Vor Ort · Als Sozialpädagogin im Jugendamt
Die Konfrontation mit der Angst der Eltern
von Eva Fock · 07.12.2023
Credo: Wie sieht dein Berufsalltag im Jugendamt aus?
Celine: Tagtäglich erreichen uns verschiedene Meldungen. Dann müssen meine Kollegen und ich abwägen, wie schnell man handeln muss. Bei einer Kindeswohlgefährdung fahren wir sofort los, bei hoher Dringlichkeit zusammen mit der Polizei. Wenn es ein nicht so dringendes Thema ist, machen wir erst mal einen Termin für ein klärendes Gespräch mit der Familie aus. Dabei geht es darum, herauszufinden, ob die Familie Unterstützung braucht.
Credo: Wirst du in deinem Beruf oft mit Angst konfrontiert? Wie äußert sich diese?
Celine: Ich würde sagen teils, teils. Ich höre relativ häufig von Eltern: „Nehmen Sie jetzt gleich mein Kind mit?“ Das ist einfach das Image vom Jugendamt. Angst kommt bei den Eltern auch auf, wenn sie Post vom Jugendamt bekommen. Sie haben erst mal noch keine Ahnung, wie wir agieren. Unser Ansatz ist es aber, Gespräche mit den Eltern oder Sorgeberechtigten zu führen. Dabei zeigen wir die verschiedenen Unterstützungsmöglichkeiten auf. Beispielsweise eine sozialpädagogische Familienhilfe oder Erziehungsbeistandschaft.
Auf der anderen Seite gibt es freiwillige Termine. Da ist unsere Hilfe erwünscht und die Familien freuen sich über die Unterstützung.
Credo: Haben die Menschen Angst vor dir und wie gehst du damit um?
Celine: Ich würde es nicht direkt Angst nennen, sondern Respekt. Meine Kollegen und ich möchten nicht, dass Eltern Angst vor uns haben, da wir in erster Linie mit ihnen zusammenarbeiten wollen. Wir versuchen, mit realistischen Ansätzen in die richtige Richtung zu gehen. Es gibt beispielsweise die Möglichkeit, dass jemand in der Familie vorbeikommt und ab und zu unterstützt. Meistens zieht man an einem Strang, da die Kinder bzw. Jugendlichen den Eltern am Herzen liegen.
Credo: In deinem Beruf geht es auch darum, Angst zu nehmen und die Situation zum Guten zu wenden. Funktioniert das?
Celine: Grundsätzlich schon. Meistens sind die Eltern sehr kooperativ und schauen, wie man zusammen ein besseres Leben oder eine Änderung für das Kind erzielen kann. Allerdings kommt es auch auf die Situation an. Auf freiwilliger Basis geht es oft um Schulbegleitung von Kindern und Jugendlichen, die unter Autismus oder ADHS leiden. Das Jugendamt ist sowohl Beratungsstelle als auch erste Anlaufstelle und leitet die Familien weiter an andere Unterstützungsämter.
In ernsten Fällen, wenn die Eltern absolut nicht mit uns kooperieren wollen oder unsere guten Absichten nicht sehen, können wir mit dem Gericht drohen. Aber nur, wenn es absolut keine andere Möglichkeit mehr gibt und es das Beste für das Kind ist, greifen wir auch mal härter durch.
Manchmal bekommen wir auch Meldungen, die sich als falsch herausstellen: Beispielsweise hat das Nachbarskind nur lautstark geweint, weil es irgendwas nicht bekommen hat. Es ist trotzdem immer besser, sicher zu gehen. Niemand sollte Angst haben, dem Jugendamt etwas zu melden!
Credo: Gibt es Fälle, bei denen du selbst Angst hast, z. B. dass die Theorie aus dem Studium in der Praxis schwierig anzuwenden ist oder du dich emotional zu sehr in einen Fall verwickelst?
Celine: Bestimmt. Auf mich kommen immer neue, unbekannte Situationen zu. Die gelernte Theorie ist dabei hilfreich, aber trotzdem ist die Praxis noch mal etwas anderes. Da kann man nicht immer vorausplanen, sondern muss Situationen auch mal auf sich zukommen lassen und an sich selbst und sein Wissen glauben. Nachts übernehmen die Polizei und andere Hilfsstellen unseren Job, sodass man nach dem Feierabend gut abschalten kann im Wissen, dass die Kinder in guten Händen sind.
Credo: Wie gehst du mit deiner eigenen Angst um? Hilft dir dabei auch dein Glaube?
Celine: Dass mir der Glaube an Gott eine Stütze ist, würde ich auf jeden Fall mit Ja beantworten. Es ist gut zu wissen, dass man jemanden hat, an den man glaubt oder an den man denkt. In meinem Beruf gibt es Momente, bei denen man sagen muss, ich hab so gut wie möglich gehandelt. Wenn etwas nicht zu dem Schluss gekommen ist, den man gerne sehen würde, muss man sich eingestehen, dass man der Familie den besten Weg gezeigt hat und dann damit für sich selber abschließen.
Auch kann man als Christ den Menschen etwas Gutes mit auf den Weg geben. Da denke ich an die christlichen Werte und vor allem an Nächstenliebe. Man bietet den Menschen ein offenes Ohr, zeigt ihnen, dass es immer wieder besser werden kann. Und wenn jemand doch mal am Tiefpunkt sein sollte, kann er oder sie die Unterstützung von uns annehmen.