Vor Ort · Im Yoga-Ashram

„Die indische Meditation führte mich in die absolute Leere“

Bettina Radermacher war immer auf der Suche nach Gott. Irgendwann begann sie mit Yoga, trat aus der katholischen Kirche aus und lebte für ein Jahr in einem Yoga-Ashram in Indien. Ein Zeugnis über ihre Identitätssuche, die sie aus der Esoterik wieder zurück in die Kirche führte.

 

von Bettina Radermacher · 29.09.2020

Foto: Jared Rice/Unsplash

Wer bin ich? Diese Frage begleitet mich schon mein ganzes Leben. Egal, ob diese kindliche Sinniererei mein Naturell war oder damit zu tun hatte, dass mein Vater starb, als ich acht Jahre alt war und das Thema Leben und Tod zum Objekt meiner Betrachtung wurde. Jedenfalls verbrachte ich viel Zeit in innerer Versenkung, während meine Hände freie Stickereien herstellten. In der katholischen Kirche war ich als Jugendgruppenleiterin aktiv, fand jedoch nichts, was meinen geistigen Hunger stillte.

Als meine Mutter an Krebs erkrankte, war ich sechzehn und das Sterben füllte meine Gedanken. Auf ihren Wunsch ging ich mit zum Yoga. Zwei Jahre darauf verstarb sie und ich hatte eine handfeste „Krebs-Neurose“. Dass ich dem mir bekannten Priester bei der Krankensalbung den Namen meiner Mutter vorsagen musste, entflammte mein Aufbegehren gegen die Kirche und ihr Personal. Das Kurzgebet „Herr, erbarme Dich“ behielt ich bei.

Yoga half mir über Suizidgedanken hinweg

In den Jahren danach kamen mir häufiger Gedanken zur Selbsttötung. Die ruhigen Yogaübungen mit achtsamer Atmung halfen durch diese Phase und brachten mich durchs Abitur. Dass Yoga ein zweischneidiges Schwert ist, ahnte ich bereits. Die innere Entfremdung zum kindlichen Urvertrauen nahm zu.

Während des Studiums trat ich aus der Kirche aus und pausierte mit den Übungen, bis mich die unbewältigte Trauerarbeit einholte und die Schwermut wieder zum Begleiter wurde. Nach dem Studium stichelte ich in der Textilrestauration zum Beispiel an Grabfunden aus Peru. Meine Gedanken beschäftigten sich damit, wie ich diese Bühne des Lebens am unauffälligsten verlassen könnte. Ich meinte, alles erreicht und genug Steine aus dem Weg geräumt zu haben. Es war genug.

Ich schloss mit meinem Leben ab. Während ein festgewebtes Gitarrenband doppelt verknotet den Hals zudrückte und das Blut in meinem Kopf pulsierte, sah ich mich neben mir selber stehend lachend sagen: „Deinen Körper kannst du töten, aber deine Seele nicht!“

Flucht in einen indisch-hinduistischen Ashram

Das Thema Selbsttötung war endgültig gestorben. Mir gelang es, den Doppelknoten zu lösen, und ich ging zu meiner alten Hatha-Yoga-Lehrerin, deren harter Military-Style mir half, mein Leben neu zu strukturieren. Nach sieben Jahren verging mir das Lachen, mein gelenkiger Körper streikte und wollte sich mitten in einer Yoga-Stunde nicht mehr bewegen. Ich ging. Allerdings nicht zu Jesus, sondern in einen indischen Ashram zum Satyananda-Yoga. Dort praktizierte ich morgens drei Stunden im total abgedunkelten Raum Übungen, die im Lotussitz mit spezieller Atmung durchgeführt wurden und einen verführerischen, Trance-ähnlichen Zustand erzeugten. Wer nicht im Lotus sitzen bleiben konnte, musste gehen. Ich blieb.

Mit 38 lebte Bettina Radermacher ein Jahr lang in einem Yoga-Ashram in Indien. Heute macht sie christliche Kunst. (Fotos: privat)

Im indisch-hinduistischen Mutter-Ashram in Munger am Ganges erhielt ich bei meiner Einweihung den spirituellen Namen Gyanmani – Edelstein des intuitiven Wissens, was bedeutet, dass für mich der Weg der Intuition der geeignetste Weg zur Vollkommenheit sei. Das Mantra „so ham – ich bin“, sollte helfen zu erkennen, wer ich bin. Der volle Tagesplan mit Übungen, indischer Philosophie, Gartenarbeit, Bürodiensten etc. ließ kaum Zeit für eigene Reflektionen. In den Pausen habe ich Harmonium gespielt und entdeckte meine Gesangsstimme wieder.

