Vor Ort · 3 Fragen an ...

„Kirche ist auch der Jugendverband“

Julia Spanier ist als Pastoralreferentin unter anderem als geistliche Leiterin beim Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) Diözesanverband Augsburg tätig. Die Fünfunddreißigjährige ist Teil des vierköpfigen, paritätisch besetzen Vorstands des BDKJ Augsburg und wurde in ihr Amt demokratisch gewählt – eine Besonderheit für die pastorale Arbeit in der Kirche. Besonders schätzt sie die Vielfältigkeit ihrer Arbeit beim BDKJ: Spiritualität, geschlechterspezifische Arbeit, kirchenpolitisches Arbeiten, interreligiöser Dialog und vieles mehr.

Julia erzählt in der Reihe „3 Fragen an …“ von ihrem Verständnis von Kirche und Schönheit – und wie das zusammenpasst oder eben auch nicht.

von Anna-Chiara Naujoks · 17.08.2022

Portrait Julia Spanier
Julia Spanier. Foto: Martina Kaiser

Credo: Was war deine schönste Erfahrung mit/in der Kirche?

Ich durfte in eine Gemeinschaft hineinwachsen, die trägt und mir eine Heimat gibt. Kirche bot für mich den Rahmen, in dem mein Freundeskreis gewachsen ist, zum festen Ankerpunkt in meinem Leben wurde und der meine Kindheit, Jugend und das Erwachsenwerden begleitet hat. Auch für die Frage nach der Berufungsentscheidung durfte ich im Rahmen von Kirche nach einer Antwort suchen.

Es gibt nicht die eine schöne Erfahrung, aber viele kleine (und größere) Erlebnisse und Abenteuer, die ich im Rahmen Kirche aufzählen kann: Zeltlager, Gruppenstunden, Fahrten, Gottesdienste, Mitwirken bei musikalischen Projekten, im Chor und als Ministrantin, Feste, Gebet, und so vieles mehr. Wichtig ist aber nicht nur der Blick in die Vergangenheit, sondern die Gewissheit, dass die Gemeinschaft der Kirche mich auch in Zukunft begleitet.

Credo: Hältst du die Kirche für wichtig – generell und für deine persönliche Beziehung zu Gott?

Ja! Aus unterschiedlichen Gründen:

Jesus stiftet Gemeinschaft. Die Balken des Kreuzes weisen auf die unterschiedlichen Richtungen hin. Der vertikale Balken verweist auf die Gemeinschaft zwischen Gott und den Menschen, die durch sein Leben, sein Sterben und Auferstehen noch mal eine ganz neue Dimension erreicht. Der horizontale Balken ist Hinweis für die Gemeinschaft unter den Menschen, denn wir sind Geschwister im Glauben. Für mich ist mein Glaube niemals individuell zu leben und zu gestalten. Ich brauche eine Gemeinschaft, weil Gott in sich Gemeinschaft ist und Gemeinschaft stiftet – und finde diese in der Kirche. Nicht, weil Kirche perfekt ist, sondern weil Menschen darin eine Heimat finden können. Das ist nicht immer die Gemeinde vor Ort. Kirche ist auch der Jugendverband, die Gebetsgruppe, eine kleine Gemeinschaft die sich regelmäßig versammelt – aus dem Glauben.

Kirche ist für mich Mittlerin der Sakramente, die in meinem Glauben eine Rolle spielen. Als Mensch brauche ich die Möglichkeit, das, was ich glaube, auch sinnenfältig zu erfahren.

Die Kirche als Trägerin von karitativen Diensten halte ich zudem für einen wichtigen Baustein unserer Gesellschaft. Ich hoffe, dass sich für die Menschen, die dort arbeiten, und die Menschen, die die Dienste empfangen, der Geist der Liebe Gottes zeigt, der durch Kirche in die Welt hineinwehen will.

Kirchen sind besondere Gebäude, durchbetete Räume, die mich faszinieren. Auch wenn Kirchenbänke nicht immer bequem sind, der Geruch in Kirchen manchmal eine Herausforderung ist und die Gestaltung von Gottesdiensten nicht immer meinem Geschmack entspricht. Für mich sind Ortschaften und Städte ohne Kirchen als Orte des Gebetes und der Feier des Glaubens nicht vorstellbar.

Und selbst was mich so viele Male schon an der Kirche hadern ließ und immer noch lässt, ist mir irgendwie wichtig. Denn die Kirche liefert mir einen verbindlichen Rahmen für das Glaubenswissen, für Wahrheit und Tradition. Der Rahmen darf sich nicht verschließen vor Anfragen aller Art und auch nicht vor wissenschaftlichen Entwicklungen, sondern muss einerseits sprachfähig bleiben über die Hoffnung, die uns trägt, andererseits sprachfähig sein für einen wertschätzenden interdisziplinären Dialog. Um den Rahmen darf und muss gerungen werden, damit die wichtigen Inhalte relevant bleiben. Das ist für mich im besten Sinne katholisch.

Credo: Was macht für dich die Schönheit der Kirche aus?

Ich tue mir mit dem Begriff der „Schönheit“ schwer und würde ihn nicht für die Kirche als Gemeinschaft oder Institution verwenden. Er ist vielleicht passend, um ein Gebäude zu beschreiben. Nicht, weil ich nichts Schönes mit Kirche verbinde, sondern weil mir der Begriff zu „aufgeladen“ ist und irgendwie zu viel Perfektion mitschwingt, die die irdische Institution nicht erfüllt. Schönheit und Kirche wäre für mich im sprachphilosophischen Sinn ein Kategorienfehler. Kirche ist für mich ein Zusammenschluss, eine Gemeinschaftserfahrung, das Volk Gottes auf dem Weg. Da passt das mit der Schönheit nicht so. Aber in der Kirche und durch die Kirche kann man Gutes erfahren. Manchmal vielleicht auch Schönes 🙂