Thema · Kontemplatives Gebet

„Gott ist immer da – nur ich bin es oft nicht“

In ihrem Alltag als Vollzeitmama erlebt Elisabeth nur selten Momente vollkommener Ruhe. Diese nutzt sie dann, um in die Gegenwart Gottes zu finden. Eine Liebeserklärung an das kontemplative Gebet.

von Elisabeth Appelt · 04.06.2020

junge Frau blickt aus dem fenster
Einfach da sein. Gott ist es auch. (Symolbild: ©finwal89 - stockadobe.com)

Vor Kurzem hat meine Tochter ein Freundebuch aus dem Kindergarten mitgebracht. In solch einem Buch werden unterschiedliche Dinge erfragt. Die Lieblingsfarbe, das Lieblingsessen, welche Musik man gerne hört oder was man einmal werden möchte. Bei der Frage „Was kannst du nicht leiden?“ schreiben viele Kinder häufig: Streit und Krieg. Ich musste nicht lange überlegen, was ich hinter diese Frage als Antwort schreiben würde – ein Haar im Spülwasser oder Radiowerbung.

Ja, mit Werbung im Radio kann man mich jagen. Wenn ich mit meinen Kindern im Auto unterwegs bin und das Radio an ist, dann wippen und tanzen sie hinten auf ihren Sitzen mit. Sobald im Radioprogramm jedoch Werbung gesendet wird, spüre ich, wie aggressive Gefühlsregungen in mir aufkommen. Ich höre unkontrolliertes Gedudel, geballte Oberflächlichkeit gepaart mit einer penetranten Aufforderung, irgendetwas zu kaufen, zu unterschreiben oder man wird dazu verleitet, sich über etwas Banales Gedanken zu machen. Eine merkliche Zerstreuung steigt in mir auf und ich spüre eine wachsende, immer stärker werdende innere Unruhe. Sofort drücke ich reflexartig auf den An/Aus-Knopf und schalte das Radio ab. Meine Kinder protestieren lautstark auf der Rückbank, sie finden manche Werbung auf ihre Art lustig und unterhaltsam. Doch ich möchte mir das nicht weiter anhören. Stattdessen genieße ich den kurzen Moment der Ruhe, bis von hinten eine Stimme ertönt, die darum bittet, eine Geschichte hören zu dürfen. Und so lege ich für meine vier Rabauken ein Hörspiel oder Lobpreismusik ein.

14 Stunden Dauerbeschallung – ruhige Minuten genieße ich in absoluter Stille

Mein Bedürfnis nach Ruhe und Zeiten der Stille ist immens groß. Von morgens 5.30 Uhr bis abends um 19.30 Uhr erlebe ich um mich herum viel Lärm, hier und da Unruhe, Fragen, Bedürfnisse, Wünsche, Forderungen, Geschrei und ganz viel Lachen. 14 Stunden Dauerbeschallung. Nicht selten klingeln mir die Ohren. Manchmal jedoch kommt es vor, dass meine jüngste Tochter dann, wenn ihre Geschwister in Schule und Kindergarten unterwegs sind, am Vormittag einen Mittagsschlaf hält. Ich jubiliere innerlich. Eine kostbare Zeit beginnt.

Diese seltenen Minuten und Stunden genieße ich in absoluter Stille. Ich höre mir weder einen Vortrag noch Musik an. Nein, das Haus ist ganz still. Und ich fange an, ganz in Ruhe, ja in gewisser Weise be-ruhig-end, meine Wäsche zusammenzulegen, zu kehren, den Boden zu wischen, die Kartoffeln zu schälen. Niemand sagt etwas. Niemand fragt und niemand will etwas. Einfach herrlich.

Jesus ist so nah, weil ich da bin

Vor meiner Zeit als Mutter war mein Verlangen nach Stille nicht so ausgeprägt, doch jetzt ist das anders. In den seltenen und zugleich für mich so wertvollen Momenten der Ruhe kann ich ganz im Jetzt ankommen. Ich lasse meinen Gedanken freien Lauf und komme in der Gegenwart an. Ich bin ganz da und lausche der Stille. Nach einiger Zeit zieht mich diese Haltung des einfachen Daseins in die Gegenwart Gottes und ich beginne, zu beten. Ich fange an, Gott zu lobpreisen, ihm meinen Dank auszusprechen und in Fürbitte zu treten. Gerade diese kraftvollen, wenngleich ruhigen Momente des Gebets empfinde ich als sehr intensiv und gesalbt. Der Heilige Geist ist spürbar. Jesus ist so nah, einfach weil ich da bin. Ich bin angekommen.

 Wenn ich im Hier und Jetzt angekomme, dann begegne ich IHM

In 2. Mose 3, 14 steht: Ich bin der „Ich bin da“. Gott, Jahwe, ist immer da. Das ist seine Zusage. Nur bin ich oft nicht da. Stattdessen bin ich mit meinen Gedanken schon in der Zukunft oder noch in der Vergangenheit. Wenn ich im HIER und JETZT ankomme, in der Gegenwart, dann begegne ich IHM. Und das gelingt mir am Besten in der absoluten Stille. Deshalb liebe ich das kontemplative Gebet. Eine Gebetsform, die hilft, dem allmächtigen Gott im Hier und Jetzt zu begegnen. Alle Sorgen und Nöte abzulegen, anzukommen, einfach zu SEIN. Ein Zustand, der mich vollends und vollumfänglich glücklich macht, weil ich in der Bestimmung meines Seins, bei meinem Schöpfer, angekommen bin. Denn ich bin, weil er ist. Alles empfange ich aus seinen Händen. Und das ist die Erfüllung meines Lebens.

Das kontemplative Gebet hilft über Müdigkeit, Zerstreuung und Spannung hinweg

Ignatius von Loyola nennt das kontemplative Gebet „Herzensgebet“ und beschreibt es als eine Gebetsform, die uns helfen will, über unsere Müdigkeit, Zerstreuung und Spannung hinwegzukommen und Gott zu sagen: „Ich bin da!“ – woraus eine tiefe und lebenspendende Gottesbegegnung erwachsen kann.

Ich wünsche dir, dass du Momente in deinem Alltag findest, in denen du ganz bewusst in der Gegenwart ankommen darfst. Einen Ort der Ruhe suchen und finden darfst. Fernab von Medien, Lärm und Zerstreuung. Vielleicht in der Natur, Zuhause oder in einer Kirche. An einem Ort, an dem du sein kannst, wie du bist. Wunderbar geschaffen, geliebt und unendlich wertvoll!

appelt elisabeth
Elisabeth Appelt ist Vollzeitmama von vier Kindern. (Foto: privat)