Vor Ort · Neuorientierung in der Natur

Konfrontation mit der Realität

Josef Gruber ist fasziniert von „7 vs. Wild”, einem Youtube Format, in dem sich junge Männer der Herausforderung stellen, mit minimaler Ausrüstung sieben Tage in der Wildnis klarzukommen. Als er im letzten Sommer einen vergleichbaren Urlaub plant, fällt es in eine Zeit, in der er sich selbst mit Fragen beruflicher Neuorientierung in seinem Leben auseinandersetzen muss. Wir haben ihn gefragt, wie die Konfrontation mit der Realität in der Natur ihm bei seiner Orientierung geholfen hat.

von Raphael Schadt · 20.03.2023

Mann in der schwedischen Natur
Josef Gruber beim Wildcampen in Schweden. Bild: Privat.

Credo: Was hat dich an „7 vs. Wild” gereizt?

Josef Gruber: Ich fand diese Idee cool. Sieben Leute mit sieben Gegenständen sieben Tage lang draußen, alleine in unbekannter Umgebung und das alles ungescriptet. Das hat mich gecatcht! Ich kannte das von den Pfadfindern früher: Draußen zu sein, etwas aufzubauen, Feuer machen, kein Luxus. Ich fing an, die Folgen anzuschauen und merkte, wie gut ich deren Gedankengänge nachvollziehen konnte. Etwa die anfängliche Euphorie, bis die erste Nacht kommt. Die ersten Grenzerfahrungen und dann zu realisieren, was es mit dir körperlich und geistig macht. 

Als ich mir die Folgen anschaute, merkte ich, wie ich Lust bekam, es selbst zu versuchen. Daraus wurde ein Plan. Mein Bruder wollte mitmachen. Wir planten nach Schweden zu fahren, in Deutschland ist Wildcampen ja verboten. Und damit es nicht bei Worten blieb, schenkte er mir zum Geburtstag den Flug. Wir fingen an, über die Packliste nachzudenken. Wir beschlossen allerdings, uns nicht auf sieben Gegenstände zu begrenzen und zu zweit zu gehen.

Credo: Wie kamt ihr dort hin?

Josef: Wir sind bis Luleå geflogen und mit dem Bus nach Boden und Bredaker. Dann gingen wir querfeldein. Zuvor hatten wir auf Google Maps bewaldete Bereiche ohne Häuser ausgesucht und für zwei Seen eine Fischerlaubnis gekauft, um angeln zu dürfen. Dann sind wir mit unseren 20-Kilogramm-Rucksäcken und GPS-Unterstützung – das einzige wofür wir die Handys genutzt haben – drauf los gelaufen.

Credo: Welche Challenge hattet ihr euch gegeben?

Josef: Meine Challenge war, sieben Tage draußen zu sein, ohne Komfort und Medien, und zu schauen, ob ich mit der Einsamkeit bzw. Zweisamkeit klar komme. Einsamkeit kam aber nicht auf, ich hatte ja meinen Bruder, und die Zeit in der wir – abgesehen von einer kurzen Begegnung mit zwei Menschen – niemanden sahen, fand ich vor allem sehr entspannend. Jetzt habe ich Lust, die Aktion diesen Sommer alleine zu wiederholen und zu sehen, ob ich es auch allein schaffe. Die Ausrüstung habe ich ja jetzt.

Ich wollte auch wissen, ob das körperlich klappt. Hauptthema ist natürlich Schlaf. Wir hatten zwar Hängematten und Schlafsäcke dabei, aber wir waren in einer Zeit in Schweden, in der es nicht Nacht wird, sondern nur drei Stunden dämmert. Das war aber kein Problem. Dann Hunger: Weniger Kalorien zu sich zu nehmen, viel unterwegs und draußen zu sein, dazu Müdigkeit in unbekanntem Gelände. Es hat mir gut gefallen. Wir hatten zwei lange Märsche von knapp fünf Stunden und anschließend zwei Tage Entspannung und Angeln.

Credo: Hat dir diese Zeit Impulse gegeben für dein Leben?

Josef: In dem Moment selbst nicht. Rückblickend habe ich mir jedoch die Frage gestellt: Was ist in meinem Leben wirklich wichtig? Diese Frage war auch in der Zeit vor dem Urlaub entscheidend und aktuell, da ich unmittelbar zuvor mein Theologiestudium abgebrochen hatte. Für mich war es wichtig, mir Zeit zu nehmen, auch für Gott. Vor allem aber die Konfrontation mit der Realität in der Natur war wichtig. Im Alltag ist man ja oft abgelenkt. Man lebt in der Vergangenheit oder der Zukunft, ohne die Gegenwart wahrzunehmen. Wie wichtig es für mich ist, mir extra Zeit zum Gebet zu nehmen, erschloss sich mir nach dem Urlaub viel mehr.

Credo: Ist die Frage nach dem weiteren Weg geklärt? 

Da der Abbruch und der Urlaub kurz aufeinander folgten, brauchte ich noch ein wenig Zeit, um meine Gedanken zu sortieren und zu reflektieren. Natürlich standen Zweifel im Raum: „Bist du doof. Jetzt warst du doch schon zwei Jahre drin.” Die Fragen nach dem, was danach kommt und wie es jetzt weiter geht, standen natürlich im Raum. Ich kann jetzt aber sagen, dass ich mit dem Studienabbruch meinen Frieden habe und meine Entscheidung nicht bereue. Mein Ziel ist es nun, im Gebet und im Gespräch mit meinem geistlichen Begleiter und Freunden, Gottes Stimme wahrzunehmen und herauszuhören wie es weitergeht. Solang ich mit ihm connected bleibe, wird er mich führen. Im Kleinen wie im Großen. Er wird mich nicht plötzlich in eine andere Berufung umtopfen. Das ist ein Prozess. Er wird mich befähigen durch verschiedene Ausbildungen und Erfahrungen, durch meine ehrenamtlichen Aufgaben und mein Engagement. Und seit dieser Entscheidung läuft’s.

Credo: Inwiefern?

Ich habe wieder Frieden und Freude. Mir war das Studium zu theoretisch. Die Erkenntnis darüber, dass ich gerne praktisch dienen möchte und im Kontakt mit Menschen Gott finde, hat mir Frieden und vor allem Freude gebracht. 

Credo: Danke für’s Gespräch.

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