Tobias Riegger arbeitet seit drei Jahren im Bistum Augsburg am Institut für Neuevangelisierung und im Basical. Der gelernte Bauingenieur ist darüber hinaus ehrenamtlich im Leitungsteam der Hope City München tätig.
Credo: Was ist die Hope City und wie ist sie entstanden?
Tobias: Die Hope City ist eine Initiative unter dem Dach der Charismatischen Erneuerung in der Katholischen Kirche und ist jetzt sechs Jahre alt. Wie viele Intitiativen ist sie entstanden, weil Menschen eine Sehnsucht hatten. Bei uns war diese Sehnsucht, dass Jesus in München Raum einnimmt. Zunächst haben wir uns einfach regelmäßig zum Gebet getroffen und sind dann gewachsen. Bald wurden wir gefragt: Wer seid ihr? Erst ab da stellten sich die Fragen nach Struktur, Name und Leiterschaft.
Credo: Hat sich die Hope City quasi aus der Gemeinschaft heraus ergeben oder hatten Einzelne einen bestimmten Plan?
Tobias: Beides. Zehn Leute waren von Anfang an dabei. Unterschiedliche Persönlichkeiten kamen da mit ihren Charismen zum Tragen. Einzelne haben aber besonders gefragt: „Was ist der nächste Schritt? Lasst uns an einen Tisch sitzen! Lasst uns anpacken.”
Credo: Was war der Kern eurer Sehnsucht?
Tobias: Wir glauben, dass Jesus einen Unterschied macht. Wir wollen, dass Jesus mit seiner Botschaft in München Raum bekommt, weil wir glauben, dass das unsere Gesellschaft verändern wird.
Initiativen starten
Credo: Viele sehnen sich danach, so etwas bei sich zu starten. Aber nicht immer lässt sich das so unmittelbar realisieren. Wie würdest du eine solche Initiative auf die Beine stellen?
Tobias: Zu Beginn steht die Leidenschaft, der Traum, die Vision. Also ein Gemeinschaftsanliegen, zum Beispiel Gebet oder etwas Karitatives. Etwas, wofür ich gerne meine Zeit gebe. Dann muss man diese Leidenschaft teilen. Wenn man sie für sich behält, wird keine Initiative entstehen.
„Startpunkt einer Initiative ist immer eine Leidenschaft“
Also such dir Leute, die ähnlich denken und fühlen. Erzähl von deiner Leidenschaft. Nur dann können Leute andocken. Und dann fang an! Wenn ihr zwei oder drei seid, fangt an. Unkompliziert.
Credo: Manchmal geht nicht viel voran und es bremst. Was tun?
Tobias: Das kann an sehr vielen Faktoren liegen. Zunächst braucht es Ausdauer. Es ist normal, dass man da auch einmal Opfer bringen muss. Aber vielleicht muss man an der Kommunikation arbeiten. Oft gilt es, mehr das Wozu, das Warum zu vermitteln, als das Was zu wiederholen. Über das Wozu kann man sich identifizieren. Simon Sinek spricht über den goldenen Kreis, den golden Circle: Wenn du willst, dass Leute dir folgen, dann vermittle ihnen das Warum.
Ein Beispiel: Du willst ein Pfarrfest machen. Dann kannst du einfach Jobs an die Pfarrmitglieder delegieren: „Kannst du Würstchen braten? Kannst du ein Kinderprogramm organisieren?” Aber die Wahrscheinlichkeit, dass Leute mitmachen und einsteigen, wird deutlich ansteigen, wenn du ihnen erklären kannst, warum du dieses Pfarrfest machen willst: Zum Beispiel um die Gemeinschaft in der Pfarrei zu stärken.
Am Ende kann es aber sein, dass es einfach aktuell nicht dran ist, einen Gebetskreis oder Ähnliches zu gründen. Vielleicht ist die Zeit noch nicht reif – oder der Ort.
Credo: Was, wenn man sich nicht ganz einig ist, wohin die Reise gehen soll?
