Thema · Freundschaft mit Jesus
Den auferstandenen Christus „sehen“
von Dr. Florian Markter · 04.04.2021
Einen guten Freund sieht man regelmäßig. Am besten live bei einer schönen Tasse Kaffee. Wenigstens über Zoom oder Skype. Aber sichtbar und erfahrbar. Dafür muss ich einiges tun: Meinen Freund oder meine Freundin anrufen und ein Treffen vereinbaren beispielsweise. Oder einen Skypetermin ausmachen. Vielleicht auch Termine verschieben, um für sie oder ihn Zeit zu haben. Und dann beim Reden die Gestik und Mimik wahrnehmen. Auf das achten, was er/sie sagt und was er/sie nicht sagt, aber durch den Gesichtsausdruck andeutet. Nur so lernen wir uns besser kennen und können unsere Freundschaft pflegen.
Wie ist das bei Jesus? Wenn Freundschaft etwas mit Sehen und Wahrnehmen zu tun hat, wie kann man da Jesus einen Freund nennen, den wir ja gerade nicht sehen? Oder vielleicht doch? Die beiden Emmaus-Jünger zumindest berichten: „Wir haben ihn gesehen!“ Dann erscheint Jesus den Aposteln und dem zweifelnden Thomas. Und kurze Zeit später steht Jesus am Ufer des Sees Genezareth und offenbart sich ihnen durch das Fisch-Wunder als Auferstandener. Die Jünger sehen seine Wunden von der Kreuzigung an seinem Leib. Sie sehen, wie er gebratenen Fisch isst. Die Freude ist riesengroß.
Warum ist Jesus nicht für alle Menschen sichtbar?
Da taucht bei mir eine Frage auf. Nicht alle haben Jesus, den Auferstandenen, gesehen. Warum nicht? Warum ist Jesus nicht triumphierend zu den Pharisäern und zu Pilatus gegangen, um ihnen zu zeigen: „Seht, ich lebe. Hier – berührt meine Wundmale und glaubt.“ Wenn sich Jesus seinen Gegnern gezeigt hätte, hätten dann nicht auch sie zum Glauben an ihn kommen müssen? Die Antwort ist: nein. Selbst wenn sich Jesus den Pharisäern gezeigt hätte: sie hätten ihn nicht sehen können. Der Schlüssel, um den Auferstandenen in seiner neuen Wirklichkeit zu sehen, sind nicht die Augen im Kopf. Ihn sieht man nicht wie ein Stück Holz oder einen Stein. Der Schlüssel ist die Liebe. Der auferstandene Herr zeigt sich nicht der Neugier, sondern er zeigt sich der Liebe.
Ich beobachte das in meinem persönlichen Leben: Wenn ich einen Menschen liebe – einen guten Freund oder eine gute Freundin – dann sehe ich etwas, was andere nicht sehen. Ich sehe diesen Menschen nicht zuerst mit meinen Augen an, sondern mit meinem Herzen. Ja, mein Herz kann sehen, das ist wirklich so. Und wenn mich der Mensch, den ich liebe, genauso mit seinem Herzen anschaut, dann befinden sich beide auf einer Ebene, die andere Leute nicht mehr nachvollziehen können.
Die Augen der Liebe
Jesus schaut mich so an; sein liebendes Herz blickt auf mein Herz. Um ihn nun in meinem konkreten Alltag zu sehen, brauche ich nicht zuerst die beiden Augen im Gesicht. Ich brauche die Augen meines Herzens, die Augen der Liebe. Wer anfängt, Jesus im tiefsten Herzen zu lieben, der wird ihn sehen – wie einen guten Freund, der bei mir auf der Couch bei einer Tasse Kaffee sitzt.
Die Osterzeit lädt uns ein, nicht nur mit den Augen im Kopf durch unseren Alltag zu marschieren, sondern mit den Augen der Liebe IHN sehen zu lernen: in der heiligen Eucharistie, im Sakrament der Beichte, beim Lesen in der heiligen Schrift, in den Kranken und Benachteiligten, in den Augen dessen, der zu mir sagt: „Ich liebe Dich.“
Und so verwundert es nicht, dass Jesus den Simon Petrus dreimal fragt: „Liebst Du mich?“ Denn Jesus sieht nur der, der anfängt, ihn zu lieben.