Thema · Beichtspiegel: Teil I

Ich will beichten!

Ich hatte mir vorgenommen, beichten zu gehen. Nicht aus Pflichtgefühl, sondern aus dem Wunsch heraus, mit Jesus ins Reine zu kommen. Und wie so oft: Zeitpunkt ungünstig, Beichtmöglichkeit nur irgendwo, von Trägheit übermannt, statt Taten nur Worte oder Zeilen. Ich war seitdem immer noch nicht und das nervt mich täglich mehr.

von Alex Barth · 23.01.2017

hinweisschild vor einem beichtstuhl

Ich trag mir jetzt den nächstmöglichen Termin in mein Outlook ein und fang halt schon mal mit meinem Beichtzettel an. Beichtzettel? Dazu hat mich meine Frau angeregt. Ich rede so viel und den armen Priester im Beichtstuhl schon mal an die Wand, da vergesse ich bestimmt einiges, so ihr barmherziger Rat.

Na dann. Ich bete kurz zum Heiligen Geist und sammle mich. Ich bitte ihn, mir Erkenntnis zu schenken, Gutes von Bösem zu unterscheiden und mir Weisheit ins Herz zu legen. Die Dinge, bei denen mir meine Schuld bewusst ist, verdrängen oft die vielen anderen Fehler, die man gar nicht sieht oder sehen will. Daher nehme ich mir auch erneut wieder einen Beichtspiegel zur Hand, z.B. den aus dem Gotteslob, Nr. 601. Ich nehme diese Hilfe zur Gewissenserforschung gerne an und beleuchte mein Leben von den Zehn Geboten her. Gebote? Verbote? Für mich Angebote. Mehr als nur ein Grundgesetz aus der Wüste, als Hilfsmittel, der moralische Gutmensch zu werden. Für mich Angebote, mein Leben mit Gottes Willen in Einklang zu bringen.

Erstes Gebot: Du sollst neben mir keine anderen Götter haben.

Easy. Hab ich nicht. Es ist schon herausfordernd genug, an einen dreifaltigen Gott zu glauben. Nächstes Gebot … Nein, Gewissenserforschung heißt ja, in sich hineinzuhorchen und durch das Gebet an der Oberfläche zu kratzen. Was sind denn meine anderen Götter? Früher waren es oft andere Menschen, deren Anerkennung mir wichtig war. In der Schule, in den ersten Discos und Clubs, bei Rollertreffen. Immer wollte ich ja ein bisschen cooler, witziger, härter sein, als ich es war. Der Eindruck bei anderen war mir wichtig. War vielleicht auch mit ein Grund, mit Kampfsport anzufangen oder anstrengende Berg- und Mountainbiketouren zu machen.

Optische Ausflüge in silbergefärbte Ein-Millimeter-Glatze oder blondgebleichter Möchtegernsurfer-Mähne, mit NVA-Tarnhosen, Baggies, oder 70er Jahre Klamotten. Auffallen. Aus der Reihe tanzen.

Das ist ja alles an sich noch nicht schlecht. Solange ich Gott dabei im Mittelpunkt lasse und nicht Ihn durch mich ersetze. Und das war oft das Problem. Wenn ich seinen Willen gar nicht mehr erfrage und nur meinen Willen durchsetzen will.

Steht Gott denn jetzt im Mittelpunkt meines Lebens? Ich denke ja. Aber die anderen Götter verändern sich. Sie heißen jetzt z.B. „Effizienz“. Ich stehe oft in der Versuchung, alles Businessplänen, Arbeitsanweisungen, Controlling und Programmiertickets unterzuordnen. Wie ich es aus der Arbeit gewohnt bin. Wenn – dann. Auch im Glauben. Wenn ich ein tüchtiger Christ bin, dann kommt die Erleuchtung. Ich lasse Ihn oft gar nicht ran. Auch im kirchlichen Ehrenamt – wo ich mit dem Problem nicht allein bin.

Der andere Gott – „Geht nicht gibt’s nicht“. Immer Vollgas. Höhenflug. Hochmut. Ich vergesse oft, dass die Fähigkeiten die ich habe, Talente sind, die ich von Ihm bekommen habe. Bei Erfolg, egal ob sportlich, beruflich oder in der Partnerschaft, bekommt man schnell einen Höhenflug. Dankbar will ich sein für diese Talente. Sie als Geschenk sehen. Mich in Bescheidenheit üben. Dann fällt man auch nicht zu tief. Und ich will meine Talente einsetzen, auch für Ihn, mit voller Kraft, aber auch bitte mit Ihm und im Vertrauen auf Ihn.

