Raphael Schadt im Gespräch mit Schwester Petra Grünert OSF über geistliche Begleitung.
Credo: Zwei Jahre Ausbildung zur geistlichen Begleiterin – ein halbes Psychologie Studium, oder?
Sr. Petra Grünert: Es waren intensive zehn Wochen über zwei Jahre verteilt, mit anderen Priestern, Ordensleuten, pastoral Kollegen und ein paar evangelische Mitchristen – ein großes Spektrum. In diesem Zeitraum soll ja auch in einem selber etwas wachsen. Darum ist diese Zeitspanne mit Ausbildungsblöcken dazwischen ganz wichtig. Ein Schwerpunkt dabei war personenzentrierte Gesprächsführung, aber auch Grundlagen des geistlichen Lebens, der ignazianischen Tradition: Unterscheidung der Geister. Es war ein gemeinsames üben, einander zu begleiten und gut hören zu lernen.
Credo: Wenn ich jetzt zu dir komme und sage: „Mein Glaube ist ein bisschen fad geworden, ich wünsche mir Veränderungen.” Was könnte ich da tun oder was würdest du sagen?
Sr. Petra: Wenn es um Veränderungsprozesse geht, ist es immer gut zu jemandem zu gehen, der mehr Lebenserfahrung hat. Wenn ich auf mein Leben schaue, hat mein Glaube im Alter von 16 Jahren ganz anders ausgesehen als heute. Da stand ich am Anfang des Glaubensweges, der Beziehung mit Jesus. Ich hatte davor keine kirchlich sozialisierte Kindheit und Jugend. Da ist es gut, zu jemandem zu gehen und ins Gespräch zu kommen. Ich bin damals regelmäßig zu meinem Heimatpfarrer gegangen, alle vier bis sechs Wochen und das war der Anfang meiner Suche.
Credo: Wenn ich in der geistlichen Begleitung wäre, woran würde ich erkennen, dass sich etwas verändert hat in meinem geistigen Leben?
Sr. Petra: Wenn ich spüre, ich bin an einen Punkt gekommen, an dem ich nicht mehr weiterkomme oder merke: Das passt nicht mehr zu meiner aktuellen Lebenssituation. Dann schaut man sich das im Gespräch an: Wie war‘s bisher und was geht jetzt nicht mehr oder wo spüre ich einen Veränderungsprozess. Ich schaue dann auf den, der mir gegenüber sitzt. Jeder Mensch ist anders. Ich schaue: „Wo steht er gerade, was hat er bisher gemacht? Ich lasse mir das einfach erzählen.
Wenn ich auf mein persönliches geistiges Leben zurückschaue, dann hat das als Jugendlicher anders ausgesehen als später. Ich habe ausprobiert, was ist beten, z.B. mit vorformulierten Gebeten. Ok, wo finde ich die im Gebetbuch? Damit habe ich auch angefangen. Aber mit der Sehnsucht, tiefer zu wachsen, stößt man darauf – und das würde ich dann auch raten – Exerzitien zu machen: Mehrere Tage in die Stille zu gehen, mit einem Exerzitienbegleiter oder einer -begleiterin zu üben und nicht abgelenkt zu sein.
Ich habe mir auch geistliche Literatur besorgt: Was sagen Heilige, der heilige Franziskus oder Teresa von Ávila über das Gebetsleben? Wie war deren Entwicklung? Auch bei Franziskus hat Gott 20 Jahre lang keine Rolle gespielt. Teresa von Ávila war 40 als sie eine besondere Christus-Erfahrung machte, die sie weitergeführt hat. Da zu schauen, wo stehe ich und was begegnet mir.
Credo: Wenn ich an Veränderungen denke, denke ich eher in Richtung Optimierung und Effizienz. Kann man mit dieser Einstellung an geistiges Leben rangehen?
Sr. Petra: Das ist natürlich ein sehr leistungsorientiertes oder weltliches denken. Aber Optimierung ist ja schon, sich eine feste, gute Tagesstruktur mit Gebetszeiten zu geben. Wenn ich einen unstetigen Beruf habe, muss ich vielleicht meinen Termin mit Jesus im Terminkalender festmachen. Ich finde es in der geistlichen Gemeinschaft sehr hilfreich, dass wir immer morgens um acht Uhr gemeinsam das Gebet beginnen. Ich muss mein Tag und die Zeit mit Gott auch strukturieren. Was im Inneren des Herzens passiert, das habe ich nicht in der Hand. Das überlasse ich der Führung des Heiligen Geistes. Das können wir nicht „machen”. Ich schenke Gott den Zeitrahmen, an mir zu handeln.
Credo: Hörst du als geistlicher Begleiter einfach nur zu oder führst du auch in eine bestimmte Richtung?
Sr. Petra: Also eine Grundhaltung des geistlichen Begleiters ist aktives Hinhören. Was erzählt mir der andere? Wo braucht er was? Führung ist in der geistlichen Begleitung nicht dran. Man kann mich um einen Rat bitten, aber ich werde niemanden in eine bestimmte Richtung führen. Der Andere entscheidet immer selber. Das ist die große Freiheit: jeder muss selber für sein Leben entscheiden und dafür Verantwortung übernehmen.
Credo: Welche Veränderungen siehst du bei Leuten, die du begleitest?
Sr. Petra: Bei jüngeren Leuten, steht nach der Schule die Berufs- und Berufungsfrage an. Ich habe aber in letzter Zeit immer mehr Erwachsene in der Lebensmitte, zwischen 40 und 50, die fragen, wo geht’s weiter und was will Gott von mir? Menschen, die ihr Leben besonders in den Dienst Gottes stellen wollen. Bei den Menschen, die auf der Suche sind und die ich ein Stück des Weges begleite, erlebe ich durchaus Veränderungen. Da ergeben sich nach ein, zwei Jahren plötzlich neue Perspektiven, an die man am Anfang gar nicht gedacht hat.