Thema · Heilige

Kompass für das Leben

Die Heiligen der Kirche sind ein „Kompass“ für alle Christen: Sie zeigen die Richtung auf Jesus Christus an. Sie sind ein Vorbild, wie man sein Leben im Sinne des Evangeliums gestalten kann. Aber haben die Heiligen uns überhaupt noch etwas zu sagen? Können wir sie in unseren Lebenssituationen einfach „kopieren“?

von Benedikt Bögle · 28.12.2022

Sel. Rupert Mayer mit Kompass als Heilligenschein
Bildkollage mit einer Darstellung vom Sel. Rupert Mayer aus der St. Martinskirche in Leutkirch, aufgenommen von Thomas Mirtsch (commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0) und einem Kompass (sunil-ray; unsplash.com).

Zur Orientierung sind wir auf Hilfe angewiesen: Früher nutzten die Menschen einen Kompass, der die Himmelsrichtung anzeigt; mittlerweile ist der Kompass von Online-Karten abgelöst worden. Das Grundbedürfnis nach Orientierung bleibt – und das gilt auch im Glaubensleben. Christliches Leben heißt sich auf Gott hin zu orientieren. Dazu brauchen wir Hilfsmittel, die uns zeigen, wie das gelingen kann: Wie kann ich ein gutes christliches Leben führen? Solche „Kompasse“ für das gute Leben sind die Heiligen der Kirche. Diese Menschen haben in besonderer Weise die Nachfolge Jesu gelebt.

Wer sich an Heiligen der Kirche orientieren will, wird zahlreiche Vorbilder finden, die ohne Angst das Evangelium gelebt haben. So etwa die Heilige Anna Schäffer: Nach einem Unfall musste sie Zeit ihres Lebens das Bett hüten – von dort aber wurde sie zum Anker vieler Menschen, die bei ihr Trost suchten. Oder der selige Pater Rupert Mayer: Er predigte während des NS-Terrors unerschrocken das Evangelium in München, auch wenn er dafür zeitweilig das Konzentrationslager erleiden musste. Viele heilige Frauen der frühen Kirche entschieden sich für ein jungfräuliches Leben; ihre heidnische Umwelt wollte das nicht akzeptieren und tötete sie.

Wer kann diese Ideale erreichen?

Nur: Wer soll denn diese Beispiele erreichen? Viele Heilige erscheinen uns als derart vollkommen, furchtlos und fromm, dass es uns unmöglich vorkommen mag, ihrem Vorbild nachzueifern. Die Heiligen kann man nicht kopieren. In seinem Schreiben „Gaudete et exsultate“ (GE) sagt Papst Franziskus: „Es geht also nicht darum, den Mut zu verlieren, wenn man Modelle der Heiligkeit betrachtet, die einem unerreichbar erscheinen“ (GE 11). Jeder Heilige lebte in einer ganz bestimmten Zeit mit bestimmten Herausforderungen. Das einfach so übernehmen zu wollen, muss scheitern. Wir leben in einem demokratischen Land: Niemand von uns muss wie Pater Rupert Mayer das Konzentrationslager fürchten. Niemand wird in unserem Land für seine Religion zum Tod verurteilt. Und Unfälle wie den der heiligen Anna Schäffer dürfen und wollen wir uns nicht wünschen. 

Die heutigen Herausforderungen 

Jede Zeit hat ihre Herausforderungen. Heute stehen junge Christen vor neuen Aufgaben: Wie können wir das Evangelium überzeugend leben? Die Gesellschaft ist in weiten Teilen nicht mehr gläubig. Es ist nicht mehr selbstverständlich, Christ zu sein. Wie kann man in dieser Situation „Licht der Welt“ sein, ohne aufdringlich zu sein, gleichzeitig aber furchtlos? In dieser Lebenswelt dürfen und müssen wir uns sicherlich an den Heiligen orientieren. Dabei wird es aber eher um Geisteshaltungen gehen müssen: Mutig zu sein wie Pater Rupert Mayer, auch ohne das Gefängnis fürchten zu müssen; fromm zu sein wie Anna Schäffer, auch ohne durch eine Krankheit ans Bett gefesselt zu sein.

„Jeder Heilige ist eine Sendung; er ist ein Entwurf des Vaters, um zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Geschichte einen Aspekt des Evangeliums widerzuspiegeln und ihm konkret Gestalt zu verleihen“, lehrt Papst Franziskus (GE 19). Das ist die eigentliche Berufung der Christen: Immer mehr zu diesem Entwurf des Vaters zu werden. An so vielen Orten in unserer Gesellschaft können junge Christen helfen, das Reich Gottes aufzubauen: In ihren Familien und bei ihrer Arbeit, im gesellschaftlichen oder politischen Engagement.  

Und wenn man scheitert?

Wenn man dieses Ziel einmal nicht erreicht, darf man den Mut nicht gleich verlieren. Über die Heiligen schreibt Papst Franziskus: „Vielleicht war ihr Leben nicht immer perfekt; aber trotz aller Fehler und Schwächen gingen sie weiter voran und gefielen dem Herrn.“ (GE 3). Dafür gibt es unter den Heiligen viele Beispiele: Der heilige Augustinus führte ein zügelloses Leben, bevor er Christ wurde; der heilige Petrus verriet Jesus. Die Kunst ist weniger, ein immer vorbildliches Leben zu führen, als vielmehr, immer wieder aufzustehen und weiter auf dem Weg in Richtung Gottes zu gehen. 

Und gerade wenn wir das einmal nicht schaffen, geben die Heiligen auf eine weitere Weise Orientierung: Als Katholiken glauben wir daran, dass die Heiligen Fürsprecher bei Gott sind. Sie sind schon am Ziel angelangt. Die Kirche besteht nicht nur aus uns, sondern setzt sich im Himmel fort. Diesen Heiligen im Himmel dürfen wir uns anvertrauten und sie um ihre Hilfe anflehen. Sie sind ein Kompass, der nicht zum Nordpol, sondern den Weg zum ewigen Leben zeigt.