Zurück in Deutschland begann ich,  Körper-Übungen anzuleiten, eingerahmt von frei geführten Meditationen und Tiefenentspannungen mit Mentalreisen.

Ich begann zu hinterfragen, was ich da all die Jahre lang tat

Mit der Zeit wurde mir klar, dass diese indische Meditation mich in die absolute Leere geführt hat, statt in ein Du mit Gott, was doch immer mein Wunsch geblieben ist. Was ich am Anfang genial fand – zu lernen, die Gedankenkreise ab- und die Gefühle zur Seite zu stellen, um in der Ruhe zu sein – führte mich ins Nichts. Ich fühlte mich nicht zufrieden, sondern schwermütig in meinem materiellen Körper.

Hinzu kam, dass das Singen von indischen Götternamen diese „Götter“ herbeirief, so dass diese sich wie in einer grauen Wolke um mich herum tummelten. Die Beschäftigung mit der Magie und meine jahrelange Tätigkeit, nach der englischen Methode der National Federation of Spiritual Healers heilend die Hände aufzulegen, empfand ich immer fraglicher: Wer wirkt da durch mich, wer bin ich nun und wo ist Gott denn jetzt?

Rückkehr zum Vater

Als ich mir diese Fragen immer intensiver stellte, fühlte ich mich mehr und relativ schnell zu meiner Bekehrung, zur Selbstfindung im Christentum und in die katholische heilige Messe geführt. Die Eucharistie erlebte ich ganz „neu“. Das Weihrauchritual und das Singen in der Kirche verstärkten meine Nähe zu Gott. Jedes Gotteshaus, das ich besuchte, wurde zu einem Zuhause.

Ein Pater in Augsburg, dessen Adresse durch eine Fügung in meine Hände gelang, half mir, alle Bindungen zum Yoga und zur Esoterik zu trennen und alle Götter auf ihre Plätze zu verweisen. Ich erfuhr völlig unspektakulär, gleichzeitig aber tief und innig die Barmherzigkeit des Herrn, dankte Gott für seine große Gnade und trat wieder in die katholische Kirche ein.

Im Büro des Paters war ein Radio-Horeb-Flyer der Beginn meines Ehrenamtes im Münchner Studio des Senders und des „neuen“ spirituellen Selbststudiums. Eine Pilgerreise durch Israel mit symbolischer Taufe im Jordan, Exertitien mit langer Lebensbeichte in Illerberg und eine Pilgerreise durch Kerala mit einer täglichen heiligen Messe unterstützen mich auf dem anfänglich unsicheren anfechtungsreichen christlich-katholischen Weg.

Doch heute kann ich voller Überzeugung sagen: „Ich bin Gottes Kind“. Ich bin in der katholischen Kirche angekommen und habe dort zu mir selbst und vor allem zu Jesus gefunden. Die Nähe zu ihm und zu Gott, unserem Vater, gibt mir Halt, Vertrauen und Zuversicht. Dankbar bin ich für die Talente, die er mir schenkt. So singe ich für Ihn in der Schola, lobpreise Ihn mit meiner Meditationslyrik und weiß, er ist immer dabei, auch hier und jetzt.

Geschenke Gottes

Jesus,
wir sagen „Ja“ zu Dir, unserem Bruder.
Du kennst uns besser als wir uns selbst.
Wir erkennen Dich im allerheiligsten Sakrament.

Jesus,
steh uns bei, unsere menschliche Situation
mit allen Fehlern und Krankheiten anzunehmen
Bitte Du unseren Vater um seine Gnade, uns zu heilen.

Jesus,
wir haben durch Dich die Kraft und Geduld,
langjährige Lebensprozesse grundlegend zu ändern
und unser Ego immer mehr zur Seite zu stellen.

Jesus,
lausche mit uns, was der Heilige Geist uns sagt.
Er zeigt uns im Gebet unsere brachliegenden Seiten,
unsere Talente, wie die Malerei oder den Gesang.

Jesus,
mit Dir erkennen wir, was uns Glück bedeutet
und tanken die Göttliche Kraft aus den Geschenken,
die unser Vater in unser Alltagsleben hineinträgt.

Jesus,
Du bist das größte Geschenk unseres Vaters.
Du versöhnst uns mit unserer eigenen Situation
und legst Friede in unsere Herzen mit Freude am Leben.

Jesus,
lass Dein Heiliges Blut durch uns strömen und uns heilen,
lass uns in Deinem kostbaren Herzen wohnen
und bleibe Du in unseren Herzen auf ewig.

Amen

©
Meditationslyrik
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