Vor Ort · Sehnsucht nach Liebe

Wer will schon alleine bleiben?

„Wonach sehnst du dich gerade?“ haben wir einige unserer Credo-Autoren gefragt. Als Antwort bekamen wir eine Reihe sehr berührender und mutiger Zeugnisse.
Johannes Steber über eine Sehnsucht, die wir im Tiefsten alle teilen: die Sehnsucht nach Liebe.

von Johannes Steber · 15.12.2020

Symbolbild: Freestocks on Unsplash

Es ist wahrlich eine gute Frage, einmal dem nachzugehen, nach dem wir uns – nach dem ich mich ganz persönlich – sehne. Nach dem ich mich ausstrecke. Ja, das meint das, worauf all mein Denken, Handeln, Tun hinzielen möchte. Das, was ich im Tiefsten meines Herzens erreichen möchte. Das, was all meinem Tun einen Sinn gibt. Das, worüber ich nicht satt werde, voller Freude nachzudenken. Eine einfache und schnelle Antwort liegt da für einen braven Christen natürlich auf der Hand: die Sehnsucht nach dem Himmel. Das Paradies. Ewige Erfüllung! Fertig. Aus die Maus. Genug Text.

Aber halt. Geht das so einfach?

Was ist mit dem Hier und Jetzt? Strebe ich nicht auch heute schon nach mehr? Nach Erfüllung, Freude, Zufriedenheit, innerer Ruhe und Sicherheit, Glück und so vielem mehr?

Ich denke, ja, ich bin überzeugt davon: Sehnsucht ist etwas ganz Alltägliches. Und dieser meiner Sehnsucht wäre es, nein: ist es am liebsten, wenn sie hier und heute, jetzt und auf dieser Stelle erfüllt wird.

Aber: was ist eigentlich meine ganz persönliche Sehnsucht?

Hier schreibt ja nicht irgendein Philosoph über irgendein Thema, hier schreibe ich als der, der ich bin, einen Beitrag zu meiner persönlichen Sehnsucht. Irgendwie auch mutig.

Manchmal denke ich mir, allein schon nach etwas Sehnsucht zu haben, ist schon Sehnsucht. Da muss noch nichts benannt sein. Aber allein der Wunsch, sich nach etwas auszustrecken, was mich erfüllt, der ist schon ein Sehnen nach mehr. Kurt Tucholsky hat genau so eines seiner Gedichte überschrieben: „Sehnsucht nach der Sehnsucht“. Und ja: es handelt sich um ein Liebesgedicht.

Wenn wir in den zweiten Schöpfungsbericht schauen, lesen wir, es sei nicht gut, wenn der Mensch alleine bleibt. Das ist ein Gedanke, der sich mir immer mehr aufdrängt: Der Mensch ist nicht für sich selbst geschaffen, nicht dafür geschaffen, allein zu bleiben. Wer will schon alleine bleiben? Der Mensch bedarf also eines ebenbürtigen Gegenübers. Der Mensch braucht also, gemäß der Schöpfung, einen zweiten Menschen, mit dem er sein Leben teilen kann, für den er da sein kann. Voraussetzung ist natürlich, dass die beiden Menschen – Mann und Frau – sich begegnen. Denn Martin Buber sagt ja so schön, dass „jedes wirkliche Leben Begegnung“ sei. Aber diese bubersche Begegnung soll im Letzten eine ganze, dauernde, ewige, erfüllende, beruhigende, zeitlose und friedvolle und noch viel mehr Begegnung sein. Begegnung, die Vereinigung, die wahre Gemeinschaft, die erfüllte Liebe wird. Ja, danach sehne ich mich, ohne konkret sagen zu können, wie ich mir diese dann vorstelle. Allein dass sie sei, dass sie wird, dass sie ist, ist meine Sehnsucht. Es ist im Letzten die Sehnsucht nach sich erfüllender, bleibender, treuer Liebe, die mich antreibt. Nach der ich mich ausstrecke.

Ja, ich glaube, dass diese Sehnsucht sich im Himmel erfüllt. Aber genau wie ich das glaube, ersehne ich deren Erfüllung schon heute, im Hier und im Jetzt. Und ja, ich glaube, Gott will, dass ich, dass wir schon jetzt an der Erfüllung des Himmels teilhaben. Vielleicht ist meine Sehnsucht dabei schon erfüllt: ich muss nur noch die Augen für sie öffnen.

Im tiefsten Grunde meines Herzens sehne ich mich nach Liebe.