Thema · Glaubenszeugnis

Wenn Veränderungen dich ausbremsen

Was tun, wenn Veränderungen deinen Beruf(ung)sentwurf durchkreuzen? Dein Arbeitsvertrag wird nicht verlängert. Das Team zerbricht an einem Streit. Die Firma wird aufgekauft und neu strukturiert: neuer Chef, neue Mission, neues Werte-Konstrukt, neues Leitbild. Die Arbeit fühlt sich sinnlos an. Es ist nicht mehr dein Platz. Du bist ausgebremst.

von Raphael Schadt · 03.08.2021

Prellbock am Gleisende
Symbolbild: © Dietlinde DuPlessis – adobe.stock.com

Der Satz „Jenen, die Gott lieben, wird alles zum Guten dienen”, kann sich wie ein gut gemeinter Kalenderspruch anhören, ein frommer Lebenshilfe-Tipp. Aber wie können Veränderungen, die ich nicht gewählt habe, und Situationen, auf die ich sehr begrenzten Einfluss habe, mir zum Guten dienen?

Sackgassen

In meiner Patchwork-Vita gab es Beschäftigungssituationen, die sich sehr verheißungsvoll ankündigten, aber irgendwann in Sackgassen mündeten. Etwa die Anstellung als Music-Minister in einer kleinen katholischen Pfarrei in Liverpool. Die dortigen Benediktiner-Patres wollten im Rahmen eines großen Evangelisierungs-Projektes einen amerikanischen Jugendpastoralplan „Life-Teen“ in ihrer Pfarrei implementieren. Dazu war ein motivierter junger „Youth-Minister” (etwa Jugend-Pastoralreferent ohne pastorale Ausbildung nach deutschem Verständnis) aus den USA importiert und angestellt worden.

Teil dieses Evangelisierungs-Projektes war auch eine ganze WG junger Katholiken aus der Jugend-2000-Bewegung, allen voran ein missionarisch sehr aktiver Ex-Gangster, den ich in Deutschland kennengelernt hatte. Als ich ihn dort besuchte, erfuhr ich von dem Evangelisierungs-Projekt der Benediktiner und war direkt sehr angetan. Diese wiederum lernten mich als Lobpreis-Musiker kennen und boten mir an, mich für Kost und Logis als Musiker anzustellen.

Für mich ging ein Traum in Erfüllung: Ich konnte in einem missionarischen Pionier-Projekt, in einem katholischen Rahmen und in meinen Begabungen als Musiker mitwirken und wurde dafür auch noch entlohnt. Darüber hinaus beseelte mich die Hoffnung, mir ausgehend von dieser Arbeit in der Heimatstadt der Beatles eine Existenz als „Worship-Leader“ aufbauen zu können.

Aber kaum war das ambitionierte Projekt gestartet, bröckelte das Bündnis aus Benediktinern, Jugend2000lern und Life-Teenern auch schon wieder über Fragen von Führungs- und Pastoralstil. Die ersten Mitarbeiter verließen nach wenigen Monaten das Projekt wieder. Wir anderen versuchten – mittlerweile wieder mehr im Stil konventioneller pfarrgemeindlicher Arbeit – weiter die Jugendarbeit aufzubauen und den Pastoralplan umzusetzen. Mit sehr mäßigem Erfolg nach meinem Empfinden. Auch mein Aufgabenbereich reduzierte sich auf einen sonntäglichen Jugendgottesdienst und Kantorendienst im Gemeindegottesdient. Ich fing einen Nebenjob an. Die anfängliche Aufbruchsstimmung jedenfalls hatte einer Ernüchterung Platz gemacht.

