Thema · Corona-Virus

Kirchenschiff leer. Pfarrer allein. Heilige Messe?

In diesen Corona-geprägten Zeiten sind mittlerweile flächendeckend Gottesdienste aller Art abgesagt, ja sogar verboten. Für viele Gläubige ist das ein noch nie da gewesener, radikaler Einschnitt in ihr religiöses Leben. Haben wir nun auch eine wirkliche, geistliche Krise zu erwarten, wenn selbst Heilige Messen nicht mehr gefeiert werden dürfen?

von Johannes Steber · 19.03.2020

Kirchenalltag in Zeiten von Corona: Privatmessen vor leeren Kirchenbänken

Nein. Denn im kirchlichen Gesetzbuch, kurz CIC, gibt es eine Möglichkeit der Feier der hl. Messe, die gerade in diesen Tagen eine ganz neue Bedeutung gewinnt: die Messfeier ohne Anwesenheit von Gläubigen. Die Canones 904 und 906 CIC gewährleisten, dass ein Priester auch ganz alleine die Heilige Messe feiern darf. Das ist auch deshalb sehr interessant, weil wir landläufig die sogenannte Privatmesse nur aus den Zeiten vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil kennen. Das neue Kirchenrecht der katholischen Kirche von 1983 hat aber explizit an dieser Form der Messfeier festgehalten.

Aber wie geht denn das mit der Messe ohne Gläubige? Schließlich sind wir (mehr oder weniger) volle Kirchen gewohnt und irgendwer sollte doch dem Pfarrer die Antworten geben, oder geht es auch ohne?

Auch ohne Gläubige findet die Heilige Messe im Rahmen der ganzen katholischen Kirche statt

Bei der Privatmesse zeigt sich, dass die Kirche zwar die sichtbar verfasste Versammlung von Gläubigen ist, aber darüber hinaus noch viel mehr einschließt: man spricht hier theologisch vom corpus christi mysticum – also vom mystischen Leib Christi. Erst einmal sind wir Gläubigen als Glieder der Kirche in paulinischer Tradition Glieder am Leib Christi (vgl. 1 Kor 12). Aber auch unsere Vorfahren und natürlich die Heiligen waren – und: sind! – Glieder an ihm. Es ist eine ganz große Gemeinschaft, in die wir durch die Taufe eingefügt werden. Diese Gemeinschaft geht über alle Zeiten hinweg. Sie betrifft folglich die frühere Kirche genauso wie die Kirche heute, die wir für gewöhnlich in den Pfarrgottesdiensten, bei Seniorennachmittagen, Pfarrfesten und verschiedensten anderen Zusammenkünften oder auch sozialen und caritativen Engagements erleben.

Diese Gemeinschaft geht aber noch weiter. Sie betrifft neben der früheren und der aktuellen auch die künftige Gemeinschaft der Heiligen. Alle diese drei Dimensionen von gestern-heute-morgen glauben wir als katholische Christen in der Feier der hl. Messe als anwesend, ja wir vereinigen uns mit ihnen, wenn in der Eucharistiefeier das Opfer Jesu Christi am Altar vergegenwärtigt wird (das Gestern des Todes Jesu am Kreuz und seine Auferstehung wird im Heute real gegenwärtig).

Wird nun die Heilige Messe ohne Gläubige gefeiert, so findet sie trotzdem im Rahmen der ganzen katholischen Kirche statt – die katholische Kirche, die eine allumfassende ist.  Daher werden im Hochgebet neben den Heiligen auch der Papst, der Bischof und alle Verstorbenen erwähnt. In den Fürbitten wird für uns  Gläubige – im heute und auch für die Zukunft – gebetet. Da sind alle Dimensionen da.

Sich auf geistige Weise den still gefeierten Messen anschließen

Das ist doch das Faszinierende an unserer Kirche. Wir müssen uns nicht allein wissen, sondern sind in eine ganz große Gemeinschaft von Glaubenden hineingefügt. Das ist auch der Trost für den Priester, der in diesen Tagen allein vor dem Altar steht und für seine Pfarrei betet. Er weiß sich hineingenommen in den großen Leib der Kirche.

Kirchenalltag in Zeiten von Corona: Privatmessen ohne Gläubige. (Foto: Josh Applegate on Unsplash)
Zitat Johannes Steber

Als „normale“ Gläubige können wir uns in diesen Tagen auf geistige Weise all den still gefeierten Messen anschließen – teilweise werden ja Gottesdienste auch per Livestream übertragen – und uns so wieder neu bewusstmachen, dass wir Kirche sind, dass Kirche für uns da ist und dass das von und durch Jesus Christus für uns erwirkte Heil auch und gerade für heute gilt. Wenn wir die hl. Messe jetzt vielleicht am Livestream mitbeten, können wir auch die Form der „geistigen Kommunion“ praktizieren, bei der wir Jesus im Moment des eigentlichen Kommunionempfangs darum bitten, dass er Wohnung in unseren Herzen nehmen möge. So können wir ganz bewusst am Geschehen der Heiligen Messe teilnehmen, auch wenn es uns örtlich aktuell nicht möglich ist, dabei zu sein.

Danke an alle Priester, die weiterhin Messen feiern

Daher sei allen Priester Dank gesagt für ihre Treue, die sie gerade jetzt leben, in der sie an der täglichen Feier der Heiligen Messe festhalten, auch wenn es zermürbend ist, auf den ersten Blick alleine zu sein.

Die Kirchenschiffe sind leer, das ist die traurige Realität unserer Tage. Wir können diese leeren Kirchenschiffe aber geistig füllen, in dem wir uns ganz bewusst in unserem persönlichen Gebet all den im Verborgenen gefeierten Messen anschließen und so auf Gottes erlösende Liebe hoffen.