Thema · Von Spiritualität bis Spiritismus
Beten – eine Form von Magie?
von Klaudia Hartmann · 11.07.2024
Verwechslungsgefahr: Gemeinsamkeiten und Unterschiede
In einer Zeit, in der manche Menschen immer weniger über den christlichen Glauben wissen und etwa Buchhandlungen Literatur von Spiritualität bis Spiritismus unter Esoterik packen, ist wohl nicht überraschend, dass viele Beten mit Magie in einen Topf werfen – schließlich geht es bei beiden um den Kontakt zwischen Diesseits und Jenseits.
Zur Verwechslung trägt weiter bei, dass in Anleitungen für „Weiße Magie“ immer wieder von „Gebeten“ die Rede ist. Elemente wie brennenden Kerzen, aufgestellte Bilder oder aufsteigender Weihrauch können in beiden Kontexten auftauchen, obgleich diese Utensilien in der Magie eine völlig andere Rolle spielen als beim christlichen Beten.
Beginnt ein Gebet mit „Möge die göttliche Kraft …“, so kann dies ein frommer Wunsch sein, den jemand vor Gott bringt. Es kann sich allerdings auch um eine magische Formel handeln, durch die jenseitige Wesen oder „kosmische Energien“ beeinflusst werden sollen. Wie lässt sich also das Eine vom Anderen unterscheiden?
Magie – Mein Wille geschehe
Für den Begriff Magie gibt es keine eindeutige Definition. Klar ist: Mit magischen Handlungen versuchen Menschen, jenseitige, göttliche Wesen oder Energien so zu beeinflussen, dass diese ihnen zu Diensten sind. Sie sollen ihnen Schutz, Hilfe, Heilung und anderes zukommen lassen und konkrete Wünsche erfüllen, etwa durch einen „Liebeszauber“. Wie bereits erwähnt werden dabei oft Gegenstände wie Kerzen, Bilder, Weihrauch, Kräuter usw. verwendet, immer aber kommt ein „Zauberspruch“ zum Einsatz.
Ein Kennzeichen von magischem Handeln ist die damit verbundene Erwartungshaltung, dass eintritt, was der Zauberspruch bewirken soll. Aber allein die Absicht, etwa einen Liebeszauber zu verwenden, zeugt von dem Versuch, nicht nur Gott oder einem jenseitigen Wesen seinen Willen aufzuzwingen, sondern auch einem Menschen, von dem man geliebt werden will – was sollte das dann für eine Liebe sein? Dass derartige magische Praktiken nicht funktionieren können, steht wohl außer Frage. Erzielen sie doch die beabsichtigte Wirkung, so hängt das mit unserer selektiven Wahrnehmung zusammen: misslungene Versuche vergisst man sofort, trifft etwas aber ein, so bleibt dieser „Erfolg“ im Gedächtnis, obwohl er realistisch gesehen nur ein Zufall ist.
Doch wie kann ein Gebet in den Verdacht kommen, ein derartiger Zauberspruch zu sein?
Was ist christliches Beten?
Christliches Beten heißt sprechen mit Gott: Wir dürfen mit ihm reden wie mit einem guten Vater, einer guten Mutter oder einem Freund. Wie die Israeliten im Alten Testament dürfen wir Gott bitten, ihm danken, ihn preisen, vor ihm klagen – kurz unser ganzes Leben vor Gott bringen. Das können wir mit eigenen Worten tun, mit vorformulierten Gebeten und sogar indem wir einfach wortlos vor Gott da sind. Essenziell ist dabei, dass wir es im Bewusstsein tun, mit Gott in Kontakt zu treten, also in eine Beziehung mit ihm eintreten und nicht nur irgendwelche frommen Wünsche in den Raum stellen.
Gefahr von magischen Elementen auch im Denken von Christen
Manchmal sind auch wir in der Gefahr, beim Beten von Gott die Erfüllung unserer Wünsche als genz selbstverständlich zu erwarten. Dies gilt besonders bei Bittgebeten: In der Regel erhofft doch jeder, dass Wünsche in Erfüllung gehen, vor allem wenn sie als Bitten ausgesprochen werden. Gott ist aber kein Wunscherfüllungsautomat und Beten ist keine Leistung, die Gott mit einer Gegenleistung belohnen sollte oder gar müsste.
Manche verbinden auch mit dem Rosenkranzgebet teils unbewusst eine derart fragwürdige Haltung, indem sie davon ausgehen, der tägliche Rosenkranz würde Unheil von ihnen und von denen, für die sie beten, abhalten. Doch der Rosenkranz dient nicht diesem Zweck, sondern ermöglicht es uns, meditativ in der Gegenwart Gottes zu sein.
Dein Wille geschehe
Fragen wir nun noch einmal, wie sich christliches Beten von magischen Besprechungen unterscheidet: Beten heißt mit Gott in Kontakt zu sein, mit ihm zu sprechen und sich ihm anzuvertrauen. Selbstverständlich dürfen wir ihm dabei auch unsere Bitten und unsere Wünsche anvertrauen. Jesus sagte schließlich: „Bittet und es wird euch gegeben; …“ (Mt 7,7), doch betete er am Ölberg zum Vater: „Aber nicht wie ich will, sondern wie du willst.“ (Mt 26,39).
Konkret ist der Unterschied: Wir versuchen nicht, von Gott durch Gebete etwas zu erzwingen, sondern wir bitten ihn und wissen, dass er unsere Gebete hört, auch wenn er sie anders erhört als wir es ursprünglich möchten.
Es tut gut, die eigene Gebetspraxis immer wieder einmal in den Blick zu nehmen und sich bewusst zu machen: nicht Gott braucht mein Gebet, sondern ich brauche es, um mein Leben immer mehr auf ihn hin auszurichten und um zu erkennen: Gott nimmt uns weder unsere Arbeit noch unsere Verantwortung ab, aber wir dürfen ihm unser Leben und so manche Sorge überlassen indem wir zu ihm beten: „Dein Reich komme, Dein Wille geschehe … “.