Thema · Lebenssituationen im Licht des Glaubens betrachten

Geistliche Begleitung als Orientierungshilfe

„Können Sie mir sagen, wohin ich will?“ So soll Karl Valentin einen Passanten gefragt haben. Kann ein anderer mir das sagen? Jede und jeder von uns will ein geglücktes Leben führen. Und deshalb kommt es darauf an, mich selbst und meine Berufung immer genauer zu erkennen und ihr zu folgen. Wer oder was hilft mir dabei?

von Msgr. Dr. Bernhard Ehler · 01.12.2022

Tobit und Raphael
Bildkollage: Raphael und Tobit von Werner Klenk (J.-H. Janßen, commons-wikimedia.org) vor psycheldelic Tapete (dipego, stock.adobe.com).

Zuerst einmal sind das die Menschen, die mir etwas zutrauen und mir Aufgaben übertragen:  Meine Mutter hat mir zugetraut, dass ich das Gymnasium schaffen könnte. Der Kaplan hat mir eine Jugendgruppe anvertraut. Der Bischof hat mir Verantwortung für die Priesterausbildung übertragen. Immer wieder waren es Anstöße von außen, die mich herausgefordert haben, meine Begabungen zu entfalten.

Drum prüfe, wer sich ewig bindet

Es gab nicht nur Rufe von außen. Durch Worte der Heiligen Schrift hat Gott mich „im Klartext“ angesprochen. Im Inneren meines Herzens, im Hören auf das Wort Gottes, durch die Ermutigung anderer ist in mir die Vermutung gewachsen, dass Gott mich zum Priester berufen hat. Aber wie sollte ich wissen, ob da wirklich Gott etwas von mir will oder ich mir nur etwas einbilde?

„Von außen“ haben das die Verantwortlichen, letztlich der Bischof geprüft. Um innerlich Sicherheit zu erlangen, hat mir vor allem die Geistliche Begleitung geholfen, die ich jetzt seit 50 Jahren regelmäßig in Anspruch nehme und um die mich viele Menschen bitten.

Was ist Geistliche Begleitung?

Früher hat man von „Seelenführern“ gesprochen. Das waren menschlich und geistlich Erfahrene, die versuchten, anderen den Willen Gottes zu verdeutlichen und ihnen zu helfen, diesen zu erfüllen. Heute sehen wir so etwas problematisch, möglicherweise sogar als „geistlichen Missbrauch“. Niemand kann einem anderen sagen, wie sein Weg mit Gott aussieht, weil dieser das ganz persönliche Verhältnis eines Menschen zu Gott betrifft.

Deshalb sprechen wir heute von „Geistlicher Begleitung“: Jeder Mensch ist unterwegs auf seinem Lebensweg mit Gott. Niemand kann und darf sich in diese intimste Beziehung einmischen. Die Aufgabe eines Geistlichen Begleiters ist nicht die Leitung, sondern die Begleitung. Er oder sie soll von außen auf den Weg des Begleiteten schauen und ihm helfen, dass er selbst Gottes Willen immer besser erkennen und ihm folgen kann.

Ist in meinem Leben noch mehr drin?

Wie geht das praktisch? Menschen fragen nach Geistlicher Begleitung, wenn Entscheidungen anstehen: Bin ich zur Ehe berufen oder zum Priestertum oder Ordensleben? Wie soll es bei einer Krise in der Partnerschaft oder im Beruf weitergehen? Ist in meinem Leben noch mehr drin als das, was ich derzeit lebe und erlebe? Zur Geistlichen Begleitung kommen Menschen, die ein intensiveres Leben suchen, Gott mehr erfahren und ihm dienen möchten, ihr Berufsleben und ihre Beziehungen zu anderen verbessern wollen.

Die Themen gibt jeweils der Begleitete vor. Dabei sind Lebens- und Glaubenserfahrungen eng verbunden. Konkrete Lebenssituationen (Entscheidungssituationen, Konflikte, besondere Ereignisse) werden gemeinsam im Licht des Glaubens angeschaut, so dass ihre Bedeutung klarer wird und Perspektiven sich abzeichnen. Glaubensfragen können angesprochen und im Hinblick auf die Konsequenzen für das Leben betrachtet werden.

Begründete Entscheidungen treffen

Was kann Geistliche Begleitung bringen? Wenn ich meine Situation und meine Fragen einem anderen Menschen gegenüber formuliere, werden sie mir klarer. Rückfragen und die Spiegelung des Gehörten durch den Begleiter helfen zur weiteren Klärung. Wesentlich für ein offenes und ehrliches Gespräch ist dessen strenge Vertraulichkeit. Begleitung soll helfen zu einer realistischen Wahrnehmung der Wirklichkeit, der Spuren Gottes im eigenen Leben und seines Willens. Ihr Ziel ist es, nach den „Regeln zur Unterscheidung der Geister“, die auf den heiligen Ignatius von Loyola zurückgehen, begründete Entscheidungen zu treffen, ohne sich vorschnell durch Wünsche oder Ängste davon ablenken zu lassen. Methodische Hinweise helfen, selbst besser mit den gestellten Herausforderungen umzugehen und menschlich und geistlich zu wachsen.

Geistliche Begleitung hat mir seit 50 Jahren geholfen, menschlich zu reifen, Krisen zu bewältigen und Gott näher zu kommen. Ich begleite selbst gern Menschen, weil ich dabei erfahren kann, wie Gott im Leben von Menschen spürbar wird, die sich auf ihn einlassen. Wollen Sie es auch einmal versuchen?

Geistliche Begleiter im Bistum Augsburg

Die Liste der Geistlichen Begleiter in der Diözese Augsburg wird derzeit aktualisiert; Sie können sich mit einer Anfrage direkt an den Fachbereich Exerzitien und Geistliche Begleitung wenden: Mail spirituelle-dienste@bistum-augsburg.de, Telefon 0821/3166-3300. Wenn Sie sich vorstellen können, sich mit einem Geistlichen Begleiter auf den Weg zu machen, vereinbaren Sie einen ersten Termin, bei dem Sie einander kennenlernen und entscheiden können, ob das für Sie beide passt. Normalerweise trifft man sich dann alle vier bis sechs Wochen zu einem etwa einstündigen Gespräch.