Thema · Barmherzigkeit

Ein Herz wie Kinder

Oft sind es die Kinder, die uns zeigen, was Barmherzigkeit heißt. Ein buntes Pflaster über den Fußwunden Jesu am Kreuz hat mich neulich wieder daran erinnert.

von Benjamin Beck · 09.07.2016

Gelbes Pflaster klebt über Fußwunden Jesu am Kreuz
Bild: Benjamin Beck

Es ist ein paar Wochen her, da wurde unsere Mesnerin von einer Frau angesprochen: Ob es in der Kirche auch ein „klassisches“ Kreuz gebe? Im weiteren Gespräch erfuhr sie, dass die etwa drei bis vier Jahre alte Tochter der Frau ein großes Anliegen hatte. Das Mädchen hatte erfahren, dass Jesus ein „großes Aua hat, wenn er für uns am Kreuz hängt“ und es wollte Jesus so gerne helfen. Also bat die Mesnerin die Mutter und das Kind in die Sakristei, und das Kind durfte zum Kreuz hinaufklettern. Dort klebte es auf die Fußwunden Jesu ein Pflaster. Das Pflaster am Kreuz in der Sakristei hängt heute noch.

Doch warum, so denken Sie vielleicht, erzähle ich Ihnen diese nette Geschichte, die uns vielleicht ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Dieses Kind macht uns vor, was Barmherzigkeit heißt, nämlich zu handeln, ohne an Konsequenzen oder Vorbehalte zu denken, ohne Angst, belächelt oder gar ausgelacht zu werden. Dieses Kind möchte helfen, ohne lange darüber nachzudenken, wie es auch schon der barmherzige Samariter im Gleichnis Jesu getan hat (Lk 10,25–37).

Glaubt und handelt wie die Kind

Nach dem Gleichnis gibt Jesus seinen Zuhörern den Auftrag: „Geh, und handle genauso!“ Und an anderer Stelle hören wir von Jesus, wie er seine Jünger zurechtweist: „Lasst die Kinder zu mir kommen … Denn Menschen wie ihnen gehört das Reich Gottes. Amen, das sage ich euch: Wer das Reich Gottes nicht so annimmt, wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen“ (Mk 10,14–15).

Das sind ganz klare und unumstößliche Aussagen von unserem Herrn Jesus Christus: Glaubt und handelt wie ein Kind! Damit meint er natürlich nicht, dass wir uns kindisch verhalten sollen. Nein, Jesus spricht deutlich davon, dass wir wie dieses Kind, das auf das Kreuz ein Pflaster klebt, um ein „Aua“ zu lindern, barmherzig handeln sollen.

Barmherzigkeit kommt aus dem Herzen, nicht aus dem Kopf

Handeln, wo man gebraucht wird; dort wo Hilfe notwendig ist; dann, wenn es Zeit ist! Und vor allem: ohne nachzudenken, ob nicht jemand anderes dies besser tun könnte; ohne zu überlegen, was andere dann von mir halten könnten; ohne lange Sitzungen, in denen Probleme nur ausgewalzt werden! Barmherzig handeln – nicht aus dem Kopf heraus, sondern aus dem Herzen. Ganz einfach. Wie ein Kind.

Denn „Auas“ gibt es viele, die unsere Barmherzigkeit erfordern: seien es Nöte von Flüchtlingen oder Asylbewerbern, Pflegebedürftigkeit von Demenzerkrankten, Hausaufgabenprobleme, geistige oder seelische Behinderung, Nachbarschaftsstreit, Alkoholprobleme, Drogensucht, Einsamkeit, Arbeitslosigkeit, Mobbing oder Mobilitätseinschränkung.
Wer das Reich Gottes nicht so annimmt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen.