Thema · Best Friends Forever?

Warum Freundschaft im Kloster anders ist

„Seid ihr Freunde?“, fragte vor Kurzem ein Schulkind in den USA eine Dominikanerin, die lachend und quatschend mit ihren Mitschwestern spazieren ging. Für das Kind war das wohl ein naheliegender Schluss: Die Schwestern wohnen und arbeiten nicht nur zusammen, sondern verbringen auch ihre Freizeit gemeinsam, haben miteinander Spaß, ja, kleiden sich sogar identisch. Und versprechen die nicht auch irgendwas für alle Ewigkeit? Also „best friends forever“ im wahrsten Sinne des Wortes?

von Schwester Mechthild Steiner · 27.04.2021

Zwei junge Dominikanerinnen in weißer Ordenstracht im Garten mit roten Tulpen
Sr. Mechthild (links) mit ihrer Mitschwester Magdalena vor dem Dominikanerinnenkloster Wettenhausen. Foto: Hubert Hafner

Ganz so ist es nicht. Ich habe mir keine meiner Mitschwestern ausgesucht und wären wir uns in der „normalen Welt“ begegnet, so wäre wohl kaum eine Freundschaft zwischen uns entstanden. Dafür sind wir eigentlich viel zu verschieden vom Charakter, vom Alter und von den Interessen her. Und doch ist die Freundschaft der Grund, warum ich und jede meiner Mitschwestern im Kloster sind, warum wir zusammen leben, beten, arbeiten, ausspannen und füreinander da sind. Aber nicht die Freundschaft untereinander, sondern die jeweils persönliche Freundschaft mit Jesus ist der Grund. Weil Jesus mein Freund ist – ja, mehr als irgendein Freund, mein Bräutigam – und er mich dazu ruft, mich ihm ganz hinzugeben, bin ich Ordensfrau. Und genau aus demselben Grund ist jede meiner Mitschwestern im Kloster. Die Freundschaft mit Jesus ist das, was uns verbindet und zu Freunden werden lässt.

„Eigentlich bin ich eine ziemlich schlechte Freundin“

Die Freundschaft mit Jesus ist also das Gegenteil von einer exklusiven oder besitzergreifenden Beziehung. Sie ist die wichtigste Freundschaft in meinem Leben und gerade dadurch, dass ich mich ihm in dieser Freundschaft ganz hingebe, werde ich fähig zur Freundschaft mit anderen Menschen. Ich bin nämlich eigentlich eine ziemlich schlechte Freundin: Es fällt mir schwer, auf andere zuzugehen und mich mit ihnen anzufreunden. Noch schwerer fällt es mir, ausdauernd Beziehungen zu pflegen und in Kontakt zu bleiben. Und ich finde es schwer, den anderen als anderen anzunehmen und zu lieben und – noch schlimmer – womöglich auch mal kritisieren zu müssen.

Jesus hebt Freundschaften in eine neue Dimension

Aber weil Jesus mich annimmt und liebt, weil er mich auch mal ermahnt und mir wieder vergibt, kann ich anderen Freundin sein. Weil Jesus mir so ein treuer Freund ist, darf ich immer wieder versuchen, meine Freundschaften zu pflegen. Und dass Jesus von sich aus mit mir befreundet sein will und auf mich zugeht, ermutigt mich, ebenfalls auf fremde Menschen zuzugehen und ihnen Freundin zu werden.

Dabei merke ich immer wieder, wie alle meine Freundschaften – innerhalb und außerhalb des Ordens – an Tiefe und Bestand gewinnen, wenn die Freundschaft zu Jesus die Grundlage für unsere menschliche Freundschaft ist. Die Freundschaft mit Jesus bereichert jede Freundschaft, hebt sie in eine neue Dimension, weil Jesus quasi das Urbild von Freundschaft ist. Seine Freundschaft ist nicht billig oder bequem, sondern echt.

Christliche Freunde beim Eisessen im Sommer
Sr. Mechthild (links) mit Mitbruder Justinus (vorne Mitte) und Sr. Magdalena (vorne rechts, vor ihrer Einkleidung) sowie Teilnehmern des Gebetskreises „Einfach gemeinsam beten“ bei einem Ausflug. Foto: privat

In zwei Schritten zur erfüllten und tiefen Freundschaft

Wenn man lernen will, was Freundschaft ist und wie man Freund sein kann, gibt es keinen besseren Lehrmeister als Jesus. Der erste Schritt zu erfüllter und tiefer Freundschaft ist es, selbst zum Freund Jesu zu werden, Zeit mit ihm zu verbringen, im Gebet mit ihm zu sprechen und auf ihn zu hören, in der Bibel zu lesen und mit ihm vertraut zu werden. So kann diese Freundschaft mit Jesus durch alle Höhen und Tiefen hindurch zum tragfähigen Grund für alle anderen Beziehungen werden.

Und dann gilt es im zweiten Schritt von Jesus zu lernen, wie er Freund ist und Freundschaften lebt. Da kann vor allem der Blick auf seine Freundschaft zu den Jüngern im Neuen Testament, aber auch seine Freundschaften zu Heiligen und zu heutigen Christen inspirierend sein. Jesus lebt uns vor, dass Freundesliebe bedeutet, sein Leben für seine Freunde hinzugeben. Dieses „Sich-selbst-hingeben-für-den-anderen“ ist der Inhalt echter Freundschaft. Der Freund will nicht alles für sich haben, sondern gibt alles für den anderen. Echte Freundschaft sagt „dein“ statt „mein“.

Die Freundschaft mit Jesus ist das Wichtigste

Solch ein echter, aber auch herausfordernder Freund möchte Jesus einem jedem Menschen sein. Und auch ich darf von Jesus lernen und meinen Mitmenschen zur Freundin werden. Dabei sind meine Mitschwestern – wenn man so sagen darf – ein ausgezeichnetes Trainingsfeld. Gerade weil ich sie mir nicht ausgesucht habe und unsere Freundschaft nicht in erster Linie auf menschlicher Sympathie beruht, müssen das Jesus-mäßige Freundschaften sein.

Klar gibt es auch bei Ordenschristen besondere Freundschaften, wo beides zusammenkommt: menschliche Sympathie und Jesus-mäßiges „anders-und-doch-eins-Sein“. Um das rechte Maß für eine solch intensive Freundschaft zu finden, hilft mir die Frage: Führt diese Freundschaft dazu, dass meine Beziehung zu Jesus tiefer wird, oder schiebt sich diese Freundschaft zwischen Jesus und mich? Denn die Freundschaft mit Jesus ist das Wichtigste und soll es auch immer bleiben.