Vor Ort · Kirche an besonderen Orten
Seelsorge auf dem Metal-Festival „Summer Breeze“
von Raphael Schadt · 14.10.2022
Credo: Bernd, was hattest du zum Summer-Breeze Festival eingepackt? Weihwasser, Salz und das Rituale Romanum? Oder nur Brevier und Ohropax?
Pfarrer Bernd Rochna: Also mein Stundenbuch befindet sich als App auf meinem Handy und somit bin ich sozusagen nie „ohne”. Das wichtigste und existentiellste Gut hatte ich auf jedem Fall mit im Gepäck: eine große Portion Gottvertrauen, da ich am Anfang wirklich nicht wusste, was da auf mich zu kommt. Obwohl ich eigentlich eine relativ „normale Jugend“ erlebt habe, war diese Veranstaltung mein erstes Festival, das sich über mehrere Tage erstreckt hat. In jungen Jahren war ich meistens nur auf Abendkonzerten. Jedenfalls bewegten sich meine Nervosität und meine innere Anspannung kurz vor Beginn des Seelsorgeeinsatzes auf einem doch sehr hohen Level. Einiges davon konnte ich aber im Gebet einfach abgeben. Ohropax waren nicht nötig. Ich habe in Bezug auf Lärmpegel eine relativ hohe Toleranz.
Credo: Hattet ihr einen Stand oder ein Zelt? Wie sah deine Aufgabe aus?
Bernd: Unser Seelsorgezelt oder auch Awareness-Tent befand sich direkt am Haupteingang zum sogenannten „In-field“, in dem sich die diversen Bühnen befanden. Deshalb wurde es auch nahezu von allen Festivalbesuchern wahrgenommen. Zudem wurde unser Angebot auch direkt vom Veranstalter beworben. Daher wurden wir häufig mit Aussagen wie „Ah, ihr seid die von der Seelsorge“ oder auch „Jetzt habe ich euch endlich gefunden“ begrüßt. Unser Zelt war rund um die Uhr besetzt. So konnten wir durchgängig für die unterschiedlichsten Anliegen unserer Besucher ein offenes Ohr haben, ihnen nach Kräften und Möglichkeiten beistehen und so ein positives Bild von Kirche, Glaube und Seelsorge vermitteln.
Credo: Wie waren die Reaktionen auf dich als katholischem Geistlichen?
Bernd: Wenn die Rede auf meinen geistlichen Stand kam, waren die Reaktionen durchwegs positiv und aufgeschlossen. Einige Besucher zeigten ein reges Interesse in Bezug auf meine Aufgaben sowie mein eigenes Selbstverständnis und stellten entsprechende Fragen. Ich hatte auch den Eindruck, dass die Bereitschaft, sich in religiöser und geistlicher Hinsicht zu öffnen bei einigen Besuchern größer war, wenn sie erfuhren, dass da ein Priester vor ihnen steht und es kam wirklich zu sehr interessanten und auch tiefgreifenden Gesprächen.
Credo: Gab es Festival-Besucher, die ein geistliches Gespräch gesucht haben?
Bernd: Es gab wirklich Gespräche, die starke seelsorgerische Aspekte hatten. Vor allem, wenn Menschen von konkreten Lebenskrisen berichteten, in denen sie sich gerade befanden. Häufig nahmen sie auch auf den eigenen Glauben Bezug und da durfte ich feststellen, dass gerade bei Menschen, bei denen ich es aufgrund des optischen Erscheinungsbildes nicht vermutet hätte, ein tiefer und ernsthafter Glaube vorhanden war. Mich hat diese Erfahrung Demut gelehrt, da es mir leider auch häufig passiert, dass ich Menschen nach ihrem Äußeren beurteile.
Credo: Metaller pflegen ja gern das Image der Ausgestoßenen und Verdammten. In Süddeutschland kann man aber davon ausgehen, dass ein Teil der Besucher wenige Jahre zuvor noch als Messdiener am Altar stand. Lassen sich beim Festival „verlorene Schafe” wiederfinden?
Bernd: Ich fand interessant, dass viele Festivalbesucher privat bzw. beruflich einen Hintergrund hatten, den ich von Besuchern eines Metal-Festivals nicht vermutet hätte. Unter den Feiernden waren sowohl verantwortungsbewusste Familienväter und -mütter, ehrenamtlich Engagierte aus verschiedensten Bereichen und Menschen, die in karitativen Berufen tätig sind. Hier von „verlorenen Schafen“ zu sprechen wäre daher eher unpassend. Im Nachhinein habe ich auch erfahren, dass ganze Ortsgruppen katholischer Jugendverbände sowie Mitarbeiter unserer Diözese Augsburg zum Festival nach Dinkelsbühl angereist waren.
Credo: Wie ist das Verhältnis zum Christentum unter den Leuten, zu denen du Kontakt hattest?
Bernd: Die Bandbreite reichte von Offenheit und Interesse bis hin zu echten und authentischen Bekenntnissen. Negative Provokation habe ich nur ein einziges mal erlebt. Gerne erinnere ich mich an einen Gesprächspartner, der ganz offen und ehrlich über seinen Glauben gesprochen hat und welche Kraft er daraus bezieht. Eine andere Person äußerte sich ungefähr so: „Wenn ich euch nicht gehabt hätte, wäre ich nicht mehr da.“ Insgesamt kann ich sagen, dass uns die Vielzahl der positiven Reaktionen mehr als überrascht hat. Hier haben wir ganz intensiv das Bedürfnis nach Zuwendung und authentischer Seelsorge gespürt. Meinen „Einsatz“ beim Summer Breeze betrachte ich rückblickend wirklich als große Bereicherung.
Credo: Und war die Musik für dich auch bereichernd?
Bernd: Ich muss gestehen, dass ich früher selbst ein großer Fan dieses Genres war. Aufgrund meiner persönlichen Überzeugung und religiösen Prägung beschränkte sich mein Interesse allerdings auf Bands, die sich keiner „schwarzen Richtung“ zuordneten. Damals erfuhr ich, dass es gerade im amerikanischen Raum viele Metalbands gibt, die in ihren Texten klar christliche Bekenntnisse verarbeiten. Als Beispiel seien hier Messiah Prophets, White Cross oder auch Mortification genannt.
Aber zurück zur eigentlichen Frage: Die meisten Bands, die beim Summer Breeze auftraten, waren mir eindeutig eine Spur zu hart. Lediglich bei zwei Gruppen fand ich mich direkt im Bühnenraum ein, um mir deren Darbietung anzuhören. Aber bei meinem intensiven Einsatz im Seelsorgeprojekt war mir ein solches „Eintauchen“ ins Festivalgeschehen nicht öfters möglich. Da sich – wie bereits eingangs erwähnt – unser Seelsorgezelt unweit des musikalischen Geschehens befand, wurden wir ohnehin unweigerlich mitbeschallt. Da zahlte sich dann doch aus, dass mir derartige Klänge nicht völlig fremd sind.