Thema · Verlust und Veränderung

Himmlisches Hochzeitsmahl

Im November 2009 stirbt Rahels Mutter nach viermonatiger Krankheit an Krebs. Kurz vor ihrem Tod äußert sie den Wunsch, in einem Brautkleid beerdigt zu werden. Über die Veränderung durch den Verlust einer geliebten Person.

von Rahel Beering · 16.06.2021

Credo-Autorin Rahel. Bild: privat

Ich gestehe: Pinterest find ich super. Manchmal verbringe ich Stunden damit, mich durch die unterschiedlichsten Bilder und Links zu klicken. Nachdem in den letzten Jahren einige gute Freundinnen geheiratet haben, tauchen immer mehr Brautkleider auf meiner Pinnwand auf. Bilder von glücklichen, strahlenden Bräuten in wunderschönen, weißen Kleidern. Ich kann mich noch gut an den Tag erinnern, an dem das letzte Mal jemand aus meiner Familie ein weißes, schönes Hochzeitskleid anhatte. Es war im November 2009 bei der Beerdigung meiner Mutter, die ein paar Tage vorher nach viermonatiger Krankheit an Krebs gestorben war. Kurz vor ihrem Tod hatte sie den Wunsch geäußert, in einem Brautkleid beerdigt zu werden. Wie damals vor ihrer Hochzeit wählte sie den Stoff und die Form des Kleides aus, in dem sie kurz darauf beerdigt wurde.

Ein Hochzeitskleid für die Beerdigung

Hochzeitskleid und Beerdigung. Ein Kleidungsstück, das für Freude, Leben und Liebe steht, und ein Ereignis, das von Trauer und Abschied geprägt ist – das passt auf den ersten Blick so gar nicht zusammen. Meiner Mutter war während ihres Lebens, in ihrer Krankheit und im Sterben klar, dass wir als Christen eine unglaubliche Hoffnung und Verheißung haben. Der Tod nicht das Ende, sondern der Beginn des ewigen, des eigentlichen Lebens bei und in Gott ist.

„Ich sterbe nicht, ich gehe ins Leben ein.“

– dieses Zitat von Thérèse von Lisieux hat meine Mutter in ihren letzten Wochen immer wieder wiederholt. Als meine Mutter zum ersten Mal erwähnt hat, dass sie ein Hochzeitskleid für ihre Beerdigung möchte, habe ich das nicht verstehen können. Aber beeindruckt hat mich der Glaube meiner Mutter schon. Und obwohl der Tod etwas Furchtbares ist und ich vor Trauer und Schmerz wie taub war, wurde in der Zeit, in der sich meine Mutter auf ihren Tod vorbereitete, tief in meinem Herzen eine Sehnsucht nach dem Himmel wach. Nach dem Ort, an dem wir Gott endlich klar sehen, erkennen und kennen werden. Nach dem Hochzeitsmahl, bei dem wir als Kirche mit unserem Geliebten vermählt werden. Und nach dem Moment, in dem wir Gott Vater, Sohn und Geist in aller Schönheit und Herrlichkeit begegnen.

Zum himmlischen Hochzeitsmahl geladen

Im Herbst hören wir in den Lesungen der Messe viele Texte zum Letzten Gericht, zum himmlischen Hochzeitsmahl, zum Himmelreich. Und in jeder Messe gedenken wir, dass wir zum „Hochzeitsmahl des Lammes“ geladen sind. Dass wir durch die Eucharistie schon mit Christus, unserem Bräutigam, auf eine wundervolle Weise vereint werden, wie auch Braut und Bräutigam bei der Hochzeit. Und doch sind Hochzeit und Messe nur Vorwegnahmen der Hochzeit, die meine Mutter 2009 feiern durfte.

Und jetzt ist wieder November. Der Monat, in dem die Tage dunkler werden und das Wetter kalt. Der Monat, in dem sich der Todestag meiner Mutter jährt. Obwohl dieser Tag, an dem der Körper meiner Mutter im Brautkleid da lag, nun schon acht Jahre her ist, vermisse ich sie sehr. Und die Trauer kommt immer wieder hoch. Mal fällt es mir schwerer und mal leichter, in meiner Trauer die Hoffnung und das Leben zu sehen, das im Tod liegt. Doch immer wieder darf ich erleben, dass der Heilige Geist in mir Vorfreude auf den Himmel weckt. Vorfreude auf den Moment, in dem ich schließlich mit Jesus vereint werde. Und das nimmt meiner Trauer die Ohnmacht.

Update: Ein paar Jahre später

Mittlerweile sind wir im Jahr 2021 angekommen. Seit dem Tod meiner Mutter hat sich viel verändert. Ich bin von zu Hause ausgezogen, war ein Jahr im Ausland und habe in einer neuen Stadt mein Studium begonnen. Aus meiner Familie ist mittlerweile eine Patchwork-Familie geworden. Jetzt habe ich eine Stiefmutter und weitere Stiefgeschwister. Daran musste ich mich erst gewöhnen. Mittlerweile habe ich selbst geheiratet und bin ins Berufsleben gestartet.

An vielen Wendepunkten in meinem Leben wird mir das Fehlen meiner Mutter wieder schmerzlich bewusst. Und doch darf ich tief im Inneren wissen, dass es einen gibt, der in all der Veränderung – und in all der gefühlten Überforderung, die damit einhergeht – konstant bleibt und nie überfordert ist.

Der „Ich-Bin-Da” ist da – immer

Und wenn in meinem Leben äußerlich oder innerlich mal wieder die Stürme toben, ist es seine leise, vertraute und doch immer wieder unbegreifliche Stimme, die mich neu ausrichtet und mich einlädt, meine Augen auf IHN, auf den Himmel, auf das himmlische Hochzeitsmahl zu richten.

Anmerkung der Redaktion: Der erste Teil dieses Artikels ist bereits im November 2017 hier erschienen. Wir fanden den Text so passend zum aktuellen Thema „Veränderung“, dass wir Rahel gebeten haben, ein kleines Update zu ihrem Text zu schreiben.