Vor Ort · Aus dem Alltag eines Klinikclowns

Wenn Lachen zum Beruf wird

Warum ich Clown geworden bin? Weil ich es liebe, zu lachen, das Lachen mit anderen zu teilen und dabei zu sehen, wie Situationen verwandelt werden.

von Lucia Mellauner · 12.10.2021

Lucia Mellauner als Clown Liesel Radiesel
Lucia Mellauner alias Liesel Radiesel. Foto: Privat

Schon in meiner Familie wurde viel gelacht. Damals freute ich mich besonders über Besuche von einem bestimmten Onkel, der immer lustige Geschichten auf Lager hatte. Ich suchte immer die Nähe derer, die gerne lachten. Witze auf Kosten anderer mochte ich nicht. Ich mochte ehrliches Lachen, die Begegnung im Moment.

Ich war in meiner Familie als Christin sozialisiert worden und so strebte ich in meiner Erstausbildung „etwas mit Menschen“ an. Etwas mit Pädagogik oder Psychologie lag nahe, bei dem ich anderen helfen konnte. Ich habe dann einige Jahre im sozialen Bereich mit Kleinkindern gearbeitet. Die Clownerie kam vor elf Jahren dann buchstäblich zu mir: Als ich eines Tages in einem Radiointerview die berührende Geschichte einer österreichischen Clownfrau hörte, hat mich das angesprochen und auf eine Art und Weise neugierig gemacht, dass ich es schier aufsog. Seither befasse ich mich mit der „Humorarbeit“.

Ausbildung zum Clown

Nach der Geburt meines zweiten Kindes begann ich schließlich eine Ausbildung zum Clown. Auch da – während der Ausbildung – machte ich die Erfahrung, dass das gemeinsame Spielen und Lachen in dieser „speziellen“ Gruppe veränderte und erfrischte. Es war belebend und Kraft spendend. In der Kombination mit einem Leben aus dem Glauben an Gott und geerdet im Gebet war das eine unglaublich erfüllende Zeit für mich. 

In der Ausbildung zum Clown entwickelt jede und jeder eine eigene „Clownfigur“. Man entwirft im Grunde eine Karikatur seiner selbst und diese Karikatur wird laufend weiterentwickelt und mit Leben gefüllt. Dazu erlernen wir Elemente aus dem Clownschauspiel, das wir im Mix mit ganz viel Improvisation einsetzen. Im Ausbildungsplan meiner damaligen Schule steht: „Der Clown ist stets bemüht, das Beste zu geben, immer hundertprozentig gewillt und motiviert. Er geht bejahend seinen Weg und springt mit voller Inbrunst von einem Fiasko zum nächsten. Dennoch beschreitet er seinen mit Schusseligkeiten und Rückschlägen gesäumten Pfad mit voller Überzeugung und berührt so unser Herz.“

Aber was ist eigentlich ein Clown? Und wie kann man das Spiel des Clowns erlernen? Im Gegensatz zu einem Schauspieler spielt der Clown immer nur sich selbst. Er nimmt keine (fremde) Rolle an, er ist er selbst. Der Clown ist in seinem Spiel immer verbunden mit dem, was er auch als Person denkt, fühlt und tut.

Lucia Mellauner Portrait
Lucia Mellauner. Bild: privat.

Liesel Radiesel – der Klinikclown

Ich schlüpfe zwar in eine andere Rollenfigur – das ist meine Verwandlung, aber in Wirklichkeit wird es ungeschminkter, ehrlicher. Meine Clownfigur heißt „Liesel Radiesel“ und sie hat eine Art, die leicht daneben ist. Schräg und anders. Naiv und ohne Angst, sich zu blamieren. Ich mag die ungeschminkte Lust, zu scheitern. Sich nicht darin zu verlieren, wie man ein möglichst gutes Bild abgibt, sondern alles, was mir begegnet als Spielangebot anzunehmen und daraus etwas Kurioses entstehen zu lassen. Das verändert und verwandelt. Es befreit und verbindet. Über Grenzen von Religionen und Sprachbarrieren hinweg.

Jetzt bin ich seit sieben Jahren als Clown und seit fünf Jahren als Klinikclown in medizinischen Einrichtungen im Einsatz. Und jedes Mal gehe ich beseelt nach Hause. Immer noch. Immer wieder. In all dem – darin bin ich mir sicher – ist Gott immer gegenwärtig. Wenn am Sterbebett gelacht wird und im nächsten Moment die Tränen aufsteigen, dann darf dies alles sein. Und dann passiert wieder etwas Kurioses und auch das darf sein, ohne Scheu, irgendetwas falsch zu machen.

Lachen und Weinen

Wenn ich zum Beispiel im Pflegeheim mit einer alten Dame Lieder singe. Aufgrund ihrer fortgeschrittenen Demenz kann sie sich kaum mehr artikulieren. Ich blicke lange in gütige und warmherzige Augen und plötzlich formen die Lippen ganz leise die Worte aus dem Lied, das ich gerade singe … Da könnte ich platzen vor Freude und Dankbarkeit. Und plötzlich singen wir gemeinsam.

Und – weil es draußen so heiß ist – frage ich danach, ob wir noch zur Abkühlung „Leise rieselt der Schnee“ singen sollten. Die alte Dame fängt mit glitzernden Augen dieses Vorweihnachtslied an, mitten im Juli bei 33 Grad – und alle stimmen mit ein und die Augen aller glitzern. Da denke ich: Wer, wenn nicht ein Clown, würde diesen Nonsens wagen? Aber Fakt ist, jeder wird zurückversetzt in eine Kindheitserinnerung und wir singen voller Inbrunst „… freue dich, das Christkind kommt bald“!

Ein Zauber bleibt zurück

Selbst Pflegende und Angehörige müssen in diesem Augenblick schmunzeln über diese scheinbare Absurdität und summen mit. Für alle wird sichtbar: Die Augen der Patienten fangen an zu strahlen. Ich lasse in diesem Raum einen Zauber zurück. Eine Leichtigkeit wird auf der Station spürbar.

Oder im Kinderkrankenhaus: Ein Kind, das vor Schmerzen weint, weil die Kopf-Orthese fies drückt. Wir schicken – am Fuße des Fensters stehend – einen Ballon nach oben zum Kind. Ich sende ein Stoßgebet mit. Der schmerzvolle Moment ist kurz verzaubert und magisch verwandelt. Das Weinen hört auf und macht dem Staunen Platz. Das Kind winkt uns zu und schenkt uns Luft-Handküsse. Ich danke Gott im Stillen.

Es ist die Magie des Clowns und der Wille, jemandem ein Lachen zu schenken, ganz unentgeltlich. Das verändert, verzaubert, verwandelt. Und dass da Gott IMMER dabei ist – ich glaub dran!