Thema · Talk mit Paul Metzlaff

Das Gebet der Wüstenmönche

Welches ist das Gebet, mit dem sich die Wüstenväter in Gott versenkt haben? Paul Metzlaff ist Theologe, promovierter Philosoph und darüber hinaus Lehrer des Ruhegebets der Wüstenväter nach Johannes Cassian. Wir haben uns mit ihm über die Faszination am Ruhegebet, der Begegnung mit Christus und „Risiken und Nebenwirkungen“ des Ruhegebets unterhalten.

von Raphael Schadt · 27.09.2024

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Credo: Paul, wie hast du als junger Christ deinen Bezug zu Gott aufgebaut? Was war da deine Gebetspraxis?

Paul Metzlaff: Über eine Jugendarbeit der charismatischen Erneuerung konnte das persönliche Beten kennenlernen. Also ich habe aus der Bibel gelesen, bisschen Stille gehalten. Mit Lobpreis habe ich es nicht so. Meine Sangeskünste entsprechen etwa dem Troubadour bei Asterix und Obelix. Das betrachtende, stille Gebet war schon immer meins und entspricht auch meinem Wesen.

Als ich zum Zivieldienst in Rom war, im Benediktinerkloster in San Anselmo, hat mir ein Mönch ein Buch gegeben von den sogenannten Mönchsvätern – Mönche in den ersten Jahrhunderten nach Christus – von Evagrius Ponticus, einem dieser Wüstenväter. Darin beschreibt er deren Gebetsweisen und den Austausch, der beim Beten stattfindet. Und das war mein erster Kontakt mit den Wüstenvätern. Später kam Johannes Cassian mit dem Ruhegebet dazu.

Credo: Was genau ist das Ruhegebet?

Metzlaff: Dort es geht darum, dass wir von uns selbst, von aller Geschäftigkeit, von allem Tun zurücktreten. Es ist eine Reduktion von allem Unwesentlichen, von dem was wir machen, wo wir leisten, wo wir denken. Im Ruhegebet betest du ein Bibelwort. Ganz klassisch etwa den Namen Jesu, „Jesus Christus” oder„ Jesus Christus, Sohn Gottes, erbarme dich meiner”, oder ähnliche. Man betet nur mit diesem einen Wort. Man stößt dieses Wort an und lässt es in sich hineinfallen. Das ist ein Eintreten in eine Armut, die die Wüstenväter und -mütter in der Wüste suchten, um zu beten. Weit weg von ihrer lauten Gesellschaft – die wir ja heute auch kennen.

Die Erfahrung der Wüstenväter war, wie Jesus auf Versuchungen des Teufels mit einem Schriftwort zu antworten. Evagrius nennt das die Widerrede. Daraus ist diese Gebetsweise entstanden. In der Stille sagt man das Gebetswort zunächst leise und dann nur noch innerlich. Dann schweift man möglicherweise ab, es kommen Gedanken, aber wir nehmen den Namen Jesu wieder auf, denn im Namen Jesu ist Heil und der arbeitet in uns. Wir vertrauen darauf, dass wir in diesem Moment wirklich Gott begegnen. 

Auch wenn meine Gebetszeit nicht nur aus Ruhegebet besteht – Fürbitte, Dank und Bibellesen, das gehört alles fürs Komplettpaket dazu – für mich ist es das erste. Dazu nehme mir immer 20 Minuten, mit Wecker, morgens und abends.

Credo: Wieso Armut?

Metzlaff: Weil ich danach halt nicht sagen kann: Schau, ich habe hier einen Rosenkranz runter gebetet, ich habe jetzt hier 15 Seiten Bibel gelesen. Ich verzichte auf den Leistungsaspekt. Für mich ist es total schön, vor Gott einfach sein zu dürfen und nicht irgendwas leisten zu müssen. Das ist das Schöne beim Ruhegebet: Einfach in dieser Präsenz zu sein und zu wissen, Gott ist da, ich bin da. Diese Zeit Gott zu schenken und zu wissen, er wird sie schon nutzen. Es das ist eine eine Demutshaltung, in der ich einfach sage: Gott, ich bin jetzt da und schenke dir Zeit in unserer Beziehung, in unserer Begegnung. 