Kirchengebäude in Liverpool
Frontansicht der ehemaligen Pfarrkirche St. Austins in Liverpool, die 2015 geschlossen wurde. Bild: wikimedia.commons.org, Rept0n1x, CC-BY-SY 3.0

Suchet zuerst

Was sind die Optionen in Situationen, in denen nach menschlichem Ermessen nicht mehr viel zu gewinnen ist? Staub abschütteln und weiterziehen? (vgl. Mt 10,14) Treue bewahren und im Land wohnen bleiben? (vgl. Ps 37,3) Die Spannungen aushalten und in Liebe das Kreuz schultern? (vgl. Mt 16,24)

Ist in solchen Beschäftigungssituationen zu verharren sinnvoll, wenn sich die Vorzeichen derart ändern? Darf man dem Sicherheitsgefühl trauen, das einem das Bekannte vermittelt, nach dem Motto: „Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach”? Wenn die finanzielle Situation bequem ist, wird es noch schwerer, Neues zu wagen. Aber selbst wenn sie unbequem ist, kann einen die Angst vor dem Ungewissen ausbremsen.

„Du kannst nicht Gott dienen und dem Mammon“ sagt Jesus auf dem Gipfel der Bergpredigt (Mt 6,24). Manche übersetzen Mammon aus dem Aramäischen mit: das, worauf man vertraut, oder „das Gesicherte”. Wer Gott dienen will muss sich frei machen von Sorgen, auch finanzieller Art. Seine Zusage ist „Sucht aber zuerst sein Reich und seine Gerechtigkeit; dann wird euch alles andere dazugegeben“ (Mt 6,33).

Heiß, heiß!

Die Patres in Liverpool jedenfalls wollten mich gerne halten und boten mir verschiedene Optionen zur Weiterbildung und Unterstützung an. Aber in dieser Situation zu wirken, hatte mich ausgebrannt. Ich war erschöpft und es fiel mir schwer, weiter an einen möglichen Aufbruch unter den gegebenen Vorzeichen zu glauben.

Mit einer Überraschung ging in jenem Sommer eine andere Tür in Form eines Studienangebots für mich auf. Ein „Heiss, heiß“-Ruf quasi bei meinem Topfschlagen nach dem Reich Gottes. Eine Überraschung, die ich in diesem Moment brauchte, um nicht in morsche Sicherheiten zurückzukehren. Die musikalischen Pläne hatte ich aufgegeben. Aber die Entscheidung stellte sich für mich als richtig heraus: Das pastorale Projekt in Liverpool versank im Jahr darauf. Und wenige Jahre später wurde auch die Pfarrei als Ganzes aufgelöst.

… zum Guten dienen?

„Jenen, die Gott lieben, wird alles zum Guten dienen.” Was ist das Gute, das man aus einer solchen Sackgasse mitnimmt? Die Psalmobeats, die ich 15 Jahre später für Credo wieder auspackte? Neulich habe ich mit Freude auf Facebook entdeckt, dass einer der jungen Liverpooler in Stubenville (USA) Theologie studiert hat. Aber letztlich kann dieser Satz „jenen, die Gott lieben“, keine diesseitige Garantie auf Wohlergehen meinen. Schließlich haben jene, die Gott ultimativ geliebt haben, es oft mit dem Leben bezahlt. Jenseitsvertröstung? Vielleicht. Ohne die Hoffnung auf den Himmel macht dieser Satz – wie auch die Seligpreisungen – jedenfalls keinen Sinn.

Gott zu lieben und nach seinem Reich und seiner Gerechtigkeit zu suchen, hätte für manchen auch bedeuten können, weiter für das Life-Teen-Programm zu kämpfen. Ich bin überzeugt, dass auch dieser Weg mir zum Guten gedient hätte, wäre er die liebende Antwort auf einen Ruf oder ein Versprechen gewesen. Einem Verharren aus Angst oder Bequemlichkeit jedoch ist es nicht verheißen, dass es zum Guten dienen wird. Und selbst das Glaubenswagnis von gestern – in meinem Fall das Evangelisierungs-Projekt im Ausland – kann die morsche Sicherheit von morgen werden.