Thema · Im Leben und im Tod gehören wir dem Herrn (Röm 14,8)
Ich glaube auch in schweren Zeiten
von Pfarrer Ralf Gössl · 20.11.2025
Meine Mutter gehörte in meiner Heimatpfarrei St. Jakob in Schrobenhausen zum Kirchenchor. Deshalb hat sie auch während der Woche oft bei einem Requiem gesungen. Da sie mich als kleinen Buben nicht allein lassen wollte, nahm sie mich mit auf die Empore. Von dort aus habe ich Ende der 60er- und Anfang der 70er-Jahre mit großen Augen und Ohren die Liturgie verfolgt.
Ob wir leben oder ob wir sterben, wir gehören dem Herrn. (Röm 14,8)
Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass auch damals bei den Gottesdiensten für Verstorbene oft die Lesung aus dem 14. Kapitel des Römerbriefes gelesen wurde. Darin heißt es u. a. „Ob wir leben oder ob wir sterben, wir gehören dem Herrn“ (Röm 14,8). Dieses Wort des Apostels Paulus ist mit Sicherheit das erste Wort der Heiligen Schrift, das ich in meinem Leben bewusst gehört und wahrgenommen habe. Es ist mir im wahrsten Sinne des Wortes ins Herz gefallen und berührt mich nach wie vor. Heute wird mir immer klarer, wie sehr mich dieses Wort geprägt und getragen hat.
Bibellektüre als Kind im Krankenhaus
Im Laufe der Zeit kamen so manche schweren Erfahrungen daher. Als Kind musste ich oft ins Krankenhaus und mehrfach operiert werden. Zu meiner Firmung im April 1977 bekam ich von meinen Eltern eine Jugendbibel geschenkt. Als ich im selben Jahr wieder für einige Wochen ins Krankenhaus musste, nahm ich meine neue Bibel mit und las sie in dieser Zeit.
Besonders fasziniert haben mich die Evangelien und das, was ich darin über Jesus erfahren habe. Ich spürte, dass er da ist und dass mein Leben ihm gehört. Das hat mich in dieser Zeit und darüber hinaus getröstet. Heute kann ich sagen, dass besonders diese Krankenhauserfahrung mit meiner Bibel zu den wichtigsten Erfahrungen auf meinem Berufungsweg gehört.
Todesfälle und trauernde Menschen heute
Neben diesen eigenen Krankheiten musste ich später erleben, dass meine Eltern starben als ich ein junger Erwachsener war. Als meine Mutter starb, habe ich den Satz aus dem Römerbrief auf ihr Sterbebild schreiben lassen: „Ob wir leben oder ob wir sterben, wir gehören dem Herrn“ (Röm 14,8). Heute begegnen mir in der Seelsorge und besonders bei meinem Dienst als Seelsorger im St.-Vinzenz-Hospiz viele belastete, trauernde, kranke und sterbende Menschen.
Manchmal passt das Lied „Jesus, dir leb ich. Jesus, dir sterb ich.“
Dieses Leid geht mir sehr nahe und ich weiß auch nicht immer, was ich sagen soll. Ich spüre, dass es wichtig ist, da zu sein, zuzuhören, miteinander zu schweigen, offene Fragen auszuhalten und einfach miteinander einen Weg zu gehen. Wenn es für die Gäste und ihre Angehörigen passt, dann bete ich für sie und mit ihnen. Danach spreche ich ihnen ein Segensgebet zu. Gerne singe oder bete ich das bekannte Lied, das auch im Gotteslob steht (Nr. 367) und das auf den Text aus dem Römerbrief zurückgeht: „Jesus, dir leb ich. Jesus, dir sterb ich. Jesus, dein bin ich im Leben und im Tod.“
Mich trägt das Vertrauen, dass wir im Herrn geborgen sind
Es ist mir im Hospiz und auch in anderen Situationen wichtig, den Menschen immer wieder zuzusagen, dass ich im Gebet an sie denke. Ich spüre, dass das vielen guttut. Innerlich bete ich dann: Jesus, all diese Menschen gehören dir, begleite, tröste und segne sie. Immer wieder trägt mich dabei dieses Vertrauen, dass wir alle – im Leben und im Sterben – dem Herrn gehören und in den Höhen und Tiefen unseres Lebens in seiner Liebe geborgen sind.
Ich komme am Schweren nicht vorbei, aber ich komme hindurch
Die Freundschaft mit Jesus bewahrt mich nicht vor leidvollen Erfahrungen, aber sie bewahrt mich in alledem. Ich komme am Schweren nicht vorbei, aber ich komme hindurch. Oft muss ich auch um dieses Vertrauen ringen. Doch dann gibt es wieder die Momente, in denen ich spüren darf, dass dieses Vertrauen da ist. Das trägt mich und erfüllt mich mit einer inneren Freude.