Thema · Interview mit Pfarrer Lerch auf dem Adoratio-Kongress 2025

„Wir müssen unseren Glauben wieder viel selbstbewusster leben!“

Wie kann die katholische Kirche in Deutschland der zunehmenden Entfremdung vom Glauben mit Strahlkraft und Geschlossenheit begegnen? Daniel Lerch ist seit fünf Jahren Pfarrer der Pfarreien „St. Peter” und „Heilig Geist” in München. Im Credo-Interview auf dem Adoratio-Kongress in Altötting erklärte er, warum die Kirche seiner Meinung nach vor allem eine neue Form von Katholizität braucht, um mit ihrem Bekenntnis wieder relevant für die Gesellschaft zu sein.

von Samuel Bittner · 22.10.2025

Pfarrer Daniel Lerch als Sprecher beim Adoratio-Kongress 2025. Foto: Adrian Rodriguez.

Credo: Pfarrer Lerch. Ist die Freude, die man bei den Teilnehmern des Adoratio-Kongresses spüren kann, die Freude, im gemeinsamen Bekenntnis vereint Gott anzubeten?

Pfarrer Lerch: Es ist wirklich eine unglaubliche Freude, die man bei den Menschen spürt, die hier nach Altötting gekommen sind. Im Prinzip sind es Gläubige, die oft in kleineren Pfarreien etwas auf verlorenem Posten stehen und nicht immer Unterstützung erhalten, wenn sie eine Anbetung starten wollen.

Und dann kommen sie nach Altötting und erleben hier plötzlich eine Woge der Solidarität, die sich in einem gemeinsamen Mindset, einem gemeinsamen Verständnis und einer gemeinsamen Sehnsucht ausdrückt. Das Bekenntnis der anderen steckt einen selbst an und stärkt wiederum das eigene Bekenntnis.

Credo: Im Zentrum des Kongresses steht die eucharistische Anbetung. Wenn man betet, dann bekennt man sich auch zu etwas. Zu was?

Lerch: Zunächst einmal gibt es einen großen Tag im Kirchenjahr, an dem wir durch unsere Anbetung ein öffentliches Bekenntnis abgeben: das Fronleichnamsfest. Ich denke jedoch, dass derjenige, der zur Anbetung kommt, nicht unbedingt das Bekenntnishafte an erster Stelle setzen würde, sondern zunächst einmal einfach dem Herrn begegnen will. Er will bei Jesus sein.

In München haben wir zwei zentrale Kirchen, die viele Touristen besuchen. Wenn ich dann beispielsweise vor dem Tabernakel eine Kniebeuge mache, setze ich damit auch ein sichtbares Zeichen für meinen Glauben. Das hat dann schon auch einen Bekenntnischarakter.

Credo: In einer ihrer Pfarreien wird auch regelmäßig die Alte Messe gefeiert. Gleichzeitig waren Sie auch schon geistlicher Begleiter des BDKJ in München. Das sind zwei Bereiche, die im kirchlichen Leben oft nur schwer zusammenkommen. Was ist da Ihr Ansatz?

Lerch: In unserer Pfarrei St. Peter in München haben wir das Glück, dass wir drei Priester der Petrusbruderschaft haben. In einer unserer Nebenkirchen bieten sie die Liturgie in der außerordentlichen Form an. Ich teile Ihre Einschätzung, dass es unterschiedliche Schwerpunktsetzungen innerhalb der Kirche gibt. Die katholische Kirche ist sehr vielfältig. Es gibt eher liberal gesinnte Katholiken und eher sehr traditionell gesinnte Katholiken. Und dann gibt es auch charismatisch gesinnte Katholiken.

Die katholische Kirche muss diese Bandbreite aushalten. Das ist ja gerade das Allumfassende, das uns auszeichnet. Wenn wir zu klein denken und uns nur in unserer eigenen kleinen Blase bewegen, ist das nicht katholisch. Ich muss nicht in allem meine Heimat finden, aber ich sollte in vielem auch etwas Wertvolles sehen können.

Credo: Die Kirche in Deutschland ist gespalten und teilt gewissermaßen nicht mehr das gleiche Bekenntnis. Das wurde beim Synodalen Weg deutlich. Wie können wir der Polarisierung entgegenwirken?

Lerch: Für mich ist Papst Leo XIV. in dieser Hinsicht sehr inspirierend. Wie er die ersten Monate seines Pontifikats angegangen ist, könnte auch für uns in Deutschland ein Weg sein. Er ist ja jemand, der sehr gut zuhören kann. Papst Leo hat kürzlich in einem Interview angemerkt, dass wir mit diesen verschärften Polarisierungen aufhören müssen.

Wir brauchen eine ganz neue Kultur des Zuhörens und auch eine ganz neue Kultur des Streitens und des Dialogs. Das hat auch der synodale Weg in Deutschland gezeigt, der letztlich nur zu einer weiteren Polarisierung beigetragen hat. Wenn wir uns da an den Papst halten und wieder mehr zuhören und weniger reden, dann kommen wir in die richtige Spur.

Pfarrer Lerch vor der Gnadenkapelle in Altötting. Foto: Credo.

Credo: Was ist Ihre Vision wie wir als katholische Kirche in Deutschland den Glauben einer immer säkulareren Gesellschaft näherbringen können?

Lerch: Ich denke, wir müssen unseren Glauben wieder viel selbstbewusster praktizieren und leben. In den letzten Jahren habe ich beobachtet, dass Menschen nicht über unsere niederschwelligen Angebote oder die Alpha-Kurse zu uns gefunden haben, sondern durch die mystische Atmosphäre unserer Liturgie neu für den katholischen Glauben begeistert wurden. Ich glaube, wir müssen die Liturgie wieder sehr viel ernster nehmen. Sie ist ein großer Schatz, ein großes Geschenk und kann Menschen wirklich zu Gott führen. Deswegen müssen wir einen hohen ästhetischen Anspruch entwickeln.

In meiner Gemeinde pflegen wir das wirklich sehr intensiv mit viel Weihrauch, vielen Ministranten und schönen Gewändern. Wir müssen das Feinste bieten, damit die in unserer Zeit medial überflutete Seele des Menschen durch ein Erlebnis der realen Herrlichkeit des Himmels emporgehoben wird. Wenn wir ganz klar und selbstverständlich katholisch das leben was wir sind, dann wird das Menschen zum Fragen bringen und sie zu Gott führen.

Credo: Vielen Dank für das Interview!