Vor Ort · Vom Hobby zum Unternehmen

Wagnis: Startup Biobrauerei

Vom gemeinsamen Genuss eines Bierchens über die ersten Brauversuche im Wohnzimmer bis zum eigenen Startup. Christopher und Jerome haben es gewagt und ihr Hobby zum Beruf gemacht. Auf dem Gelände ihrer kleinen Brauerei „Rotes Pony“ in Augsburg haben wir uns mit den beiden Unternehmensgründern über die Herausforderungen und Freuden dieses Wagnisses unterhalten.

von Anna-Chiara Naujoks · 11.07.2023

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Credo Talk on Tour auf dem Gelände der Brauerei „Rotes Pony“ in Augsburg.

Credo: War die Unternehmensgründung ein Wagnis für euch?

Jerome: Auf jeden Fall! Allerdings gab es nicht den einen Moment, an dem wir gesagt haben: Wir gründen jetzt ein Unternehmen. Wir sind eher reingeschlittert. Das Brauen fing in der Studentenwohnung als Hobby an. Wir haben uns am Wochenende getroffen, mit einer kleinen, selbst zusammengebauten Brauanlage gebraut und uns Rezepte angeeignet. Als Quereinsteiger und Autodidakten. Selbst als wir hier auf den Hof kamen und die Brauerei im Mai 2020 offiziell eröffnet haben, war es noch anderthalb Jahre ein Hobby.

Irgendwann merkten wir, wir stecken sehr viel Zeit rein, wir opfern viele Wochenenden, Urlaub, Zeit mit Freunden und privates Geld für dieses Unterfangen. Da haben wir realisiert: Okay, es ist kein Hobby mehr, jetzt ist es tatsächlich ein Unternehmen. Und spätestens jetzt, drei Jahre nach Eröffnung der Brauerei, sind wir ein Unternehmen und müssen es auch sein, sonst wären wir nicht überlebensfähig.

Christopher: Corona hat die Entwicklung zusätzlich in die Länge gezogen: Zwei Jahre ohne Veranstaltungen, Feste und wenig Geselligkeit – das hat die Unternehmensgründung erschwert.

Credo: Ist es die gemeinsame Liebe zum Bier, die euch hierher gebracht hat und durchhalten lässt?

Christopher: Die Liebe zum Bier ist das eine. Das andere ist, dass wir seit 18 Jahren, seit der Schulzeit und durch die Studienzeit hindurch befreundet sind. Dabei haben wir das gemeinsame Interesse am Bier entdeckt.

Jerome: Bier ist für uns nicht primär ein alkoholisches Getränk, mit dem man sich betrinkt, sondern ein Produkt, das man selber herstellen kann, in dem Fachwissen steckt, bei dem man experimentieren muss etc.. Durch die vielen Stellschrauben im Brauprozess, kann man das Endprodukt sehr vielfältig beeinflussen. Das hat uns von Anfang an fasziniert.

Wenn wir, wie vor wenigen Wochen, ein Brauereifest ausrichten und hier auf dem Hof drei-, vierhundert Leute bei schönem Wetter unser Getränk genießen, stiftet das Bier einen kleinen Beitrag dazu, dass Leute zusammenkommen und eine gute Zeit haben. Das macht Spaß und schafft auch eine gewisse Liebe zum Produkt, die sich nicht primär durch den Alkoholgehalt des Getränks definiert.

Credo: Wie sieht euer Alltag heute in der Brauerei aus?

Christopher: Montags und dienstags ist Produktionsvorbereitung. Dienstag, Mittwoch und Donnerstag wird produziert. Freitags ist meistens unseren Bierverkauf, hier über den Hofladen oder auch auf einer Veranstaltung. Zwischendurch sind natürlich auch Tätigkeiten dabei, bei denen wir sagen: dafür haben wir das Ganze nicht angefangen. Aber das gehört dazu, um den Betrieb am Laufen zu halten.

