Thema · Freundschaftstypen

Freundschaften in der Bibel: Welcher Freund­schafts­typ bist du?

„Vier Arten von Freunden, die du definitiv in deinem Leben haben solltest“ oder „Sieben Freundestypen, die jeder kennt“ – das Netz ist voll von Ratgebern und Freundschaftstests, die Freunde zu typisieren versuchen. Viele der Listen ähneln sich. Warum also noch ein Text dazu? Weil uns die Freundschaften in der Bibel besonders zum Nachdenken anregen können.

von Jonathan Huber · 12.05.2021

Spielfiguren auf einer Bibel
Freundschaften in der Bibel. Welcher Freundschaftstyp findet sich in deinem Leben wieder? Foto: Jonathan Huber

Die Bibel erzählt von sehr unterschiedlichen Freundschaften. In der einen oder anderen kann man sich vielleicht selbst entdecken. Wir haben gemeinsam mit Bibelreferentin Simona Kiechle fünf Bibel-Freundschaftstypen ausgewählt. Welcher davon findet sich in deinem Leben wieder?

No. 1
Der Freund, der alles für einen tun würde

Es gibt Freunde, von denen man weiß: Man kann sie immer anrufen, wenn es einem schlecht geht, egal zu welcher Uhrzeit. Sie würden sprichwörtlich Himmel und Erde in Bewegung setzen, um einem zu helfen.

Solche Freunde hat der Gelähmte im Lukasevangelium, den Jesus heilt. Als seine Freunde hören, dass jemand in der Stadt ist, der Kranke heilt, sehen sie die große Chance für ihn. Weil der Weg zu Jesus versperrt ist, decken sie das Dach ab und lassen ihren gelähmten Freund herunter. Dieser Einsatz beeindruckt Jesus: „Als er ihren Glauben sah, sagte er: Mensch, deine Sünden sind dir vergeben. […] Steh auf, nimm dein Bett und geh in dein Haus! Und sogleich stand er vor ihren Augen auf, nahm das Bett, auf dem er gelegen hatte, und ging Gott preisend in sein Haus“ (Lk 5,20-25).

No. 2
Die Freundin mit dem gleichen Schicksal

Der Mensch sehnt sich nach Gemeinschaft – in Raum und Zeit, aber auch im Wissen um eine geteilte Situation, Herausforderung oder Freude. Bei Freunden, die unser Schicksal teilen, können wir uns emotional absichern. Wir können Rat einholen und eigene Erfahrungen weitergeben.

Rut und Noomi verbindet eine solche Freundschaft. Noomi hat ihren Mann und beide Söhne verloren. Sie ermutigt daraufhin ihre Schwiegertöchter Orpa und Rut, in ihre Elternhäuser zurückzukehren. Orpa geht, doch Rut bleibt bei ihr. Durch das gemeinsame Schicksal entsteht eine starke Verbindung zwischen den beiden Witwen, die in Ruts Treuebekenntnis gipfelt: „Wohin du gehst, dahin gehe auch ich, und wo du bleibst, da bleibe auch ich“ (Rut 1,16).

Im neuen Testament bilden ebenfalls zwei Frauen eine Schicksalsgemeinschaft. Maria und Elisabet erwarten beide überraschend ein Kind. Die eine ist sehr jung, die andere eigentlich zu alt für eine Schwangerschaft. Die Frauen sind sich in dieser Situation Beistand und Bestätigung, teilen aber insbesondere auch die gemeinsame Vorfreude (Lk 1,39-56).

No. 3
Der Freund, der nicht wirklich weiterhilft

Ijob erlebt in kurzer Zeit mehrere schwere Schicksalsschläge. Er verliert seinen Besitz, sein Vieh und seine Kinder. Außerdem wird er schwer krank. Als seine Freunde davon hören, kommen sie, um ihn zu trösten. Anfangs sitzen sie einfach bei ihm. Später versuchen sie, gemeinsam herauszufinden, was die Ursache für Ijobs Unglück ist. Allmählich schlägt der Beistand der Freunde in einen Vorwurf um. Für sein Schicksal müsse Ijob selbst verantwortlich sein: „Bedenk doch! Wer geht ohne Schuld zugrunde?“ (Ijob 4,7)

Ijobs Freunde sind ehrlich besorgt um sein Wohlergehen. Doch am Ende sind sie keine große Hilfe. Vielmehr dient ihr Rat wohl der Selbstbestätigung, alles richtig zu machen.

Aquarell einer Gruppe von Freunden
Illustration: © Dasha Yurk – stock.adobe.com

No. 4
Der Freund, den die Eltern nicht mögen

Nicht selten sind Freunde von Teenagern der Gegenpol zum Elternhaus. Mit ihnen können sie über andere Themen sprechen, andere Musik hören oder andere Klamotten tragen. Durch die gemeinsamen ersten Schritte in die Selbstständigkeit können sich langjährige, tiefe Freundschaften entwickeln.

Als David an den Hof von König Saul kommt, entsteht zwischen ihm und Sauls Sohn Jonatan eine enge Freundschaft. Aber Jonatan gerät zwischen die Fronten: Saul sieht in David einen Rivalen und will ihn schließlich sogar umbringen, was Jonatan vereitelt (1. Sam 20,1-42). Die Geschichte zeigt in alttestamentlicher Dramatik, wie sich trotz elterlicher Skepsis eine innige Freundschaft entwickeln kann.

No. 5
Die Freundin, mit der man ein besonderes Erlebnis teilt

Gemeinsame Erlebnisse sind für jede Freundschaft wichtig. Sie schweißen zusammen, liefern Gesprächsthemen und machen Lust auf neue Abenteuer. Doch manche Freundschaften sind besonders stark von einem speziellen Ereignis geprägt. Das kann eine außergewöhnlich schöne, eindrucksvolle oder dramatische Situation sein, die einen verbindet. Und das Erlebte lässt sich nicht ohne Weiteres mit Personen außerhalb der Freundesgruppe teilen: Man muss dabei gewesen sein.

Als Jesus in Galiläa umherzieht, folgen ihm viele Menschen. Darunter ist von Anfang an eine Gruppe von Frauen um Maria Magdalena. Die Verurteilung und der Tod Jesu sind für diese Frauen eine unvorstellbare Katastrophe. Am Ostermorgen folgt der nächste Schock: Sie finden ein leeres Grab vor und ein Engel verkündet die Auferstehung Jesu. Statt diese Botschaft weiterzugeben, „sagten [sie] niemandem etwas davon“ (Mk 16,8). Die frühen Fassungen des Markusevangeliums enden an dieser Stelle. Erst später wird ergänzt, dass Maria aus Magdala die Apostel informiert (Mk 16,10). Wir können jedoch davon ausgehen: Dieses besondere Erlebnis wird die Freundinnen bis an ihr Lebensende eng verbunden haben.

 

Die Auswahl, Kontextualisierung und Interpretation der Freundschaften in der Bibel erfolgte in Zusammenarbeit mit Simona Kiechle, Diplomtheologin und Bibelreferentin im Bistum Augsburg.

Porträt von Simona Kiechle
Bibelreferentin Simona Kiechle. Foto: Gabi Haid