Thema · Gottes Tragkraft spüren

Ich bin, der ich bin.

„Wonach sehnst du dich gerade?”, haben wir einige unserer Credo-Autoren gefragt. Jürgen Massinger schickte uns daraufhin Gedanken zur Erzählung vom brennenden Dornbusch. Er ist Diakon und wird – so Gott will – im Sommer 2021 zum Priester geweiht. Seine tiefe Sehnsucht: Die Tragkraft Gottes ein Leben lang spüren zu dürfen.

von Jürgen Massinger · 19.01.2021

Dornbusch in karger Gegend vor Sonnenuntergang
Aus dem brennenden Dornbusch spricht Gott zu Mose. (Symbolbild: Frankie Lopez, Unsplash)

Als ich während meiner letzten Einzelexerzitien die Bibelstelle vom brennenden Dornbusch zur Betrachtung bekam, spürte ich die befreiende Wirkung von Gottes „Ich bin“ so stark wie noch nie zuvor. Der unvollkommene Mose begibt sich auf seinen Lebensweg mit Gott, nur getragen von der Zusage Gottes. Als Weihekandidat bin ich in einer ähnlichen Situation. Und dieses Erlebnis beeindruckt mich nach wie vor so sehr, dass ich mir wünsche, davon durch meine Primiz und das ganze priesterliche Leben getragen zu werden. Zumal ich glaube, dass wir in dieser Erzählung schon das gesamte Christusereignis vorangekündigt finden.

Es heißt darin: „Dort erschien ihm der Engel des HERRN in einer Feuerflamme mitten aus dem Dornbusch.“ Aus dem Griechischen übersetzt bedeutet Engel so viel wie Bote oder Botschaft. Doch nur zwei Verse weiter ist es plötzlich nicht mehr der Engel, der spricht, sondern es heißt: „Gott [rief] ihm mitten aus dem Dornbusch zu: Mose, Mose!“ Wer könnte gleichzeitig Bote bzw. Botschaft des Herrn und Gott selbst sein, wenn nicht der Gottessohn Jesus Christus?

Der brennende Dornbusch und das Holz des Kreuzes

Ein paar weitere Aspekte scheinen in diese Richtung zu deuten. Der Dornbusch, den Mose sieht, brennt offenbar. Damit er brennen kann, muss er aus trockenem, totem Holz bestehen. In der Trostlosigkeit der Wüste ist das vermutlich nicht schwer zu finden. Aus irgendeinem Grund verbrennt der Busch aber nicht, sondern er besteht fort. Das erinnert an das Holz des Kreuzes. Es ist ebenso tot und trocken, ein Marterwerkzeug. Auch das Kreuz steht in der Trostlosigkeit an einer Stätte außerhalb der Stadt, wo nichts als Tod und Lebensleere zu finden sind. Dennoch vergeht auch dieses Holz nicht. Christus besiegt durch seine Auferstehung den Tod und das Kreuz ist bis heute ein Symbol für das Leben.

Horeb und Golgota: Orte der Gottesbegegnung

Gott fordert Mose auf: „Leg deine Schuhe ab; denn der Ort, wo du stehst, ist heiliger Boden.“ Es ist ein heiliger Ort, weil er Gott allein geweiht ist, und trägt daher den Namen Gottesberg, Horeb. Der Berg Horeb ist ein Ort der direkten Gottesbegegnung, wie sie Mose erlebt. Später wird das Volk Israel hier Teil und Zeuge des Bundes zwischen Gott und Menschen.
Auch in der Biografie Jesu gibt es einen Berg der direkten Gottesbegegnung: Auf Golgota gibt Christus sein Leben hin und erneuert darin, für alle sichtbar, den Bund Gottes mit den Menschen. Dort am Kreuz ist der Gottessohn überdeutlich anwesend. So wird Golgota zum neuen Gottesberg, zum neuen Horeb.

Gott gibt seine Zusage: Ich bin!

Was mich an der Bibelstelle vom brennenden Dornbusch am meisten beschäftigt, ist der Name Gottes, mit dem er sich zu erkennen gibt. Mose steht sozusagen als Stellvertreter des Volkes Israels vor Gott. Er tritt mit dem gesamten Leid seines Volkes in der Knechtschaft Ägyptens vor ihn und bringt Gott ebenso seine eigenen Unzulänglichkeiten, Ängste, ja vielleicht sogar seine Unlust dar: „Was aber, wenn sie mir nicht glauben und nicht auf mich hören? (…) Herr, ich bin keiner, der gut reden kann.“ Die Antwort gibt Gott mit seinem Namen: „Ich bin, der ich bin. (…) So sollst du zu den Israeliten sagen: Der Ich-bin hat mich zu euch gesandt.“

Gott antwortet mit der befreiendsten und beruhigendsten Antwort, die er geben kann: ICH BIN! Als ob er etwas Grundsätzliches klarstellen wollte: Ich bin, egal unter welchen Umständen. Auf mich ist Verlass, ich bin zuverlässig und beständig. Mein „Ich bin“ gilt immer! Das heißt: Ich bin da, ich war da und werde immer da sein. Ich bin alles und immer, kompromisslos. Welchen schöneren Namen gäbe es für diesen großen, barmherzigen, alles umarmenden und rettenden Gott!

Diakon im Messgewand mit Gebetsbuch
Jürgen Massinger bei seiner Weihe zum Diakon im Juli 2020. (Foto: Julian Schmidt/pba)

Sehnsucht nach der Tragkraft Gottes

Meine tiefe Sehnsucht ist es, diese Tragkraft Gottes mein ganzes Leben lang spüren zu dürfen und sie – so Gott will – einmal als Priester für andere Menschen erfahrbar machen zu können. Vielleicht ist die Zeugenschaft seiner Diener und aller, die an Gott glauben, heute der wichtigste Ort der Gottesbegegnung. Zu meiner Sehnsucht gehört der Wunsch, dass uns das gelingt.

Mit den geplanten Motiven auf meinem Primizgewand versuche ich, dem bildlichen Ausdruck zu verleihen: Auf der Hinterseite ist der brennende Dornbusch abgebildet, der mir den Rücken stärkt. Die Vorderseite zeigt den Himmelfahrtsheiland, auf den ich schaue. Die Motive symbolisieren den Zusammenhang von Altem und Neuem Testament sowie die zeitübergreifende und zeitunabhängige Zusage Gottes seiner Treue und Fürsorge an alle Menschen. Zwischen diesen Darstellungen, quasi von beiden Seiten eingespannt in das „Ich bin“ Gottes, befindet sich dann das Herz dessen, der das Gewand trägt.

Zeichnung von Jesus mit ausgebreiteten Armen
Entwurf für die Vorderseite des Primizgewandes. Vorlage ist die Christus-Figur in der Don-Bosco-Basilika Castelnuovo, Norditalien. (Zeichnung: Jürgen Massinger)