Vor Ort · Berufungszeugnis

Umorientierung: Dein Wille geschehe

Kristian Kempfle, Priesterseminarist in Augsburg aus Offingen bei Günzburg, war Großhandelskaufmann für Heizungsbaubedarf. Mit 30 Jahren packt ihn eine Sehnsucht und er begibt sich auf einen geistlichen Weg, der ihn aktuell ins Priesterseminar geführt hat. Wir wollten wissen, was dabei seine Orientierungspunkte waren.

von Raphael Schadt · 09.12.2022

Portrait Kristian Kempfle
Kristian Kempfle auf der Piazza Navona mit dem Vierströmebrunnen. Bild: privat.

Credo: Kristian, war dir der Glaube in die Wiege gelegt?

Kristian: In meiner Familie sind alle katholisch. Schon in der frühen Kindheit haben meine Eltern mit mir gebetet. Besonders haben mich auch meine Großeltern geprägt. Mein Opa hat z.B. bei der Gartenarbeit oft den Rosenkranz gebetet. Meine Oma hat auch viel für mich gebetet, zum Beispiel vor Prüfungen oder generell für meinen Weg – oft mit dem Rosenkranz. In meiner Familie habe ich also gläubige Menschen erlebt und über diese Beziehungen bin ich sehr dankbar.

Credo: Wann kam bei dir der Wunsch, Priester zu werden?

Kristian: So deutlich hat es sich nicht abgezeichnet. Als ich 18 war, wollte ich eine Freundin bzw. Frau und Familie. Darin habe ich mich gesehen. Das hat sich aber nicht ergeben. Einige Jahre später kam in mir die Frage nach einem Mehr im Glauben auf. Mehr als die sonntäglichen Messe, die ich als langjähriger Ministrant gut kannte, und das sich orientieren an den Geboten. Ich fing an zu suchen und merkte: Da geht noch deutlich mehr. 

Credo: Wann kam diese Sehnsucht nach Vertiefung?

Kristian: Etwa vor fünf Jahren, mit circa 30. Da hatte ich schon über 10 Jahre gearbeitet. Initialzündung war ein Angebot von Exerzitien im Alltag. Dort lernte ich einen Mann kennen, der ein sehr lebendiges Glaubenszeugnis gab. Das hat meine Sehnsucht sehr geschürt und fing an, quasi meinen „Boden aufzurauen“ und ihn empfänglich zu machen für den Glauben. Ich kannte Gebetsformen wie die Messe, das Tisch- und Abendgebet, aber da hat sich wirklich noch eine Welt aufgetan – hin zu einem persönlichen, konkreten Glauben. Eine vertiefte Form von Gottesbeziehung, in der ich Gott noch anders wahrnehmen durfte.

Vieles ging dann sehr schnell: Mein Wunsch war ab da im geistlichen Leben zu wachsen. Aber das Thema Berufung schob ich auf die Seite, nach dem Motto „ich weiß schon, was ich will.“ Priester zu sein konnte ich mir nicht vorstellen und fürchtete mich auch davor. Aber durch das Gebet änderte sich auch meine Haltung, so dass ich schließlich sagte: Wenn ich bete „Dein Wille geschehe”, dann müsste ich so mutig sein und anders beten: „Mein Wunsch ist Frau, Kind, Haus, aber dein Wille Geschehe” – betete ich leise. „Aber wenn etwas anderes dein Wille ist, dann sag es mir deutlich!

Credo: Kam es deutlich?

Kristian: Der Wendepunkt kam durch ein Gespräch mit einer Bekannten, das meinen Blick änderte. Danach empfand ich bei dem Gedanken, Priester zu werden, Offenheit und Freude. Das war neu. Ich hatte einen geistlichen Begleiter, mit dem ich in der Folge das Thema Berufung einige Monate explizit mit diesem Fokus anging.

Abschließend hatte ich Einzelexerzitien zur Berufungsklärung. Wichtig dabei war – und das wünsche ich jedem, der sich diese Frage stellt – an den Punkt der Indifferenz zu kommen, also wie eine Waage ohne Gewichtung und mit Vertrauen auf den liebenden Gott zu sagen: „Zeige mir, welchen Weg du mit mir gehen willst.” Er gibt es einem natürlich nicht schriftlich, sondern er streut eher „Brotkrumen”. Anschließend sollte ich mir einfach die Lebensentwürfe vorstellen und visualisieren. Auf der einen Seite Frau und Kinder; heute, in fünf, füfnzehn und dreißig Jahren, mit allem Schönen und Schwierigen; und auf der anderen das Priesterdasein. Alles mit der Bitte: Jesus, schau du mit mir drauf. 

Das Bild des Priester hatte dabei mehr „Farbe”. Das andere blieb blass. Beim Bild vom Priester bewegte sich mehr. Bedenken kamen gar nicht so präsent hoch. Im Nachhinein deute ich das als Zuspruch, als Hilfe, ein „fürchte dich nicht”. Bevor es um Berufung ging, war es wichtig zum Zentrum zu finden, in die Beziehung zu Jesus zu finden. Dass er das Erste und Wichtigste ist. Dann erst geht es darum, in der Nachfolge fruchtbar zu werden. Wie kann ich fruchtbarer sein, mit dir. In diesem oder jenem Lebensmodell: So durfte ich das erkennen. 

Credo: Das ist ein radikales „dein-Wille-geschehe-Gebet”.

Kristian: Ja, und es gefällt mir gut. Weil es mich vollkommen mitnimmt. Es ist existenziell. Es geht nicht nur um einen frommen Wunsch, sondern um alles. Es geht um mich und um ihn. Da gibts keine 30%, keine Komfortzone. Nur Absolutes Abenteuer.

Credo: Also ein Loslassen und sich Freimachen von gewöhnlichen Orientierungspunkten, von allem, was einen bestimmen könnte, zugunsten einer Ausrichtung an diesem Punkt, diesem Gebet.

Kristian: Das trifft genau, was ich in meinem Leben dankbar feststelle. Obwohl ich von Natur aus jemand bin, der die Sicherheit liebt. Wenn sich jemand für den Willen Gottes öffnet wird es spannend. Noch bevor ich mich mit dem Glauben beschäftigte, las ich das Buch „Die fünf Geheimnisse, die Sie entdecken sollten, bevor Sie sterben”, ein Gespräch mit verschiedensten Weisen aus verschiedenen Kulturen. Eine der Synthesen war: „Lebe so, dass du am Ende des Lebens nicht bereust, Chancen verscherzt zu haben. Wähle die Abzweigung im Leben, die dir die spannendere Geschichte bietet. Raus aus der Komfortzone!” Danach habe ich mein Leben ausgerichtet. Und da sehe ich eine rote Linie, eine Führung.

Credo: Vielen Dank für das Gespräch.

Anmerkung der Redaktion: Wenn du ähnliches erlebt hast und dich fragst, ob das Leben als Priester etwas für dich wäre, ist vielleicht folgendes für dich interessant: Die Hausleitung des Priesterseminars Augsburg lädt junge Männer zwischen 17 und 25 Jahren ein, vom 27. bis 29. Januar 2023 ein Wochenende im Augsburger Priesterseminar zu verbringen. Bei diesen Infotagen kannst du die Hausgemeinschaft ungezwungen kennenlernen. Anmeldeschluss ist der 20. Januar. Nähere Infos unter www.priesterseminar-augsburg.de