Thema · Gespräch mit Ökumenebeauftragtem Pfarrer Helmut Haug

Gemeinsam haben wir mehr Strahlkraft

Helmut Haug, Pfarrer der St. Moritz-Kirche und Leiter der City-Seelsorge Augsburg wurde 2020 zum Bischöflichen Beauftragten für Ökumene und interreligiösen Dialog ernannt. Innerhalb dieses Auftrages war zuletzt die Aktion „Vesperkirche” in Augsburg-Pfeerse ein prominentes und gelungenes Beispiel für die ökumenische Zusammenarbeit in Augsburg.  Eine ganz andere Kraft habe es, wenn verschiedene Kirchen zusammenstehen und gemeinsam bekennen oder sozial-karitativ handeln, sagt Pfarrer Helmut Haug im Gespräch mit Credo.

 

von Raphael Schadt · 28.03.2024

Pfarrer Helmut Haug (rechts) begrüßt Sozialreferent Martin Schenkelberg bei der Essensausgabe in der Vesperkirche. Bild: Irmgard Hoffmann.

Credo: Herr Pfarrer Haug, wie verstehen Sie Ökumene und wie beschreiben Sie Ihren Auftrag in der Ökumene hier im Bistum Augsburg?

Pfr. Haug: Kurz gesagt Networking und im Kontakt sein. Für mich war als neu Beauftragter so manches neu und überraschend. Man muss sich zuerst einmal kennenlernen und persönliche Kontakte pflegen. Theologisch gesprochen geht es darum, sich immer mehr bewusst zu werden, dass man tatsächlich dieser eine Leib Christi ist, um das Bild von Paulus zu verwenden. Die vielen Glieder an einem Leib, das dehne ich auf die Ökumene aus. 

Und schließlich geht es darum, die anderen Kirchen und Konfessionen im Blick zu haben, an die anderen denken, mit ihnen mitdenken. Wenn ich mich etwa zu einem Thema äußere, versuche ich, die anderen mit im Blick zu haben, sie mitzudenken mit ihren verschiedenen Haltungen und Auffassungen, Traditionen. 

Credo: Gibt es aktuell konkrete Aufgaben oder Projekte für Sie als bischöflicher Beauftragter?

Pfr. Haug: Hier in Augsburg bin ich schon länger im Vorstand der ACK, dem Arbeitskreis christlicher Kirchen, schon vor der Beauftragung durch Bischof Bertram. Seither kam Gremienarbeit in Bayern und auf Bundesebene hinzu. Das weitet den Horizont. Hier komme ich mit Kirchen und Gemeinschaften zusammenkommen, die in unserer Diözese gar nicht vorhanden sind. Aber selbst hier in der Diözese könnte ich noch gar nicht sagen, wen es alles gibt. Die ACK ist natürlich eine feste Größe. Wer da Mitglied ist, der gehört auf jeden Fall zu diesem weiten Kreis der Ökumene.

Credo: Zu welchen kirchlichen Gemeinschaften pflegen Sie konkret Kontakt? Zur evangelischen Kirche und zur orthodoxen, davon gehe ich aus. Wie sieht es mit Freikirchen oder „Außenseitern“ wie etwa Sieben-Tags-Adventisten aus?

Pfr. Haug: Die sind tatsächlich im ACK, schon länger sogar. Aber wer ganz neu dazugekommen ist, ist die Neuapostolische Kirche. Die hat in den letzten Jahren eine Wandlung durchgemacht: Ursprünglich eher skeptisch und zurückhaltend, jetzt aber sehr offen für die ökumenische Dimension. Gerade hier in Augsburg bei gemeinsamen Aktionen sind sie immer da, zuvorkommend und interessiert. Eine sehr schöne Entwicklung.

Bei den Freikirchen haben wir ein breites Spektrum an Gemeinschaften. Viele sind in der ACK: Mennoniten, Methodisten, verschiedene einzelne Freikirchen, die Vineyard Bewegung oder die Arche. Dann gibt es die Evangelische Allianz, ein Bund von Freikirchen, die nicht in der ACK vertreten sind, interessanterweise, mit denen wir aber auch seit einigen Jahren ganz guten Kontakt haben.

Was natürlich noch zu entdecken ist, ist die große Welt der Orthodoxie. Das hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Manche Orthodoxen sind schon lange in Augsburg, manche sind durch Einwanderung in den letzten Jahren neu dazugekommen. Etwa die griechisch katholischen Kirche durch Flüchtlinge aus der Ukraine. Da kommen dann Anfragen um Gottesdiensträumlichkeiten und es gehört zu meinen konkreten Aufgaben,  zu schauen, was wir zur Verfügung stellen können. Es ist bunt, vielfältig, spannend und schön.

Credo: Gibt es aktuell konkrete Ziele im ökumenischen Dialog? Theologische oder Praktische? Projekte wie zum Beispiel die Vesperkirche in Pfersee?

