„Wie ein Eisbär auf immer kleiner werdender Scholle“, so fühlt man sich heute als Katholik, sagt Tobias Haberl. Der SZ-Journalist hat dieses Jahr ein viel beachtetes Buch geschrieben, in dem er sich zum Christentum bekennt, Titel „Unter Heiden“. Ich kenne dieses Gefühl. Wenn man sich als junger Mensch sonntags in den Kirchenbänken so umschaut, fühlt man sich an den meisten Orten doch recht einsam.
In Deutschland ist die Zahl der Christen vor ein paar Jahren erstmals unter 50 Prozent gesunken. Der Trend der Entkirchlichung wird sich weiter fortsetzen, sind sich Experten einig. Man gerät nicht selten in Erklärungsnot, warum man eigentlich noch dabeibleibt – bei einem „Verein“, der in der Öffentlichkeit oft als frauenfeindlich, queerfeindlich, ja einfach komplett von gestern gilt und dazu noch den Missbrauchsskandal mit sich herumschleppt. Die eigentliche befreiende Botschaft von der Liebe ist überschattet.
Ein religiöses Bekenntnis ist heute nicht leicht
Doch wenn die Christen weniger werden – müssen wir uns wieder „unter Heiden“ bekennen, wie es im Römerbrief heißt? Damit sind die Menschen gemeint, die nicht an Jesus glauben oder noch nicht von ihm gehört haben. Es ist ein altes Motiv der Christenheit. Aber was heißt „bekennen“ hier eigentlich? „Seid bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die euch erfüllt“ steht im Petrusbrief (1 Petrus 3,15).
Dem Be-kennen geht dabei die Er-kenntnis voraus. Das verlangt viel von Christen, die manchmal vielleicht gar nicht recht in Worte fassen können, an was sie da glauben. Der Volksglaube war einst selbstverständlich. Heute muss man begründen, warum einem der Martinsumzug wichtig ist und ein „Lichterfest“ ihn nicht ersetzt. Manchen Menschen fehlen dafür die Vokabeln, anderen der Mut.
Die religiöse Sprachlosigkeit hängt wohl auch damit zusammen, dass, wer seinen Glauben in der Öffentlichkeit vertritt, heute nicht selten auf Widerstand stößt. Das, was die Bibel uns von Jesus erzählt, bleibt provozierend: Feindesliebe (Mt 5,44), Nachfolge statt Selbstverwirklichung (Mt 16,24), lebenslange Ehe (z.B. Mt 5,32) Kritik an Reichtum und Konsum (Mt 19,24; Lk 12,15), sexuelle Enthaltsamkeit (z. B. 1 Thes 4). Sich dafür zu rechtfertigen, das braucht Mut.
Es gibt schon einige Bekenner
Das Bedürfnis, sich zu Jesus zu „bekennen“ ist dabei so alt wie das Christentum. Ich muss an den Titel der vermutlich ersten Autobiografie denken, die berühmten „Confessiones“ des heiligen Augustinus, einem Bischof, der im vierten Jahrhundert gelebt hat. In diesem Buch beschreibt er, wie er (nach einem eher wilden Leben) Christ wurde und warum er darin sein Glück gefunden hat. Legendäres Zitat: „Unruhig ist unser Herz, bis es ruht in Dir.“
Bis heute wird dieses Buch gelesen. Diese und andere Bekehrungsgeschichten großer Heiliger tradieren sich über die Jahrhunderte: Ignatius wurde vom Ritter zum Christen, Franziskus vom reichen Kaufmannssohn zum radikal Armen und Maria Magdalena von der Sünderin zur ersten Zeugin der Auferstehung.
Müssen wir uns überhaupt bekennen?
Vorbilder wie diese können ermutigen, vom Glauben zu erzählen, weil sie zeigen, wie er Leben verändern kann. Jesus selbst hat seinen Freunden vor seiner Himmelfahrt den Auftrag gegeben, sich zu ihm zu bekennen und andere zu seinen Jüngern zu machen (Mt 28, 19-20: „Darum geht und macht alle Völker zu meinen Jüngern“). Sein Wahrheitsanspruch ist exklusiv: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich“ (Joh 14,6).
Das christliche Bekenntnis ist das Bekenntnis zu einer Person. Wer glaubt, dass dieser Jesus wirklich Gottes Sohn ist, wer mit ihm lebt, mit ihm im Gebet spricht, von seinen Taten und Worten in der Bibel liest und darin Ermutigung findet, der ist gerufen, dieses Glück nicht für sich zu behalten.
Mut ist gefragt – nicht Angst
Heute braucht es dafür besonders viel Mut. Unsere westliche Welt hat sich in Bezug auf den christlichen Glauben stark gedreht, sei es zum Beispiel in der Familie, in Schule, Universität oder Arbeitsplatz, in den Medien oder in der Politik. Ein christliches Bekenntnis – sei es das persönliche oder das einer Glaubensgemeinschaft – löst heute nicht selten bei einigen Menschen Ablehnung oder gar Hass aus. Wer die traditionelle Familie hochhält, Abtreibung bedenklich sieht oder bei Regenbogenflaggen den ein oder anderen kritischen Gedanken hat – der hat keinen leichten Stand.
Wir sollten uns von dieser Entwicklung nicht einschüchtern lassen. Denn wer erfahren hat, wie glücklich und frei ein Leben mit Jesus macht, der darf das auch anderen wünschen und soll sich dazu bekennen dürfen. „Wir können unmöglich schweigen über das, was wir gesehen und gehört haben“, heißt es in der Apostelgeschichte.
Unser Bekenntnis gibt anderen Menschen die Möglichkeit, sich für oder gegen den christlichen Glauben zu entscheiden. Zumindest haben sie dann einmal wieder von Jesus gehört – in einer Gesellschaft, die sich immer stärker entchristianisiert. „Du hast Worte ewigen Lebens“, sagt Petrus zu Jesus (Joh 6). Diese Worte trösten auch heute.