Jerome: Wir haben erst einmal viel Zeit gebraucht, um überhaupt einen Alltag zu definieren. Wenn man über ein Hobby einsteigt und das Ganze nicht gelernt hat, muss man sich diesen Alltag, ganz simple Sachen, erst einmal beibringen: Wie starte ich den Tag in der Brauerei? Was sind Prioritäten? Wie sorge ich dafür, dass Bier in die Flasche kommt, das Ganze etikettiert wird, es verkauft wird?

Dann die ganze Abwicklung dahinter, die wir anfangs massiv unterschätzt haben: Vertriebspartner aufbauen, Lieferungen machen, Rechnungen schreiben. Verwaltung, Marke, Webseite, Bestellmanagement und all diese Bürotätigkeiten, die inzwischen ebenso viel Zeit einnehmen wie die Produktion.

Credo: Bildet die Brauerei aktuell eure wirtschaftliche Existenz oder läuft sie noch eher unter Hobby?

Jerome: Wenn man die reinen Zahlen betrachtet, trägt die Brauerei sich nicht. Das heißt, mit Einnahmen und Ausgaben haben wir noch keine Balance und die müssen wir irgendwann bekommen, damit wir das Unternehmen nachhaltig betreiben können. Da kämpfen wir gerade drum.

Credo: Apropos nachhaltig: Warum ist es euch wichtig, dass ihr biozertifiziert und regional produziert?

Christopher: Ich habe an der katholisch-theologischen Fakultät in Augsburg Umweltethik studiert, ein interdisziplinärer Studiengang, bei dem die Bewahrung der Schöpfung immer ein großes Thema war. Das hat mich geprägt. Das habe ich auch ins Unternehmensleitbild einfließen lassen.

Jerome: Wir haben von Anfang an gesagt, wenn wir das Ganze größer und professioneller machen, dann unter der Voraussetzung, dass die Rohstoffe, die wir dafür beziehen, aus ökologischem Anbau und – wichtig – aus der Region kommen. Biozertifizierte Rohstoffe kann ich aus der ganzen Welt einkaufen. Aber bei langen Transportwegen ist die Frage, ob das in der Gesamtrechnung Sinn macht. Deswegen wird ein Teil unserer Braugerste hier, wenige 100 Meter von der Brauerei entfernt, angebaut.

Credo: Würdet ihr den Weg als Unternehmer so wieder gehen?

Jerome: Ja – allerdings mit etwas mehr Planung. Wir haben unglaublich viele Fehler gemacht. Aber das gehört zum Wagnis der Unternehmensgründung und dabei lernt man auch viel. Vieles würden wir jetzt anders machen. Ein Beispiel: Wir haben von Anfang an zwei verschiedene Flaschenformate gehabt: 0,3-Liter-Flaschen und 0,5-Liter-Flaschen für das Weißbier – damit das Weißbierglas daheim nicht halb leer bleibt.

Aber gerade hier sollten kleine Unternehmen versuchen, die Dinge möglichst simpel zu halten. Zwei verschiedene Flaschengrößen bedeutet einen deutlichen Mehraufwand bei der Abfüllung und der Etikettierung, weil ich die Maschinen jedes mal neu einstellen muss. Wenn wir es nochmals planen würden, würden wir ganz simpel bei einem Flaschentyp bleiben. Und das war jetzt nur ein Beispiel. Und wir werden sicher auch weiterhin Fehler machen. Man muss nur schauen, dass man aus den Fehlern lernt.

Credo: Habt ihr das Gefühl, es mit der Unternehmensgründung geschafft zu haben oder ist noch ein Rest Unsicherheit da?

Christopher: Als Selbständiger hat man und sollte man wahrscheinlich auch immer eine gewisse Unsicherheit haben. Es zwingt einen, Entscheidungen und Handlungen zu hinterfragen.

Credo: Vielen Dank für das Gespräch und eure Offenheit.

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