Thema · Einheit der Kirche und Social Media

Einheit in Verschiedenheit

Tini Brüning ist Redakteurin bei KTV, betreibt den Podcast Nähkästchen und den Instagram Kanal CrossConnect. Ihre Leidenschaft für christliche Medienarbeit ist allerdings nicht allein auf katholischem Boden gewachsen, sondern in der Begegnung und Auseinandersetzung mit verschiedenen freikirchlichen und ökumenischen Gemeinschaften. Was der Einheit in der Kirche schadet und was ihr dient, darüber haben wir uns mit ihr auf der MEHR-Konferenz 2024 unterhalten.

von Raphael Schadt · 01.03.2024

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Christin Brühning, 28, entschied sich als Teenager bei einer Veranstaltung der Gemeinschaft Emanuel in Altötting dafür, Jesus nachzufolgen. Nach dem Abitur absolvierte sie ein Volontariat im Gebetshaus Augsburg und anschließend die J9-Jüngerschaftsschule der Home Mission Base in Salzburg. Sie wirkte bei der Loretto Gemeinschaft in Wien als pastorale Mitarbeiterin mit und studierte angewandte Theologie in Paderborn.

Credo: Du sagtest einmal, dein Volontariat im Gebetshaus Augsburg sei herausfordernd für deinen katholischen Glauben gewesen. Inwiefern? 

Tini: Als ich nach Augsburg kam, war ich 20 Jahre alt. Damals kannte ich katholisches Leben vor allem von Gemeinschaftswochenenden her. In Augsburg dagegen habe ich durch Freundschaften, durch viel Zeit im Gebetsraum Gott erleben dürfen – in einem ökumenischen Kontext. Das brachte viele Fragen mit sich, wie: Bin ich jetzt eigentlich erlöst, wenn ich als Baby getauft wurde, ohne damals eine Entscheidung treffen zu können? Ich sprach viel mit Katholiken und eben auch mit Freikirchlern, die die Bibel gut kennen und souverän, mit Feuer und Leidenschaft ihren Glauben verkünden. Das hat mich angesprochen und ich fing an zu hinterfragen: Warum bin ich eigentlich katholisch? 

Es begann ein Ringen in mir, ein Suchen und Fragen nach meiner katholischen Identität: Was ist das Zentrale, das Heilsentscheidende? Für mich ist wichtig zu wissen, dass wir „ein Leib” sind, dass wir auf den Namen des Vaters, des Sohnes, des Heiligen Geistes getauft sind. Ein Leib, ein Geist, eine Taufe. Für mich hieß das aber erst einmal, den anderen anzunehmen, denn ich dachte ursprünglich, Freikirchen wären Sekten. Ich setzte mich mit den theologischen Fragen auseinander und habe meinen Weg gefunden, meine Konfession zu verstehen, anzunehmen und daraus zu leben gelernt. Letztendlich aus den Sakramenten. 

Credo: Auf deinem Instagram-Kanal CrossConnected steht: „Wir möchten die Faszination für die Schönheit des Glaubens und die Schätze der katholischen Kirche heben und der nächsten Generation zugänglich machen.” Wie geht das mit Bestrebungen nach Gemeinsamkeit und Einheit mit anderen Konfessionen zusammen?

Tini: Die Geschichte von CrossConnected begann im ökumenischen Kontext, auf dem Willow Creek Leitungskongress. Dort erlebte ich freikirchliche Influencer und war sehr inspiriert. Leute wie Jana Highholder, Christopher Schacht von den Real Life Guys/Life-Lion, die O’Bros und verschiedene weitere Player im „online Game” der Kirche. Und ich war in diesem Kontext die einzige Katholikin! Und ich fragte mich: Wo sind wir? Wo sind die Menschen, die heute in ihren Pfarreien groß werden? Und wo sind die Vorbilder in der katholischen Kirche? 