Paul Metzlaff war lange Zeit Referent für Jugendpastoral bei der Deutschen Bischofskonferenz und zuletzt Berater im Familien- und Laiendikasterium in Rom. Er ist verheiratet und lebt in Bonn. Bild: Raphael Schadt.

Credo: Du sprachst von Christusbegegnung. Wie erlebst du diese Christusbegegnung?

Metzlaff: Es die schönste Beziehung, der schönste Raum, in dem man sein kann. Christus ist einfach die, wie soll ich sagen, die schönste, größte, umwerfendste Person, die ich kenne. So unglaublich vieldimensional, so überwältigend und zugleich einfühlsam, dass ich kaum Worte finde, um diese Begegnung, diese Momente, die Christus schenkt und was das Aufblitzen dieser Person auslöst und für einen Reichtum schenkt, zu beschreiben. Das finde ich das Größte.

Das ist aber nichts, was man machen kann. Es kann und wird Gefühle geben, dass nichts passiert. Das ist, was man Wüste nennt. Aber Wüste ist auch gut. Und sie ist auch nicht leer. Das weiß jeder, der in einer tatsächlichen Wüste war. Das ist besonders hilfreich für Leute, die in schwierigen Situationen sind, die auf eine Gebetsantwort warten. Gerade im Schmerz ist dieses Erlebnis am eindringlichsten, dass jemand mit da ist, auch wenn ich es nicht spüre. Das ist genau die Gebetserfahrung, die große Mystiker gehabt haben.

Dann bleibt auch keine Trostlosigkeit. Auch das sind Früchte, wenn du nicht raus gehst und zornig bist, sondern mit einer Art von Trost herauskommst oder einem Mehr an Frieden. Mir hilft das sehr weiter. Und das ist deutlich wichtiger als der Eindruck: Gott hat mir dies und jenes gesagt. Auch wenn es das geben kann, wie viele Heiligengeschichten bezeugen. Wichtig ist die Treue im Gebet. Weder soll man sich übermäßig freuen, wenn die Gebetszeit Bombe war, noch soll man in Trauer versinken, wenn man nichts gespürt hast. Das Wesentliche beim Gebet ist die Treue. Wie im Sport oder in der Musik geht es darum, beständig dran zu bleiben.

Credo: Was sind für dich „Früchte” des Ruhegebetes?

Metzlaff: Die erste und wichtigste Frucht ist für mich, einen Geschmack zu bekommen und zu erhalten an Christus, an den Sakramente. Das andere ist, gegenüber anderen Menschen aus größerer innerer Freiheit und innerem Frieden handeln zu können. Ich erlebe, dass mich bestimmte Dinge weniger aufregen oder treffen. Aber klar, der ist auch tagesformabhängig.

Credo: Gibt es ein Alter, ab dem man das Ruhegebet beten kann, sollte oder will?

Metzlaff: Zum einen verbietet Cassian es jungen Menschen sogar, wegen der Gefahr in irgendwelche Sphären abzudriften und nur noch still zu sein. Er empfiehlt es nur Erfahreneren. Stille macht ja etwas.

Abgesehen davon ist es natürlich ganz individuell. Manchen sagt es vom Temperament her zu, anderen nicht. Da darf man sich auch nicht Gewalt antun. Da muss man individuell sehen und auch eine Einübung unter Anleitung genau dosieren, weil gerade in jungen Jahren, die Gefahr der Übertreibung groß ist. Daher ist es ratsam alles schön dosiert und am besten mit einem geistlichen Begleiter anzugehen. Geistliche Begleiter und Begleiterinnen sind übrigens eine riesige Hilfe, weil man alles, anders als hier im Podcast, ganz individuell besprechen kann.

Credo: Vielen Dank für das Gespräch.

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