Vor Ort · Hoffnung als Pilot

Traumarbeitsplatz Cockpit

Jedes Mal wenn ich nach oben schaue und einen Flieger sehe, der seinen Kondensstreifen quer über den Himmel zieht, packt sie mich immer wieder aufs Neue: Diese Sehnsucht, diese Hoffnung, auch irgendwann einmal da oben zu sitzen und ein Flugzeug selbst zu fliegen. Meistens ziehe ich dann mein Handy aus der Tasche und schaue nach, wo das Flugzeug herkommt und wo es hinfliegt.

von Philipp Schilling · 17.06.2022

Menschen beobachten ein landendes Flugzeug am Abend.
Das majestätische Flugzeug auf seiner geheimnisvollen Route – bis zum Blick auf den Flugplan.
Bild: adobe.stock.com/anatoliy_gleb

Angefangen hat alles im Jahr 2001: Als Kind habe ich im Fernsehen die Anschläge auf das World Trade Center in New York gesehen und ich wusste: ein Flugzeug werde ich in meinem Leben sicher nie mehr besteigen. Irgendwann kam meine Mutter jedoch auf mich zu und forderte mich auf, den Koffer zu packen. Am nächsten Tag sollte schließlich der Flieger nach Griechenland abheben. Dieser Flug im Jahr 2004 war es, der alles veränderte, ohne dass er offensichtlich besonders war. Das Flair am Flughafen, das Gefühl wenn der Startschub gesetzt wird und man in den Sitz gedrückt wird, dazu die Aussicht von oben und nach kurzer Zeit in einem anderen Land zu landen – das hat mich als Kind wohl nachhaltig beeindruckt. Auf einmal wollte ich Pilot werden – bis heute. Und das Bordmagazin von damals habe ich heute noch als Erinnerung zu Hause.

Anfangsschwierigkeiten

2014. Ich habe mein Abi frisch in der Tasche und meine Bewerbung an eine große Fluggesellschaft abgeschickt. Hoffentlich schaffe ich das Auswahlverfahren – Mathe, Physik, Englisch, Psychologie und eine medizinische Untersuchung. Normal dauert die ganze Prozedur bis zum Ausbildungsbeginn etwa ein halbes Jahr. Aufgrund diverser Umstände – unter anderem Tarifverhandlungen, Streiks und einem damit verbundenen Ausbildungsstopp – verzögerte sich alles. Und dann war da dieses Warten, Hoffen und Bangen. Schaffe ich es? Nehmen sie mich?

Zwischenzeitlich habe ich in der Wartezeit ein Bachelorstudium absolviert, bis ich die letzten Tests durchlaufen konnte; stets in der Hoffnung, dass ich doch noch Pilot werde. Letztendlich hat es geklappt. Ich habe Stufen des Auswahlverfahrens gemeistert und durfte in der Flugschule antreten. Ganze 4,5 Jahre hat alles nun gedauert. ­Wer konnte damit rechnen? Hoffen hat mich durch diese Durststrecke gebracht.

Mit Durchhaltevermögen ins Cockpit?

Junger Mann im Cockpit eines Passagierflugzeugs.
Philipp Schilling an seinem Traumarbeitsplatz im Cockpit.
Bild: privat.

Die Ausbildung ging voran – Theorie und Praxis. Mein Traum vom Fliegen schien wahr zu werden. Und dann kam das Jahr 2020 – Corona. Pandemie. „Bleiben Sie zu Hause!“ Erneut durchkreuzt ein unvorhergesehenes Ereignis meine Pläne. Die Schulung? Unterbrochen. Zehn Jahre lang bräuchte man keine Piloten mehr, ich solle meinen Traum vom Fliegen aufgeben, so das Management. Aufgeben? Niemals. Dafür habe ich nicht seit nun fast 20 Jahren mein ganzes Leben darauf ausgerichtet. Wieder blieb mir nicht viel mehr übrig, als die Hoffnung zu bewahren.

Viel Durchhaltevermögen habe ich mitgebracht, Widrigkeiten getrotzt und so manche Unsicherheit buchstäblich ausgesessen. Doch warum eigentlich? Woher kommt diese Ausdauer? Sicherlich ist es einerseits eine Herzensangelegenheit, den Traumberuf zu verwirklichen. Auf der anderen Seite bin ich als Mensch so gestrickt: entweder mache ich etwas mit Herz und Seele oder ich lasse gleich von vornherein die Finger davon. Das wissen auch meine Eltern, die restliche Familie und meine Freunde. Dementsprechend viel Unterstützung darf ich hier erfahren. Jeder weiß, wie sehr ich daran hänge. Nicht selten brauchte ich Aufmunterung und gutes Zureden. Ich solle die Hoffnung nicht aufgeben. Man hilft mir, wo immer es geht. Ohne diesen Rückhalt hätte ich vermutlich mit dem erfolgreichen Abschluss meines Bachelorstudiums das Handtuch geworfen und meinen Traum vom Fliegen aufgegeben. Doch ich habe es nicht. Dafür bin ich dankbar.

Nach dem Hoffen ist vor dem Hoffen

Oft genug bin ich im Gottesdienst auch in der Kirche gesessen und habe in Momenten der Stille ein Stoßgebet nach oben geschickt. Oder auf Reisen, wenn ich eine Kirche oder einen schönen Ort besichtigt habe – ein kurzer Moment des Innehaltens. Dann waren diese Gedanken da, die mich beruhigen. Er, der Herr, möge es bitte irgendwie richten. Er kennt alles, was passieren wird. Er möge mich auf meinem Weg führen und alles zu einem guten Ende bringen. Und er weiß sicher auch, welchen Sinn alles haben soll. Darauf vertraue ich.

Wieder sollte sich das Ausharren und Hoffen auszahlen – nach weiteren zwei Jahren Warterei setze ich nun die Ausbildung fort. Ob ich sie dieses Mal abschließen kann oder mir abermals ein Störfeuer einen Strich durch die Rechnung macht? Ob es letztendlich dann doch nichts wird oder wie gewohnt eine gefühlte Ewigkeit länger dauert? Ich weiß es nicht. Dann werde ich wohl mein Studium im Master weiterführen und einmal mehr hoffen – denn ich kann mir gewiss sein: ich bin dabei nicht allein.

Selbst wenn es irgendwann einmal klappen sollte, kommen auch schon neue Sorgen und Hoffnungen ins Spiel, was einen sicheren Arbeitsplatz im Cockpit angeht. Der Luftverkehr hat nicht unbedingt den Ruf, eine klimafreundliche Art des Reisens zu sein. Auch da besteht natürlich die Erwartung, dass sich dies in der Zukunft ändern wird. Weniger fliegen wird nicht die Antwort darauf sein, denn dazu ist der Mensch zu mobil. Die Chancen stehen gut auf Elektroantriebe für die Kurzstrecke und Wasserstoff für Mittel- und Langstreckenflüge. Bis dahin wird allerdings noch einige Zeit vergehen.

Die zahlreichen altersbedingten Abgänge und freiwilligen Ausscheider durch die Krise hingegen bieten offenkundigen Grund für Hoffnung. Sie hinterlassen offene Stellen, die ausgeglichen werden müssen. Mittlerweile bin ich aber an einem Punkt, da warte ich einfach ab und lasse es auf mich zukommen – Stichwort Gottvertrauen.  Eins ist im Leben nämlich sicher: egal wie man hofft oder plant, es wird immer anders kommen.