Thema · Raus aus der Blase

Soll diakonisch missionarisch sein?

Im Rahmen der Jugendwerkwoche des Bischöflichen Jugendamtes in Kooperation mit dem BDKJ Augsburg war Paul Metzlaff von der Arbeitsstelle für Jugendseelsorge (afj) der DBK zu Gast. Passend zum diesjährigen Motto „Raus aus der Blase!“ sprach Metzlaff in einem inspirierenden Vortrag über das Verhältnis von Diakonie und Mission. Credo hat sich im Anschluss daran mit ihm unterhalten.

von Raphael Schadt · 28.02.2019

Paul Metzlaff, Jugendseelsorge
Paul Metzlaff nach dem Vortrag im Kaminzimmer des Haus St. Ulrich beim Interview. Foto: Raphael Schadt

Credo: Herr Metzlaff, wieso der Vortragstitel Diakonie und Mission?

Wir haben in der Jugendpastoral in Deutschland zunächst einen diakonischen Ansatz (Würzburger Synode). Dabei stellt sich die Frage, wie das mit Mission zusammen passt. Papst Franziskus denkt es zusammen. Die Frage wie Jugendpastoral auch im Bezug auf neue Bewegungen integral und in Vielfalt gedacht werden kann, beantwortet er so: In der Einheit. In einem einheitlichen Evangelisierungsauftrag, betont er. Das gibt er auch in der Jugendsynode vor: Das einheitliche Ziel ist die missionarische Synodalität, also gemeinsam mit jungen Menschen hinauszugehen und zu evangelisieren – in allen Bereichen. Mission ist nicht nur Verkündigung, nicht nur Liturgie. Mission ist auch in der Diakonie. Er sagt sogar; die ersten Adressaten des Evangeliums sind die Armen. Das ist der entscheidende Punkt den Franziskus setzt, wie Diakonie und Mission ineinander gehen.

Credo: Auf der einen Seite die professionalisierte Caritas und auf der anderen Neuevangelisierung vornehmlich bei den neuen geistlichen Gemeinschaften. Wie geht das konkret zusammen?

Das Erste und Wichtigste ist in allen Feldern die Demut. Alle Felder – die drei kirchlichen Grundvollzüge: Diakonie, Liturgie und Zeugnis – können sich ja selbst über die anderen erheben. Im Evangelium steht, wir sollen beim Gebet nicht plappern wie die Heiden (Mt 6,7). Ich könnte ja auch beten, weil es mir selbst gefällt, oder weil ich meine Bewegung oder Gruppe so cool finde – das ist nicht gemeint. Es ist eine klare Ansage: Selbst beim Gebet geht es um Christus.
Auch im Diakonischen geht es nicht darum, „was ihr dem Geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr für euer Portemonnaie gemacht … das habt ihr gut gemacht … das habt ihr für eure Gruppe getan.” Nein: „Was ihr dem geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.” Es geht um Christus. Und auch bei der Verkündigung sollen wir nicht dröhnendes Erz oder lärmende Pauke sein (1 Kor 13,1). Es geht auch wieder um Christus, um die Liebe. Alle drei Grundvollzüge finden ihre Einheit in Christus und in der Evangelisierung.

Von Christus her löst sich diese Spaltung auf, weil alle drei das gleiche Ziel haben. Wie Franziskus auf der Jugendsynode deutlich gemacht hat: Es geht in der Jugendpastoral der Berufung um die Begegnung zwischen Geschöpf und Schöpfer und wir dürfen diesen Raum aufmachen. Ich muss sie nicht zu mir führen, nicht einmal in meine Gruppe. Ich muss den Raum für eine Christusbegegnung aufmachen. Und darin sind, glaube, ich alle eins. Wir müssen, wie Papst Benedikt gesagt hat, so viele Wege aufmachen, wie es Menschen gibt. Deswegen ist es wichtig, das in der Weite zu tun, aber mit dem einen Ziel.

Credo: Nun scheint die Abhilfe zu materieller Not in Deutschland weitestgehend professionell organisiert. Wo kann man sich noch einbringen? Sind wir zu wenig kreativ?

In Deutschland ist die unmittelbare Not im Gegensatz zu der, der man in Lateinamerika begegnen kann eine andere. Das heißt aber nicht, dass wir keine Not haben. Ein Beispiel, wie das vielleicht ineinander gehen kann aus der Psychotherapie, im Bereich des sexuellen Missbrauchs – in diesem Bereich arbeitet meine Frau. Dort sagte eine Therapeutin zu einem Täter: „Sie haben Schuld auf sich geladen und die kann Ihnen keiner vergeben, außer Sie sind katholisch. Die haben so etwas wie die Beichte.” Dabei ist die Therapeutin keine Christin. Meine Frau und ich waren darüber verdutzt. Es bedeutet, im säkularen Kontext wird eine Ressource gesehen, mit der Leuten geholfen werden kann. Christus ist eine Ressource, die wir haben und anbieten dürfen.

Bei Mission denken wir oft: „Wir wollen doch keinen in unsere Einrichtung rekrutieren.” Dabei ist die Schönheit Christi ja nicht etwas, zu dem ich jemanden zwangsverpflichte. Wenn ich sie aber jemandem vorenthalte, treffe ich für ihn schon eine Entscheidung. Selbst in höchster Professionalisierung, glaube ich, dürfen wir Christus anbieten.

Ein weiteres Beispiel von der Manege Berlin, ein soziales Jugendzentrum der Salesianer: Dort gibt es eine ganztägig geöffnete Kapelle mit einer Marienstatue mit ausgebreiteten Armen, die man auch von außen sieht. Wir waren dort zu Gast als die zuständige Schwester eine WhatsApp von einer jungen Frau bekam, die mit 15 ihr zweites Kind erwartete und aus dem Kreissaal schrieb: „Schwester, bitte schick mir ein Bild von der Frau mit den offenen Armen, weil die beschützt mich immer.” Bemerkenswert! Das bedeutet, da ist ein Zeugnis, wo junge Menschen angesprochen werden, wo sie eine Mehr-Dimension erwarten. In einer großen Notsituation – zweites Kind mit 15! – sieht man, da ist eine Dimension mehr, die wir angeboten haben. Das ist cool! Das können wir! Und das können, glaube ich, auch nur wir: nämlich der materiellen und geistlichen Not gleichzeitig begegnen.

Credo: Danke für das Gespräch!