Thema · Liebe

Pornosucht: Ich suchte nach Liebe

Bei einer 15-Jährigen stellt sich jeder ein etwas verunsichertes, aber fröhliches Mädchen vor, das inmitten des Trubels seiner Hormone steht, die neuen Gefühle und Empfindungen versucht zu verstehen und sehnsüchtig auf die erste große Liebe wartet. Ich war das Gegenteil: verletzt, depressiv, pornosüchtig, mit Suizidgedanken, Bulimie und heftigen Minderwertigkeitskomplexen.

von Carolin Anett Brändle · 17.12.2020

Symbolbild: Scham. Bild: Jacqueline Day – unsplash

Vor exakt elf Jahren war ich ein Häufchen Elend mit einer Menge Süchte und Probleme. Für mich ist dieses Mädchen von damals heute eine Erinnerung an ein Leben ohne Gott und ein Auftrag, andere vor dem zu schützen und von dem zu erzählen, was ich erlebt habe. Doch zunächst von Anfang an. Meine Kindheit war sehr glücklich, bis ich acht Jahre alt wurde. Dann begann ein über sieben Jahre langes Mobbing. Mit neun Jahren wurde ich von Gleichaltrigen dreimal während einer Mutprobe missbraucht. Meine Kindheit war vorbei. Das Mobbing und der Missbrauch, von dem ich aus Scham niemandem erzählte, ließen in mir eine große Dunkelheit und Traurigkeit heranwachsen. Ich fühlte mich zunehmend ungeliebt, ohne Wert und innerlich leer.

Porno und Selbstbefriedigung

Weiter bergab ging es, als ich unfreiwillig mit einem Porno konfrontiert wurde: Ich war elf Jahre alt und wartete morgens auf den Schulbus. Eine Mitschülerin präsentierte ihr neues Handy, auf dem sich der verfängliche Clip befand. Mir wurde schlecht. Ich wollte wegsehen, konnte aber nicht. Ich schämte mich, fand es eklig. Die Bilder, die ich da sah, brannten sich in mein Gedächtnis ein. Ein Jahr später hatte ich im Biologieunterricht Aufklärung. Wir Schüler bekamen dazu Bilder und Videos gezeigt, die ähnliche Gefühle hervorriefen wie bei dem Porno. Doch ich empfand etwas Neues: Erregung und Neugier. Ich wusste nicht, wie ich das Ganze einordnen sollte. Mir kam immer wieder der Clip auf dem Handy meiner Mitschülerin in den Sinn.

Als ich einen Disney-Film online streamen wollte, geriet ich auf einen Link zu einer Pornoseite. Ich schloss das Fenster schnell. Doch einige Tage danach überwog die Neugier: Ich suchte diese Seite auf und konsumierte zum ersten Mal freiwillig einen Porno. Drei Jahre später war der Konsum fast täglich geworden, verbunden mit Selbstbefriedigung. Ich merkte erst, wie süchtig ich war, als mich mein Vater erwischte und mir meinen Laptop für drei Wochen wegnahm. Ohne den Zugang zu Pornos geriet ich in Unruhe und war rastlos. Ich hatte Stimmungsschwankungen, weinte grundlos. Ich begriff, dass ich die Kontrolle verloren hatte und damit aufhören musste. Doch kaum hatte ich den Laptop wieder, fiel ich zurück. Zusätzlich hatte ich noch eine Sport-Bulimie entwickelt. Die Süchte hatten mich fest im Griff.

Gott und meine Sehnsucht nach Liebe

In dieser Verzweiflung begegnete ich Gott in einer normalen Heiligen Messe. Ich war damals evangelisch und nur zur Messe mitgekommen, weil meine Mum (atheistisch) und mein Papa (evangelisch) neuerdings so begeistert davon waren und mich immer wieder dazu einluden. Als der Gottesdienst begann, wurde ich von einer Liebe erfüllt, die ich nie zuvor gespürt hatte. Ich sah, dass Gott die Antwort auf meine Fragen war, ob ich wertvoll, liebenswert und schön bin. Er war die Antwort auf die tiefste Sehnsucht in mir: Ich suchte nach Liebe, aber an den falschen Stellen – bei Menschen, in der Pornografie, in der Essstörung. Ich bekannte ihm meine Fehler und Sünden. Ich betete um Heilung und Befreiung. Ich suchte Gott und fand ihn dort, wo mein Schmerz am größten war.

Schritt für Schritt arbeitete ich mit Gott meine Wunden von Missbrauch und Mobbing auf. Sie triggerten mich und ließen mich immer wieder in alte Gewohnheiten zurückfallen. Durch meinen geistlichen Begleiter, der der Pfarrer in meiner Gemeinde war, konnte ich mich und mein Verhalten reflektieren. Ich beichtete bei ihm und sprach mit ihm über alles. Drei Monate nach dem Übertritt zur katholischen Kirche war ich dann bei Heilungsexerzitien. Dort wurde ich von dem Drang befreit, Pornos zu schauen. Aber die Sucht nach der Selbstbefriedigung blieb, bis ich alles aufgearbeitet hatte. Gott schenkte mir durch die Beichte, das Gebet, die Exerzitien und die Eucharistie Stück für Stück psychische und körperliche Gesundheit, Freude und Erfüllung. So wurde ich nach und nach frei von Pornografie, Selbstbefriedigung und zuletzt auch von der Essstörung.

Heute bin ich 26 Jahre alt, glücklich verheiratet und weiß nun, was wahre Schönheit in der Sexualität bedeutet: Es ist eine Sexualität auf Augenhöhe, ohne Erniedrigung und Gewalt, ohne den eigenen Vorteil zu suchen, so wie es in der Pornografie der Fall ist. Sexualität bedeutet die Fülle des Gebens und Schenkens an den anderen in tiefer Vertrautheit und aufrichtiger Liebe im perfekten Rahmen der Ehe. Außerdem weiß ich heute: Gott ist für mich da und liebt mich – vor jeder Leistung und trotz aller Schuld. Ich möchte damit jedem Mut machen, dass er in Gott Erlösung und Liebe finden wird. Er wartet nur auf dich!

Caro mit ihrem Mann. Bild: Privat