Thema · Heiliges Jahr 2025
Wie kann ein Jahr „heilig“ sein?
von Prof. DDr. Thomas Marschler · 26.12.2024
Was bedeutet „heilig“?
Heiligkeit ist in erster Linie ein Attribut Gottes. Genau genommen ist sie diejenige Eigenschaft, die Gott am meisten von den Geschöpfen unterscheidet. Heiligkeit ist Inbegriff seiner unvergleichlichen Vollkommenheit, die den Menschen zur Anbetung aufruft. „Du allein bist der Heilige“, singt die Kirche im Gloria der Messfeier.
Wenn irgendetwas Geschöpfliches heilig genannt wird, kann es sich nur um Teilnahme an der einzigartigen Heiligkeit Gottes handeln. Ein Mensch ist heilig, wenn Gott ihm durch Jesus Christus die Schuld vergibt und Gnade erweist. Orte, Zeichen und Gegenstände nennen wir heilig, wenn sie in der Kraft Gottes der Heiligung des Menschen dienen.
Das Heilige Jahr – eine besondere Zeit der Gnade
In diesem Licht sind auch die Heiligen Jahre zu verstehen. In ihrer regulären Form finden sie nur viermal in jedem Jahrhundert statt. Ihre Entstehung geht zurück auf den mittelalterlichen Papst Bonifaz VIII., der im Februar 1300 erstmals ein christliches Jubiläumsjahr ausgerufen hat. Ähnlich wie die alttestamentlichen Jobeljahre (Lev 25) bietet es den Pilgern, die nach Rom kommen, in besonderer Weise das Geschenk der göttlichen Vergebung an.
Dazu verkündet der Papst einen speziellen Ablass, der bis heute zur Feier Heiliger Jahre gehört. Beim Ablass geht es um die Aufarbeitung der Folgen, die Schuld im Leben der Getauften hat, auch wenn sie als solche bereits vergeben worden ist. Die sakramentale Vergebung können getaufte Christen nach katholischem Verständnis erlangen, wenn sie ehrlich bereuen und vor einem Priester ihre Sünden beichten. Aber wer das Wort der Vergebung entgegennimmt, ist immer auch zur Überwindung der Konsequenzen seiner Sünden durch eigenes Mittun aufgerufen. Als Zeichen dafür gibt der Priester dem Pönitenten bei der Beichte die Erfüllung eines Bußwerkes auf. Heute handelt es sich dabei meist um ein kleines Gebet. In der frühen Kirche, die die sakramentale Buße nur bei schweren Vergehen kannte, gab es dagegen oft umfangreiche und herausfordernde Bußauflagen. Sie stehen symbolisch für die Strafwürdigkeit der eigenen Schuld, der sich ein Mensch bereits in diesem Leben zu stellen hat. Im Mittelalter bildete sich der Ablass als Nachlass zeitlicher Sündenstrafen heraus, der von der Kirche außerhalb des Bußsakraments gewährt wird. Dafür beruft sich die Kirche auf ihre vom Herrn verliehene Schlüsselgewalt: Sie darf aktiv teilnehmen am Werk der Erlösung, indem sie Menschen teilhaben lässt am reichen „Schatz der Verdienste Christi und seiner Heiligen“.
Der Ablass im Jubiläumsjahr
Neben den immer geltenden Bedingungen – Beichte, Kommunionempfang, Gebet im Sinne des Papstes, Loslösung von den früheren Sünden – macht die Kirche für die Gewinnung eines Ablasses besondere Vorgaben. Sie können sehr unterschiedlicher Art sein. Die Jubiläumsablässe sind traditionell mit der Wallfahrt nach Rom und dem Besuch der großen Basiliken verbunden. Die Bestimmungen zum Heiligen Jahr 2025 zeigen aber, dass mittlerweile auch die Wallfahrt zu einem Heiligtum in der eigenen Diözese oder andere gute Werke für den Erwerb des Jubiläumsablasses in Frage kommen. Wie die Beichte soll die Bemühung um einen Ablass dem Einzelnen vor Augen führen: Beim Versuch, die Sünde und ihre Folgen im eigenen Leben zu überwinden, ist niemand allein. Alle sind miteinander verbunden in der Gemeinschaft der Kirche. Sie gewährt solidarisch und freigiebig Unterstützung, wo unsere eigenen Kräfte vielleicht nicht ausreichen.
Ein Jahr der Hoffnung
Papst Franziskus hat das Heilige Jahr 2025 besonders mit dem Gedanken der christlichen Hoffnung verbunden. Er hält sie für wichtig in einer Zeit, da viele Menschen „mit Skepsis und Pessimismus in die Zukunft blicken, so als ob ihnen nichts Glück bereiten könnte.“ Ob wir uns konkret nach Rom aufmachen oder nicht – das Jubiläumsjahr will uns helfen, das eigene Leben neu als Pilgerschaft der Hoffnung zu verstehen. Das Ziel ist Gott selbst, der uns als guter Vater mit offenen Armen erwartet. Wenn wir ihm in den kommenden Monaten näherkommen und etwas heiliger werden, hat das Heilige Jahr seinen Zweck erfüllt.