Credo Talk mit Johannes Hartl.
Credo: Wir kennen uns schon sehr lange. Ich selbst war in der Pionierphase des Gebetshauses Teil desselben. Trotzdem: Was war die Hoffnung, die dich angetrieben hat, diese Gebetsinitiative, dieses Gebetshaus zu starten?
Dr. Johannes Hartl: Die Hoffnung, dass das, was am Christentum am Anfang relevant war und Menschen begeistert hat, auch heute noch Menschen begeistert. Dazu kommt die Erfahrung, dass Gebet der Ort ist, an dem sich Gott erfahren lässt. Hoffnung ist ja nicht Optimismus, sondern Hoffnung ist – auch wenn nicht alles gut aussieht – die Kraft, bzw. der Glaube an die Gestaltbarkeit der Zukunft.
Man könnte auch sagen, Deutschland ist in den vergangenen Jahrzehnten viel säkularer geworden, Leute treten scharenweise aus den Kirchen aus. Wir könnten defätistisch sagen, wir schauen dem zu. Hoffnung wäre zu sagen, wir machen das uns Mögliche, wir trauen Gott, dem Evangelium heute etwas zu, das diesem Trend entgegenläuft.
Credo: Das Gebetshaus hat 2007 gestartet und wird somit dieses Jahr volljährig. Vieles hat sich verändert, darunter deine Vortragsthemen: Früher waren es Titel wie „Gebet um Erweckung“, „Omega” wo es um Naherwartung und die Parousie ging. Heute geht es mehr um Achtsamkeit und psychologische Fragen. Hat sich deine Hoffnung über die Jahre gewandelt?
Hartl: In den ersten Jahren galt es, das Gebetshaus mit einer eigenen Charakteristik zu etablieren. Man muss Überzeugungsarbeit leisten, warum man Tag und Nacht beten soll. Hier muss man theologisch anders ansetzen.
Dann kamen aber tausende von Leuten dazu, für die nicht die Frage war, warum soll ich Tag und Nacht beten, sondern, warum soll ich überhaupt beten? Viele, die noch gar nicht im Glauben standen. Ich habe seit unserer Jugendarbeit nie aufgehört, missionarisch zu arbeiten und darauf hinzuwirken, dass Menschen, die im Glauben die ersten Schritte gehen, Anknüpfungspunkte finden. Und dieses Element ist stärker geworden, gerade mit unserer gewachsenen medialen Reichweite. Da galt es eine Sprache zu sprechen, die nicht nur eine Sparte versteht, sondern die viele verstehen.
Credo: Papst Franziskus hat das Jubeljahr mit dem Motto „Pilger der Hoffnung“ ausgerufen. Viele eurer Veranstaltungen tragen Titel wie „Colours of Hope”, „Rebels of Hope” und auch das zu Pfingsten anstehende Eden-Fest trägt ein Hoffnungsthema. Warum ist Hoffnung so ein zentrales Thema für dich?
Hartl: Weil es in der Gesellschaft fehlt. Einer unserer Sprecher auf dem Eden-Fest, ist Alexander Kraft von der Uni St. Gallen, der einen Hoffnungs-Index herausgibt. Man kann also mittels Umfragen messen, wie viel Hoffnung es in einer Gesellschaft gibt. Und – wer hätte es gedacht – wir stehen in Deutschland ziemlich schlecht da.
Wir leben in Zeiten, die eher dystopisch sind. Manche jungen Leute wollen keine Kinder mehr in die Welt setzen. Uns fehlt Hoffnung. Wo wir vor zwei Generationen noch Narrative der Hoffnung hatten, haben wir heute keine mehr. Warum?
Credo: 2021 hast du das Buch „Eden Culture“ veröffentlicht und darin hab ich den Satz gefunden: „Deshalb ist dieses Buch ein Buch der Hoffnung – der feurigen und zornigen Hoffnung, die einfach nicht glaubt, dass es kein anderes Leben geben kann!”
Ich musste an die Bibelübersetzung denken: „Hoffnung für alle“. Und dachte – eben nicht! Denn des einen Hoffnung ist des anderen Dystopie. Hoffnung ist ja nicht neutral. Wer von einer Hoffnung spricht, hat schnell Feinde. Du erlebst ja sicher auch Gegenwind …
Hartl: Ich würde gerne noch bei dem ersten Punkt einhaken: Erstaunlicherweise stimmen ja fast alle in bestimmten Punkten überein, dass man eine bestimmte Zukunft nicht will. Komischerweise bauen wir genau an dieser. Also wenn wir fragen würden, wärst du gern einsamer oder würdest mehr am Handy kleben? Soll AI uns abschaffen? Da sagen alle, eigentlich nicht. Wieso geben wir diesen Technologien immer mehr Macht in unserem Leben? Dieses Buch richtet sich nicht primär an Gläubige, sondern sucht eine Verständigung: Können wir uns auf diese Werte einigen?
Und in Punkto Gegenwind: Nein, gar nicht. Alle finden toll, was ich mache … (lacht).
Credo: Eden-Fest: Was begeistert dich daran?
Hartl: Die Leute, die kommen. Und zwar nicht in erster Linie, dass besondere Speaker kommen wie die Söhne Mannheims, Monika Gruber, Herrmann Binkert (Gründer des INSA Meinungsforschungsinstutiuts), Prof. Sarah Spiekermann (zu digitaler Ethik), Prof. Thomas Fuchs (Psychiatrie und Psychotherapie – zur die Verteidigung des Menschen) etc. Das sind tolle Forscher, tolle Künstler. Mich begeistern aber auch die Gäste, die kommen, und vor allem, dass sie sich dort vernetzen. Das Eden-Fest ist weniger „fromm” als eine MEHR-Konferenz und doch herrscht dort eine sehr positive, spirituelle Atmosphäre.