Vor Ort · Neue Fröhlichkeit finden bei Schicksalsschlag

Was sind 80 Jahre im Vergleich zur Ewigkeit?

Der Moment, vor dem sich wahrscheinlich alle Menschen fürchten: Du erhältst die Nachricht, dass einem geliebten Menschen etwas zugestoßen ist – ein Unfall, eine Krankheitsdiagnose oder gar der Tod. Es sind die Momente, in denen die Zeit stillsteht und sich von einem Moment auf den anderen das Leben verändert.

von Lucia E. · 14.04.2022

Wie kann man Hoffnung bewahren, wenn unheilbare Krankheiten diagnostiziert werden?
Wie kann man Hoffnung bewahren, wenn unheilbare Krankheiten diagnostiziert werden? Bild: megaflopp-stock.adobe.com

Diesen Moment habe ich erlebt, als ich die Nachricht bekam, dass bei einem mir sehr nahestehenden Menschen, ich nenne sie hier Eva, eine unheilbare Krankheit festgestellt wurde. Die Medizin kann den Krankheitsverlauf nur herauszögern. An diesem Tag wurde mein Leben erschüttert wie nie zuvor. Schmerzlich wurde mir klar: Die Zeit mit ihr ist begrenzt.

Je mehr ich Prognosen zu dieser Krankheit googelte, desto hoffnungsloser wurde ich. Es folgte eine Zeit von Trauer, Leid und Resignation. Aber Folgendes gab mir damals und gibt mir bis heute Kraft:

Gebet

Das Gebet hat mir am meisten geholfen. Zu Beginn bestanden meine Gebete vor allem aus Weinen und Klage. Das waren die Momente, in denen ich am meisten spürte, dass ich Gott mein Herz ausschütten kann und dass ich ihn brauche. Unter Tränen versuchte ich, ehrlich zu beten: „Jesus, ich vertraue dir. Ich weiß und ich glaube, dass du gut bist. Ich glaube, dass du Wunder wirken kannst. Dein Wille geschehe.“

Besonders viel Frieden gab mir das Rosenkranzgebet und dabei auch das Wissen, dass Gott nicht fern ist, dass er selbst sogar freiwillig einen grausamen Tod starb. Und dass seine Mutter erdulden musste, ihren Sohn so ermordet zu sehen. Gott fühlt mit mir.

Perspektivenwechsel

Es ist naheliegend und legitim, Gott nach dem „Warum?“ zu fragen. Rückblickend kann ich aber sagen, dass ich mich mitunter viel selbst bemitleidet habe. Durch das Gebet hat sich jedoch meine Perspektive verändert: Weg von der Frage „Gott, warum muss mir das passieren?“ und hin zu „Gott, wie kann ich aus der Situation das Beste machen und dir dabei näherkommen? Was möchtest du mir damit sagen?“ Für mich war es hilfreich, mich mit dem Leid anderer zu beschäftigen, die auch Krankheit, Tod und Trauer erleben. Ich wünsche es keinem, aber der Gedanke, im Schmerz nicht allein zu sein, tröstet.

Ich durfte Vieles über mich und Gott lernen. Zum ersten Mal seit langer Zeit wurde ich ernsthaft mit der Frage konfrontiert, ob ich Gott vertraue. Glaube ich an Wunder? Kann Gott Eva heilen? Worauf hoffe ich? Im Letzten hoffe ich auf ein ewiges Leben bei Gott, wo kein Leid mehr existiert. Aus dieser Perspektive verliert ziemlich Vieles an Relevanz.

Geistliche Begleitung

Mein geistlicher Begleiter half mir zu erkennen, dass mein Glück nicht von anderen abhängt. Menschen können mich enttäuschen oder sterben. Hinge mein Glück von ihnen ab, würde meine Welt zusammenbrechen wie das Haus, das auf Sand gebaut ist. Die einzige Person, die mich auf der Erde niemals verlassen kann und von der gleichzeitig mein ewiges Leben abhängt, ist Gott. Wie wichtig ist es dann, meine Beziehung zu ihm zu pflegen und mein Leben auf ihn auszurichten.

Dies bedeutet, dass ich mein eigenes Leben leben muss. Das ist nicht egoistisch. Dazu gehört auch, dass es in Ordnung ist, wenn es mir gerade gut geht, obwohl es einem mir geliebten Menschen nicht so gut geht. Ich darf das Essen genießen, ich darf lachen, ich darf in den Urlaub gehen.

Gemeinschaft

Es half einfach unglaublich, Menschen zu haben, die für mich da waren, mir zuhörten, mich in den Arm nahmen und mich trösteten. Ich spürte, dass mir ihr Gebet Kraft gab. Ihnen verdanke ich, dass ich bald wieder Hoffnung schöpfen konnte. Natürlich fragten sie, wie es Eva geht, aber sie fragten mich auch, wie es mir geht und zeigten mir so, dass ich ihnen wichtig bin.

Ausgleich

Die Zeit, in der es mir am schlechtesten ging, war gleichzeitig die, in der ich besonders kreativ war und vieles z. B. durch das Schreiben von Gedichten wie Meines Herzens Schrei verarbeiten konnte. Der Schmerz setzte diese Kreativität besonders frei und machte sie verfügbar. Und im Schreiben fand ich einen Ausgleich.

Entscheidung: Ich darf mich (wieder) freuen

Am Ende merkte ich, dass es auch eine Entscheidung ist, wieder aus dem Loch herauszukommen. Ich hatte mehrere Wochen getrauert, was auch gut war, aber ich hatte die Wahl: Will ich weiter trauern oder zuversichtlich Gott die Zukunft in die Hand legen und mich wieder am Leben freuen? Ich bin froh, mich für Letzteres entschieden zu haben.

Was nützt es mir, jeden Tag mit der Angst vor dem Tod eines geliebten Menschen zu leben und gedanklich schon an dessen Grab zu stehen, wenn er gerade neben mir steht? Besser die wertvolle Zeit genießen. Nichts war wie davor, aber schließlich kam wieder Leichtigkeit in mein Leben.

Diese Schritte waren ein monatelanger Prozess. Es war Gnade, dass Gott mich durch diese Zeit getragen hat. Ich glaube an Wunder. Ich entschied mich für Freude am Leben. Ich lernte, Gott mehr zu vertrauen. Das alles war nichts, was ich selbst produziert hätte. Auch für mein Umfeld kann ich Gott nur danken. Mein Zutun bestand darin, mit Gott in meinem Leid in Beziehung zu treten.

Vertrauen auf Gott

Ringe ich immer noch mit dem Thema? Ja, denn Eva ist immer noch krank und ich weiß nicht, was morgen sein wird. Auch beim Schreiben dieses Artikels werde ich wieder mit dieser harten Wahrheit konfrontiert. Ich kenne die Zukunft nicht und weiß nicht, wann der letzte Abschied sein wird.

Wird mich die nächste Nachricht dieser Art wieder aus der Bahn werfen? Ja, sicher. Aber ich vertraue darauf, dass Gottes unendliche Weisheit besser entscheiden kann, was gut ist. Ich vertraue darauf, dass er mich nie verlässt und dass er mir die Kraft geben wird, alles durchzustehen. Ich vertraue darauf, dass der Himmel unsere wahre Heimat ist, denn: Was sind 80 Jahre auf der Erde im Vergleich zur Ewigkeit?