Der andere Gott, der sich oft dazwischendrängt, heißt „Zeitnot“. „Ich hab keine Zeit“. Vier Kinder, Ehefrau, eigene Firma, viele Ausreden. Gefühlt hat man nicht mal Zeit für sich. Aber eigentlich haben wir doch alle gleich viel Zeit. Es ist nur die Frage, wofür ich sie mir nehme. Wenn ich Ihm schon den ersten Platz einräumen will, warum nehme ich mir so wenig Zeit für Ihn? Zeit zum Beten. Eine Beziehung kann doch nur wachsen und tiefer werden, im Austausch und gegenseitigem Zuhören.

Und warum lese ich täglich so viel, auch so viel Müll? Aber für Sein Wort in der Bibel finde ich nur ab und zu Zeit. Ich weiß doch, dass Seine Worte in mir reiche Frucht bringen können. Aber dazu muss ich sie lesen.

Doch statt zu beten oder in der Bibel zu lesen, konsumiere ich leichter mal ein Youtube-Video, schaue kurz noch mal die Nachrichten oder werfe einen Blick in WhatsApp.

Die „Arbeit“ ist auch oft eine Gefahr, zum anderen Gott zu werden, der die meiste wache Zeit, Träume und Gespräche beherrscht. Besonders, wenn sie einem gut gelingt. Arbeit ist gut und sinnstiftend. Doch Schätze im Himmel sollen wir sammeln. Unser Leichenhemd hat keine Taschen. Ich zumindest hab immer soviel Arbeit, dass ich 24/7 durcharbeiten könnte. Aber Gott hat mich doch nicht als Hamster im Laufrad geschaffen. Das richtige Maß zu finden ist meine Aufgabe, und das Zuviel Teil jeder meiner Beichten.

karatemove vor sonnenaufgang
Fotos (vlnr): Katja Nevalainen, flickr.com, CC BY 2.0., Bild: Vee, flickr.com, CC BY 2.0
männliches model bei einer modenschau

Zweites Gebot: Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen.

Fluchen? Nein. Die Vielfalt bayerischer Flüche, in denen immer etwas mit Herrgott vorkommt, benutze ich nicht, nicht mehr. Früher habe ich Ihn schon öfter für mein eigenes Versagen oder manche Situation angeklagt. Aber das hatte ich zuletzt im Griff. Aber die Kraftausdrücke gibt es immer noch. Welch beschönigendes Wort. Besonders unter Stress. Wenn der Zusammenbau des Ikea-Kinderbetts nicht so klappt, wie in der Anleitung beschrieben, oder mir die undichte Dichtung des Sicomatics mir meine Gulaschsoße in der Küche verteilt. Oh ja, da werde ich zum Vulkan. Auch verbal. Ich missbrauche Seinen Namen nicht, aber dennoch findet dies in der Beichte hier seinen Platz. Mit Temperament darf ich dies nicht entschuldigen.

Missbrauche ich Seinen Namen, wenn ich meine Gebete zu Ihm unaufmerksam und gelangweilt runterleiere? Wenn ich plappere wie die Heiden? Meine Frau wäre todbeleidigt, wenn ich mit ihr so reden würde. Also bringe ich es in die Beichte.

„Nicht missbrauchen.“ Doppelte Verneinung. Also soll ich Seinen Namen auch gebrauchen. In Seinem Namen, im Kreuzzeichen den Tag beginnen, das Essen, eine Sitzung in einem kirchlichen Gremium. Und wenn ich dies dann so begonnen habe, dann muss mein Mund verschlossen sein für jede übelwollende Kritik und jedes böswillige Wort. Denn sonst missbrauche ich ja vielleicht doch Seinen Namen.

Drittes Gebot: Gedenke des Sabbats: Halte ihn heilig.

Der Sonntag ist mir heilig. Der Besuch der Messe auch. Dies ist über die Jahre mehr und mehr gewachsen. Immer noch bedaure ich ein Ostern, an dem ich nicht in der Kirche war, sondern auf einem Karate-Trainingslager. Damals habe ich so gespürt, wie Er auf mich liebevoll wartet und ich Ihm einen Korb gebe und in einer Halle rumhüpfe. Ich habe mir geschworen, dies nie wieder zu tun. Egal ob auf Geschäftsreise in Taiwan, im Urlaub in Ägypten, auf einem Rollertrip in Sardinien. Ich habe eine tiefe Sehnsucht, Ihn an Seinem Tag in der Kirche zu besuchen, mit Ihm Eucharistie zu feiern und mit Ihm eins zu werden.

Mit dem Gedenken klappt es also, nur ihn heilig zu halten, das muss ich noch üben.

Wir sind ja alle auf dem Weg zur Heiligkeit. Berufen, geistig zu wachsen. Ich bin oft einfach zu träge und zu faul. Aber wenn Jesus Menschen geheilt hat, sagte er meist „Steh auf“, und das will ich tun. Aufstehen und wieder umkehren. Immer wieder. Und die Stärkung für diesen Weg sind die Sakramente, Exerzitien und die Bibel. Und genau so will ich es tun.

 

Hier gehts weiter zu Teil 2 des Beichtspiegels.