Ich empfand einerseits einen Schmerz darüber, dass „meine Kirche” nicht vertreten war. Auf der anderen Seite stand die Faszination darüber, wie stark diese protestantischen Influencer vorangehen und wie authentisch ihr Zeugnis ist. Da kam der Impuls zu sagen, wir brauchen katholische Influencer, sprachfähige Menschen, die mutig genug sind, öffentlich Zeugnis zu geben und für ihren Glauben einzustehen. Das heißt nicht, dass wir uns abgrenzen wollen. Im Gegenteil: Wir fühlen uns gerufen, unsere Schätze zu heben und unsere Konfession zu stärken – aus dem Vorbild von freikirchlichen Geschwistern heraus. 

Credo: Was genau sind für dich diese Schätze und wie hast du sie schätzen gelernt? 

Tini: Nach meinen Jahren in Augsburg, Salzburg und Wien, in der frommen Bubble im Süden, bin zurück nach Nordrhein-Westfalen gezogen und habe in Paderborn mein Studium begonnen, angewandte Theologie. Ich merkte: Wow, jetzt ohne Gemeinschaft ist es sehr trocken, das ist Wüste. Dazu nahm ich innerhalb des Theologiestudiums Differenzen mit anderen Katholiken wahr. Das war rauer Nordwind. Ich fühlte mich wieder allein wie früher. Ich fragte mich: Wo finde ich jetzt Jesus? Wie kann ich jetzt meinen Glauben im Alltag leben, ohne das fromme Setting? 

Ich ging in die eucharistische Anbetung, in einer Stadtkirche, ganz einfach, neben zwei Omas. Ich merkte, okay, das mache ich jetzt täglich in Treue. Ich ging in die Heilige Messe, in die eucharistische Anbetung, in die Beichte. Ich hatte nichts, außer den Sakramenten. Im charismatischen Kontext hatte ich viele Erfahrungen mit Gott gemacht. Aber in dieser Pfarrei – in der „Wüste“ – da durfte ich Gott auch erleben. Im unaufgeregten Brot. Und da merkte ich: Er trägt wirklich, Er ist wirklich da. Dafür muss ich nicht lange reisen oder in ein fancy Gebetshaus gehen. Wir suchen ihn überall, obwohl wir nur da sein müssten, wo er schon längst auf uns wartet: In jeder Kirche. Das war der Moment, an dem ich entschied: dafür möchte ich einstehen.

Credo: Ja, schon innerhalb der katholischen Bubble ist es oft nicht so leicht mit der Einheit. Wie lebst du sie? 

Tini: Durch Beziehungen. Mit vielen Kommilitonen zum Beispiel hatte ich theologische Differenzen. Schnell sprachen wir gewisse Themen nicht mehr an, um unangenehme Stimmungen zu vermeiden. Beim Bier im Pub sind wir uns menschlich trotzdem durchaus begegnet. 

Aber ich erinnere mich auch an eine Situation, wo Statements kamen, bei denen ich dachte: „Wie kannst du das sagen, als Katholik?” und wir richtig aneinandergeraten sind. Da hab ich das Gespräch gesucht und einmal zwei Stunden mit einem Freund telefoniert. Wir konnten unsere konträren Meinungen austauschen und am Ende sagen: Hey, ich wünsche dir von Herzen alles Gute, aber hier werden wir nicht übereinkommen, obwohl wir beide der Kirche dienen wollen. Und obwohl es schmerzlich war, hatte diese Begegnung für mich einen hohen Wert. Und wir können am Ende trotzdem anstoßen und uns gegenseitig stehen lassen. 

Credo: Mir scheint, es ist auch ein großer Unterschied, sich face to face zu begegnen oder anonym in Social-Media-Kommentarzeilen theologische Differenzen auszutragen. Es entstehen Fronten und man teilt kein Leben. 

Tini: Diese Erfahrung mache ich auch. Wenn ich etwas poste und es kommen beleidigende Nachrichten von Personen, die mich nicht kennen, mich aber wegen meines öffentlich bekannten Glaubens so persönlich angreifen, das ist schon heftig. Man muss da einen gesunden Umgang mit Social Media lernen. Deswegen ist mein Rat: Wenn du nicht genau weißt, wozu du Social Media einsetzt, lösche es.

Credo: Vielen Dank für das Gespräch!