschland ab vierzehn Jahren haben Hatespeech im Internet schon einmal persönlich wahrgenommen, fast die Hälfte davon trifft häufig oder sehr häufig auf Hassrede im Netz. Das geht aus einer forsa-Umfrage der Landesanstalt für Medien NRW aus dem Frühjahr 2020 hervor. Dabei sind Hatespeech oder Hassrede keine klar definierten Begrifflichkeiten. Verschiedene Definitionen ordnen das Phänomen zwischen Diskriminierung, Beleidigung und Abwertung ein. Hasskommentare richten sich häufig gegen Gruppen und deren Merkmale, etwa Abstammung, Geschlecht oder Religion, können aber auch unabhängig davon eine Einzelperson betreffen. Begünstigt durch die Anonymität im Netz ist Hatespeech ein weit verbreitetes Problem im digitalen Raum und darf auch in der Glaubenskommunikation und der pastoralen Arbeit nicht ausgeklammert werden.

Wie fühlt es sich an, wenn man selbst von Hatespeech betroffen ist? Josef Wagner ist Seminarist im Augsburger Priesterseminar und als @derboivomseminar auf Social Media aktiv. Sein Account mit Beiträgen über Gott und seinen Glauben hat 2500 Follower auf Instagram. Er erzählt, dass er sich negative Kommentare zu Beginn sehr zu Herzen genommen habe. Inzwischen wisse er, dass solche Kommentare dazugehören, wenn man in der Öffentlichkeit tätig ist. „Ich glaube, dass Personen, die negativ kommentieren, sich nicht vorstellen können, dass man über seinen Glauben spricht und trotzdem auch ‚ganz normal‘ sein kann. Im Gespräch oder persönlichen Chat habe ich allerdings noch niemanden erlebt, der bei seiner Hatespeech-Meinung geblieben ist.“

Influencer Josef Wagner in der Maximilianstraße
Josef Wagner alias @derboivomseminar spricht auf Social Media über seinen Glauben. Das bringt ihm nicht nur nette Kommentare ein. (Foto: Daniel Jaeckel)

Erfahrungsbericht vom virtuellen Hatespeech-Experiment

Im Rahmen der Jugendwerkwoche im Februar 2021 beschäftigte sich ein Workshop mit dem Thema Hatespeech und der Frage, welche Strategien gegen Hassrede im Netz helfen können. Als Teilnehmer fand ich mich in einem virtuellen Experiment in der Rolle des Aggressors wieder. Meine Aufgabe: unter einem Pseudonym eine fiktive schwarze Autorin beleidigen, die ein Buch über Rassismus in Deutschland verfasst hat. Das Ziel meiner verbalen Angriffe sind die anderen Anwesenden im virtuellen Workshop, ebenfalls hinter Pseudonymen versteckt. Ich atme einmal tief durch, überwinde meine inneren Widerstände und schreibe alle rassistischen Klischees und Beleidigungen in den Chat, die mir gerade so einfallen. Es ist erschreckend einfach. Ich bin erstaunt, wie viele reale Kommentare ich im Kopf habe, die ich eigentlich nur reproduzieren muss. In einer zweiten Runde richtet sich mein fiktiver Hass gegen einen Bericht über die Brände im Flüchtlingscamp Moria. Meine „Gegenspieler“ und beobachtende Dritte machen es mir im Chatverlauf diesmal schwerer und hinterfragen meine oberflächlichen Aussagen, lassen sich nicht in die Defensive drängen. Auch wenn alles nur eine Simulation ist, merke ich deutlich, wie mich das in meiner Eigenschaft als Hassredner hemmt.

Diese Erfahrung hat mir gezeigt, dass es sehr wohl auf das Einschreiten anderer ankommt. Natürlich war die Situation konstruiert und im echten Leben wäre es zwischen den Personen aus dem Workshop nicht zu einer solche Auseinandersetzung gekommen. Trotzdem zeigten die empfohlenen Maßnahmen ihre Wirkung. In der Realität sind hingegen Wegducken und Ignorieren weit verbreitete Reaktionen auf Hasskommentare, das belegt die forsa-Studie. Ich kann das gut nachvollziehen und sehe darin auch einen gewissen Reflex zum Selbstschutz. Aber ist es deswegen richtig, nicht zu handeln?

Frau blickt traurig auf ihr Smartphone
Hasskommentare auf Social Media sind schnell geschrieben – können aber genauso verletzen, wie beleidigende Aussagen in der Offline-Welt. (Symbolbild: Chris Yang, Unsplash)

Wie zeige ich Courage gegen Hatespeech?

Maike Schmidt, Bildungsreferentin bei den Jugendverbänden der Gemeinschaft Christlichen Lebens, und Daniela Ziegler, Medienpädagogin der Deutschen Pfadfinderschaft Sankt Georg, haben den Workshop konzipiert. Sie empfehlen konkrete Strategien zum Umgang mit Hatespeech:

Stärkung der Angegriffenen: Ein kurzes Wort der Wertschätzung oder ein einfacher Klick auf den Like-Button zeigen der angegriffenen Person, dass sie gegen die Hasskommentare nicht alleine ist. Mit einem Like oder einem freundlichen Emoji stellt man sich selbst in kritischen Situationen weniger stark in die Schusslinie, ohne gänzlich wegzuschauen.

Ruhige, sachliche und vorbereitete Gegenrede: In schnelllebigen Kommentarspalten lässt man sich leicht zu einer übereilten Reaktion hinreißen. Besser ist eine überlegte Antwort auf einen konkreten inhaltlichen Aspekt.

Hasskommentare melden: Alle großen Online-Plattformen bieten die Möglichkeit, Hatespeech zu melden. Darüber hinaus gibt es offizielle Meldestellen, etwa beim Bundeskriminalamt. Dafür ist es wichtig, den betreffenden Kommentar im Kontext zu dokumentieren. Zum eigenen Schutz und dem Schutz Unbeteiligter empfiehlt es sich außerdem, persönliche Informationen zu schwärzen.

Hilfe suchen: Hassrede kann verletzen. Selbst betroffen zu sein, ist kein Zeichen von Schwäche. Helfen kann das Gespräch mit Familie, Freunden und Vertrauenspersonen oder bei einer sozialen Einrichtung.

Hatespeech ist ein Problem unserer Gesellschaft. Es scheint, als könnte ich als einzelner Nutzer nichts dagegen ausrichten. Doch mit vielen kleinen Gesten können wir gemeinsam die Debattenkultur im Netz ein wenig besser machen. Gerade als Christen sollte uns das ein Anliegen sein.