Pfr. Haug: Also theologisch, die Heimholung als Ziel der Ökumene – alle wieder katholisch unter dem Dach des römischen Papstes, wie es manche Katholiken früher verstanden haben – diese Zeiten sind vorbei. Das haben wir so nicht mehr im Blick.

Praktisch haben wir zum einen das gemeinsame Bekenntnis (martyria). Also zu bestimmten Fragen der Gesellschaft gemeinsam aufzutreten und eine gemeinsame Haltung zu bekunden. Das macht uns stark als Kirchen. Aber die Vesperkirche in Pfersee ist ein super Beispiel für die vielen Dinge, die wir im sozial karitativen Bereich (caritas) zusammen tun können. Für die Vesperkirche wurden wir als Katholiken angefragt, ob wir mitmachen. Die Idee ist schon einige Jahrzehnte alt und kommt aus dem Lutherischen, aus Stuttgart. Diese ökumenische Vesperkirchen-Aktion war jetzt in Bayern die Erste.

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Ein Beitrag von katholisch1.tv zur Vesperkirche.

Die Vesperkirche ist aber keine Armenspeisung im eigentlichen Sinne. Es ging mehr darum, möglichst große Teile der Stadtgesellschaft an einen Tisch zu kriegen. Nach dem täglichen gemeinsamen Essen gab es Programm: Vorträge, Musik, karitative Angebote für Menschen, die sich sonst einen Friseur, Fußpflege oder tierärztlichen Dienst nicht leisten können. Ich war beeindruckt, wie gut es geklappt hat und wie sich unterschiedlichste Leute begegnet sind: Leute von der FCA-Jugend oder vom Rotary Club beim Bedienen, Familien, psychisch belastete Menschen, Leute, die oft nicht ausreichend gesund essen können. Für mich war es ein großes Geschenk, dabei sein zu dürfen.

Ein Blick in den Kirchenraum von St. Paul während der Vesperkirche durchs Fisheye-Objektiv. Bild: Irmgard Hoffmann.

Meine Erfahrung ist: Wenn wir als Kirchen gemeinsam auftreten, werden wir anders wahrgenommen, das hat eine ganz andere Kraft nach außen. In unserer Gesellschaft, die in der Gefahr steht, auseinander zu driften, ist schon allein gemeinsam etwas zu unternehmen sehr wichtig. Und wo noch die alten Klischees vorherrschen, die verschiedenen Kirchen stünden sich feindlich gegenüber, sind solche ökumenischen Aktionen ein starkes Zeichen.

Credo: Der ökumenische bzw. interreligiöse Dialog ist ja mitunter mühsame und lange Vertrauensbildungsarbeit. Dieser sieht sich durch missionarisch aktive Gemeinschaften aber oft eher gestört. (Man denke etwa an die Diskussion in der EKD um Messianische Juden auf dem Evangelischen Kirchentag 2014.) Wie navigieren Sie zwischen dem Verkündigungsauftrag Christi und einem friedlichen und konstruktiven ökumenischen bzw. interreligiösen Miteinander?

Pfr. Haug: Das sind zwei Paar Stiefel. In der Ökumene würde ich nicht groß unterscheiden, weil da können Sie ja sagen, den Auftrag Christi, den haben ja alle gemeinsam. Der Verkündigungsauftrag heißt doch, dass ich durch mein Verhalten, Reden und Tun es anderen ermögliche, mit Christus in Kontakt zu kommen. Wenn sich Leute – wie in der Apostelgeschichte – wundern und sagen „Seht, wie sie miteinander umgehen oder wie sie einander lieben”.

Bischof Bertram hat hier eine klare Linie: Innerhalb der ACK ist es problemlos. Man kann sich gegenseitig besuchen, Gemeinsames tun. Außerhalb muss man vorsichtiger sein. Ohne deshalb jemanden zu verwerfen. Zu messianischen Juden habe ich noch keinen Kontakt gehabt, dazu kann ich wenig sagen.

Pfarrer Helmut Haug in der Moritzkirche in Ausgsburg. Bild: Nicolas Schnall

Der christlich-jüdische Dialog allerdings ist für mich sehr, sehr wichtig. Den sollte man auf keinen Fall trüben. Auf interreligiöser Ebene haben wir seit dem Terroranschlag der Hamas auf jüdische Gemeinden am 7. Oktober 2023 und dem darauf folgenden Angriff Israels auf den Gazastreifen große Probleme. Da haben sich leider schon Verwerfungen ergeben. Das ist eher ein Navigieren, den Kontakt zur jüdischen Gemeinde nicht zu verlieren. Man muss behutsam sein in dem, was man sagt und im Gespräch bleiben. Das ist im Moment die weitaus größere Herausforderung als die ökumenischen Fragen.

Credo: Da ist Klugheit gefragt.

Pfr. Haug: Natürlich! Hinzu kommt der jüdisch-islamische Dialog. Da sind wir Christen als Vermittler gefragt, dass auch dort der Faden nicht abreißt.

Credo: Vielen Dank für das Gespräch.

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