Vor Ort · Im Noviziat

Katholisch? – Evangelisch? – Kloster!

2020 habe ich mitten in der Corona-Zeit einen neuen Schritt mit der Hilfe und Kraft unseres Herrn gewagt. Ich habe alles aufgegeben – meine schöne kleine Wohnung, meine Arbeitsstelle, mein Ehrenamt, mein Mitsingen im Chor – und bin ins Kloster gezogen, um Gott ganz nachzufolgen. Und das, obwohl mein Weg mit ihm, oder besser gesagt mit der katholischen Kirche, nicht ganz geradlinig verlief. Ja, zwischenzeitlich war ich sogar mehrere Jahre lang evangelisch …

von Sr. Theresita Thurn · 14.07.2021

Junge Frau auf einem Sessel
Credo Autorin Sarah Thurn. Foto: privat

Wenn ich an meine Schulzeit an einer katholischen Realschule zurückdenke, erinnere ich mich gerne an die kraftschenkenden und inspirierenden Gottesdienste, die ich dort besuchen durfte. Schon damals habe ich Gottes Ruf verspürt: „Folge mir nach! Ich habe eine Aufgabe für dich!“ Mich faszinierten die Liebe und Nächstenliebe, wie sie Jesus gelebt hat. In mir wuchs der Wunsch: So möchte ich auch leben. Gesagt, getan: Nach der Schulzeit arbeitete ich als Erzieherin mit Kindern mit Behinderungen und in meiner Freizeit begleitete ich psychisch Erkrankte in einem Seniorenheim.

Katholisch?

Aber mein Weg mit Gott, oder besser gesagt, mit der katholischen Kirche, verlief nicht immer geradlinig. Ja, zwischenzeitlich war ich sogar mehrere Jahre lang evangelisch. Gott zu dienen und ihn zu preisen war mir schon immer irgendwie wichtig, weshalb ich als – damals noch katholische – Jugendliche auch Ministrantin war und im Taufchor sang. Gott war für mich immer ein liebender Gott, der Friede und Freude am Glauben schenkt, statt zu verurteilen. Allerdings bekamen meine Familie und ich in verschiedenen Gemeinden immer wieder Gottesbilder vermittelt, die wir nicht teilen konnten. Das bewegte uns 2008 dazu, aus der katholischen Kirche auszutreten und uns der evangelischen Kirche zuzuwenden.

Trotz meines Konfessionswechsels besuchte ich ab 2018 regelmäßig das Kloster der Sießener Franziskanerinnen. Angebote wie „Kloster auf Zeit“ oder auch das Bibelteilen wurden für mich wie eine lebendige Quelle, aus der ich schöpfen konnte, um den Seelendurst zu stillen und neue Kraft zu gewinnen. Bei den Franziskanerinnen durfte ich einen katholischen Glauben erleben, mit dem ich mich sehr gut identifizieren konnte. Besonders berührte mich ein Gespräch mit einer 97-jährigen Schwester, bei dem mir klar wurde: Diese katholische Ordensschwester hat dasselbe Gottesbild und Glaubensverständnis wie ich. Ich stellte fest, dass der Grund für meinen damaligen Austritt nicht der katholische Glaube an sich war, sondern einzelne Personen, die leider wenig Gottesfreude und Gottesliebe vermitteln konnten.

Evangelisch?

Für mich war diese Erkenntnis eine so große Befreiung, dass ich wieder zu meinen katholischen Wurzeln zurückkehren konnte und wollte, die mich doch sehr geprägt hatten. Nach meiner Zeit bei den Franziskanerinnen wuchs aber noch eine weitere Sehnsucht, die viel tiefer ging. Ich spürte: Ich will mehr! Jeden Tag, jede Stunde, jede Minute will ich Gott in mir und in meinem Leben bewusst wirken lassen. Denn er allein hat es in der Hand, wo unser Leben hinführt, um seinen Plan zu erfüllen. Mit Vertrauen auf seine barmherzige, grenzenlose Liebe zu uns will ich mich ganz ihm hingeben. Sein Wille soll geschehen!

Im August 2019 bin ich in die katholische Kirche wieder eingetreten und im Dezember desselben Jahres bin ich Kandidatin bei den Sießener Franziskanerinnen geworden. Ab da haben sich mein Alltag und mein Glaubensleben rasant verändert. Ich habe angefangen, Gott noch mehr in meinen Alltag einzubinden. Mit seinem Wort – beim Betrachten der Hl. Schrift – in den Tag zu starten und versucht, das, was mich am jeweiligen Evangelium angesprochen hat, auch zu leben. Ihn um seinen Segen und seine Führung zu bitten bei schwierigen Situationen oder Konflikten oder ihm einfach für alles zu danken, was nicht selbstverständlich ist: dass ich atmen, laufen und sprechen kann; dass ich gute Freunde habe, die mich bei allem unterstützen und für mich da sind oder dass ich jeden Tag etwas zum Essen habe.

Kloster!

Im April 2020 habe ich mitten in der Corona Zeit einen neuen Schritt mit der Hilfe und Kraft unseres Herrn gewagt. Ich habe alles aufgegeben – meine schöne kleine Wohnung, meine Arbeitsstelle, mein Ehrenamt, mein Mitsingen im Chor – und bin ins Kloster gezogen und habe dort mein Postulat begonnen. Auch wenn meine Vernunft immer wieder laut gesagt hat: „Was tust du da … das ist doch verrückt … kein normaler junger Mensch tritt heute in ein Kloster ein und möchte Ordensschwester oder -bruder werden …“, habe ich tief im Herzen die Ahnung, dass mich Gott an dieser Stelle haben möchte. Seit Februar 2021 bin ich nun im Noviziat mit zwei anderen jungen Frauen und darf mit ihnen immer tiefer in die franziskanische Spiritualität und in das Geheimnis unseres Glaubens eintauchen.

Ich glaube, für diesen Schritt und auch für alle weiteren, die kommen werden, ist das Vertrauen auf Gott unglaublich wichtig und das Wissen, dass er ein liebender und barmherziger Vater ist, der seine Kinder über alles liebt. Er möchte mich ins Leben führen und verspricht das Leben in Fülle (Joh 10,10). Mit dieser Verheißung gehe ich weiter in der Nachfolge Jesu und nun auch mit der Hilfe des hl. Franziskus und der hl. Klara.

Zwei junge Frauen vor der Franziskuskirche in Assisi
Sarah (rechts) und ihre Mitnovizin Anna auf den Spuren des heiligen Franziskus vor der Basilika San Francesco in Assisi. Foto: privat

Anmerkung der Redaktion: Der erste Teil des Textes wurde im September 2019 bereits auf Credo veröffentlicht.