Raphael Schadt im Gespräch mit Pfarrer Manfred Bauer aus der Pfarreiengemeinschaft Augsburg Hochzoll.
Thema · Credo Talk mit Pfarrer Manfred Bauer
Sonntag plus – Zukunftsmodell für Pfarreien?
von Raphael Schadt · 09.12.2025
Credo: Was ist „Sonntag plus“?
Pfarrer Manfred Bauer: „Sonntag plus“ bedeutet, dass wir die Sakramentenvorbereitung – also Erstkommunion- und Firmvorbereitung – die Kinderkirche sowie die Erwachsenenkatechese der Pfarreiengemeinschaft (PG) auf den Sonntag legen. Vor meiner Zeit als Pfarrer in der PG Hochzoll gab es bereits ein Sonntagsprogramm für Kinder und Erwachsene. Zur Kommunionvorbereitung sollten die Kindern mit Eltern zu drei Terminen kommen. Das hat uns gefallen und wurde von den Familien gut angenommen. Dann kam Corona und niemand wusste, wie es weitergehen sollte. Schließlich haben wir uns im Team überlegt, dieses Konzept der Kommunionvorbereitung auszuweiten und Sonntage so zu gestalten, dass viele Menschen in die Kirche und ins Pfarrzentrum kommen, sodass neben der Glaubensweitergabe auch echte Begegnung stattfindet.
Credo: Also ein verlängerter Sonntag mit Vorprogramm und Gemeinschaft.
Bauer: Um 9:30 Uhr treffen sich alle in der Kirche. Es gibt eine kurze Einführung in das Thema des jeweiligen Sonntags, dazu und ein Lied und danach verteilen sich alle in die verschiedenen Gruppen in den Räumen des Gemeindezentrums. Anschließend gibt es eine kleine Kaffeepause mit Snacks. Und um 11:00 Uhr feiern wir Familiengottesdienst, in dem das Thema der Katechese wieder aufgegriffen wird. Insgesamt dauert „Sonntag plus“ etwa zweieinhalb Stunden.
Credo: Haben Sie selbst beim „Sonntag plus“ etwas erlebt, wo Sie sagen: „Yes! Genau dafür machen wir das“?
Bauer: Ja. Besonders beeindruckt mich, dass die Firm- und Erstkommuniongottesdienste intensiver werden. Ich erlebe, dass Kinder, Jugendliche und Familien mit einer anderen inneren Haltung dabei sind, weil sie nach den Treffen mehr Verständnis für den Gottesdienstes mitbringen.
Credo: Die jahrgangsweise Vorbereitung auf Erstkommunion und Firmung steht aktuell in der Diskussion. Funktioniert diese mit dem „SonntagPlus“-Modell besser?
Bauer: „SonntagPlus“ lässt viel Freiheit. Niemand wird angerufen, wenn er nicht kommt. Das Angebot wird je nach Situation unterschiedlich intensiv wahrgenommen. In unserem Stadtteil leben viele sozial schwache Menschen, die Schwierigkeiten haben, feste Termine einzuhalten. Aber wenn sie ein paar Mal kommen und am Ende sagen, dass es für sie eine schöne Erfahrung war, hat das einen enormen Wert. Ob man das flächendeckend Jahrgang für Jahrgang so machen sollte, ist eine Frage, die zu entscheiden mir vor Ort nicht zusteht.
Sollte sich die Kirche in Zukunft aber auf eine sehr kleine Gruppe von engagierten Gläubigen reduzieren, wird sich schon die Frage stellen, ob wir jährlich 50 bis 60 Kinder durch die Sakramentenvorbereitung führen können, vor allem wenn am Ende nur zwei Ministranten übrig bleiben. Die Frage der Nachhaltigkeit sollte man sich aber nicht stellen, weil man sonst nur frustriert ist.
Credo: Diese Frage stelle ich mir schon hin und wieder.