Tobias: Natürlich muss man mit den Leuten, mit denen man unterwegs ist, im Austausch sein. Das Ziel war in unserem Fall klar. Die größere Frage war, wie wir dort hinkommen. Das „WIE“ muss man sich dann zusammen erarbeiten. Für uns hieß das: indem wir nicht aufhören, zu beten, und anderen die Möglichkeit geben, Christus mit uns nachzufolgen.
Leiterfiguren und Leitungsteams
Credo: Wenn viele Ideen kommen, gilt es, Schwerpunkte zu setzen: Braucht es eine charismatische Leiterfigur, die diese setzt?
Tobias: So eine braucht es AUCH. Wir hatten das Glück, dass nicht eine Person allein die Vision trug, sondern dass wir von Anfang an ein Team waren. Die Leitung lag innerhalb eines Teams. Trotzdem braucht es charismatische Figuren, in dem Sinne, dass sie andere begeistern können. Wenn man so jemanden nicht hat, wird die Initiative nicht wachsen.
Credo: Was braucht es für Charaktere in einem Leitungsteam?
Tobias: Ein Ansatz dafür ist der sogenannte „fünffältige Dienst” in Anlehnung an Epheser 4,11. Hier wird aufgezählt, was wichtige Charaktere sind, die sich in einem Team ergänzen. Paulus spricht von Diensten in der Gemeinde, um die Gemeinde zuzurüsten. Er spricht vom Apostel, vom Propheten, vom Lehrer, vom Hirten und vom Evangelisten.
Wie die verschiedenen Rollen der Finger an einer Hand: Der Daumen steht für die charismatische Figur, den Apostel. Er steht vorne, kann präsentieren, die Vision vermitteln. Der Zeigefinger – der Prophet – ist jemand, der den Finger hebt oder in die Wunde legt. Jemand, der auf Gott hört und Konflikte nicht scheut. Der Lehrer liebt es, Inhalte zu bringen. Er stellt Konzepte auf. Der Ringfinger ist der Finger der Treue. Er steht für Menschen, die Hirten sind, denen die Harmonie in der Gruppe wichtig ist. Er steht zum Beispiel oft in Spannung mit dem Propheten. Der Evangelist steht für das Hinausgehen, um den Glauben weiterzugeben.
Diese fünf Persönlichkeiten müssen sich nicht unbedingt in fünf Personen widerspiegeln. Es braucht also nicht zwingend ein Fünfer-Team mit genau dieser Charakterverteilung. Aber in einem Leitungsteam sollten alle fünf Charaktereigenschaften präsent sein.
Herausforderungen für Gruppen
Credo: Junge Gruppen können kippen. Was kann man für die Gesundheit der Gruppe tun, wenn z. B. alle Arbeit bei einer Person liegen bleibt oder bei besonders Eifrigen eine schräge Theologie reinkommt?
Tobias: Mann muss nach innen im Austausch bleiben. Wichtig ist, dass man es sagt, wenn einem etwas zu viel wird. Schade ist es, wenn man einfach geht. Bei schrägen Theologien ist es wichtig, dass man nach außen im Austausch bleibt. Etwa mit einem geistlichen Begleiter oder der Institution Kirche.
Credo: Was, wenn schwierige Charaktere das Zusammensein mühsam machen?
Tobias: Bei schwierigen Charakteren muss man unterscheiden zwischen schwierigen und kranken Personen. Eine christliche Gemeinschaft sollte grundsätzlich in der Lage sein, solche Leute zu integrieren. Daher sollten zu größeren Veranstaltungen z. B. alle kommen können. Das bedeutet aber nicht, dass man sie ins Leitungsteam nehmen muss. Am Ende muss man abwägen zwischen Nächstenliebe und der Verantwortung für die Gruppe. Aber selbst der Charakter eines personenorientierten „Hirten“ kann für einen Aufgabenorientierten sehr anstrengend sein. Da muss man sich selbst prüfen und beweglich bleiben.