Bauer: … vielleicht muss man sie aus wirtschaftlichen Gründen stellen, schließlich werden wir künftig weniger personelle und finanzielle Ressourcen haben. Aber wenn man auf Jesus von Nazareth schaut: Zwischendurch folgten ihm 5000 Menschen, aber am Ende standen nur noch zwei unterm Kreuz. Die Idee, unbedingt eine lebendige Pfarrgemeinde erschaffen zu wollen, kann einen sehr unter Druck setzen. Man sollte vorsichtig sein, sich Bilder in den Kopf zu setzten, die einen am Ende unglücklich machen. Meine Hoffnung ist, dass „Sonntag plus“ oder generell unser Tun in einzelnen Menschen eine Resonanz auslöst und nachwirkt – auch da wo wir es nicht sehen. Wenn aber einzelne Menschen – etwa in unserem Alpha-Kurs – sagen, dass sie eine tiefere Freude am Glauben gefunden haben, dann habe ich mehr erlebt, als wenn 60 Kinder in weißen Kleidern und schwarzen Anzügen aufmarschieren.
Credo: Wir Deutschen versuchen, Probleme gerne schnell durch Strukturveränderungen zu lösen. Liegen die Probleme am Modell Pfarrei – oder muss sie einfach wieder mit Geist erfüllt werden?
Bauer: Eine schwierige Frage. Es ist ja kein Geheimnis, dass die Erneuerung der Kirche in den letzten Jahren weniger aus den Pfarreien, sondern aus Bewegungen und Wallfahrtsorten wie Medjugorje kommt. Sie waren ja damals bei der Studienreise nach Halifax dabei. Father James Mallon ist einer der wenigen, die sagen, dass die Pfarrei Zukunft hat. Und wenn Pfarreien weiterhin personell und finanziell gut ausgestattet werden, dann haben sie auch Zukunft. Aber ohne diese Ressourcen eben nicht. Dann müsste man die Strukturen anpassen und wenigstens in jedem Dekanat Anlaufstellen schaffen, an denen Menschen ihren Glauben praktizieren und lebendige Gottesdienste wie „Sonntag plus“ erleben können. Es macht mir schon Sorgen, dass wir am Ende mit vielen Pfarrgemeinden dastehen, in denen die Rahmenbedingungen so schwierig sind, dass sich auch keine Ehrenamtlichen mehr motivieren lassen. Grundsätzlich aber bin ich kein Strukturmensch. Wie Sie sagen: Wir diskutieren viel, verbrauchen viel Zeit – und gewinnen dabei oft wenig.
Credo: Sie haben Divine Renovation in Halifax, Kanada, angesprochen: Glauben Sie, dass es auch in Deutschland möglich ist, eine so aktive Pfarrei aufzubauen, wie James Mallon in Kanada?
Bauer: Auf einem sehr langen Weg – ja. Schnell geht es nicht. Mallon hat da auch Vorteile gehabt, wie etwa die finanziellen Probleme seines Bistums Halifax. Dort mussten viele Kirchen verkauft werden. In seinem Stadtteil blieb nur seine Kirche übrig. So kamen alle Katholiken zu ihm. Er konnte den Strukturwandel mit einem Neustart positiv nützen. Hinzu kommen Faktoren wie seine begeisternde Art, der konsequente Einsatz von Alpha-Kursen, ein großes Pfarrzentrum und sein Geschick, die verschiedenen katholischen Einwanderer zu integrieren. Zudem hatte er jedoch auch viel Freiheit und konnte etwa selbst entscheiden, wie er sich sein Team von Haupt- und Ehrenamtlichen optimal zusammenstellt.
Grundsätzlich kann so etwas auch bei uns gelingen. Allerdings wollen wir in Deutschland oft noch Dinge bewahren, die nicht mehr zu bewahren sind. Aber die Kirche hat Zukunft, wenn Menschen den Glauben feiern und das Evangelium leben.