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Gloria

„Gloria” heisst der jüngste Song, den Credo präsentiert. Raphael Schadt hat dieses Gloria neu interpretiert, aufgenommen und produziert. Wie genau das Gloria entstanden ist und wie es jetzt zur neuen Produktion in diesem Stil kam, darüber sprechen wir hier im Kollegengespräch.

von Raphael Schadt · 19.08.2020

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Credo – Ehre sei Gott. Produktion: Raphael Schadt. Kamera: Andreas Düren.

CREDO: In welchem Kontext kam der Song zustande?

Bei der musikalischen Vorbereitung des Abschlussgottesdienstes der Augsburger Großveranstaltung „MEHR-Konferenz” vom Gebetshaus Augsburg, an der ich von 2008 bis 2015 maßgeblich beteiligt war, stand ich jedes Mal wieder vor der qualvollen Frage, ob ich ein Gloria aus dem gängigen katholisch-charismatischen Repertoire wählen soll – eine recht überschaubare Anzahl guter aber mittlerweile auch abgenützter Songs – oder ob es nicht doch eine frische Alternative gibt. Leider kannte ich keine, die sowohl den liturgischen als auch den musikalischen Ansprüchen genügte. Ich wusste, dass es Bischof Konrad Zdarsa, dem Zelebranten der Abschlussmesse, wichtig war, dass die liturgischen Texte authentisch sind. Der Idealfall wäre eine Pop-Hymne gewesen, die den Text im Original beibehält, dabei aber ein quadratisch praktisches Metrum findet und sich zur besseren Lernbarkeit reimt. Ein Song, der in Einem Würde, Frische und Ehrfurcht vereint.

Immer wieder habe ich den Versuch gestartet, selbst ein Gloria zu schreiben, habe aber dann doch, nicht ohne eine gewisse Resignation, eines der bekannten gewählt. Auf einer Veranstaltung, bei der das Erleben von Gemeinschaft davon abhängt, dass die Besucher möglichst bekannte Lieder am besten auswendig singen können, muss man als musikalische Leitung also auf breit etablierte „Schlager” – ehrlicherweise könnte man die Anführungszeichen stilistisch gesehen fast weglassen – zurückgreifen. Gerade bei großen Veranstaltungen wird jeder Song auf die Goldwaage gelegt, um der Gemeinschaft optimal zu dienen.

Das jetzt vorliegende Gloria habe ich Ende 2014 komponiert und auf der MEHR-Konferenz 2015 zum ersten mal live gesungen. Es war das Ergebnis des dritten Anlaufs. Die ersten beiden Prototypen waren an meiner eigenen Kritik bzw. jener aus meinem nahen Umfeld gescheitert. Jetzt habe ich das Gloria neu vertont und als Musikvideo produziert.

CREDO: Du hast vom Songwriting über den Gesang bis zur Video-Postproduktion fast alles selbst gemacht. Warum?

Raphael: Vieles habe ich allein gemacht. Aber ich habe auch immer wieder Leute um Rat gefragt. Mein Schwager hat mir die Idee mit der Autofahrt vorgeschlagen. David Fischer, den man hier auf Credo durch seine Lobpreistutorials kennt, hat mir sehr wertvolles Feedback gegeben zum Mix. Sonst wurde das Ganze noch etwas härter klingen. So ist es nun etwas mainstream-kompatibler geworden und erinnert dafür auch etwas mehr an Bands wie die Münchner Freiheit. David hat mir außerdem auch sein Studio zur Verfügung gestellt, als wir im letzten Herbst die Gesangsspuren für ein paar Songs, darunter diesen, aufgenommen haben.

CREDO: Wieso lässt du dein Gloria so nach 80er-Jahre klingen und wie machst du das?

Raphael: Ja, ich hatte mir in letzter Zeit viel Retro-Synthwave beim Kochen angehört. Die Beats sind dabei recht stramm, aber die Instrumentierung und Harmonisierung erinnern an Zeichentrickfilme wie etwa Captain Future. Ich hatte einfach Lust, es damit zu versuchen.

CREDO: Was ist musikalisch das Charakteristische an den 80ern?

Raphael: Zwei Dinge fallen mir da vor allem ein: Erstens Drum-Machines. Bis dato hatte man in der Popmusik das Schlagzeug immer von Hand gespielt, mikrofoniert und aufgenommen. Neu war, dass das Schlagzeug durch Drumcomputer wie dem DMX von Oberheim ersetzt wurde und einen völlig neuen, technischen Klang erzeugte. Diese Drumcomputer konnten via Midi angesteuert werden und so perfekt etwa mit Midi-Keyborads synchronisiert werden. Programmiertes Schlagzeug war ab da gesetzt. Eine weitere Neuerung, die typisch für diese Zeit ist, war zum Beispiel der YAMAHA DX7 Synthesizer, der zum ersten Mal Frequenzmodulationssynthese programmierbar und das zu einem erschwinglichen Preis machte. Diese Frequenzmodulationssynthese erzeugte völlig neue Obertonverhalten, die die bekannten analogen subtraktiven Synthesizer mit den klassischen Wellenformen und den Filtern nicht produzierten. Gerade die sehr metallisch klingenden Glockentöne sind charakteristisch für diesen Sound.

CREDO: Retro-Synthwave, das ist ja quasi eine nostalgische Rückschau auf den Futurismus der 80er-Jahre?

Raphael: Ja, der Retro-Stil ist für mich auch eine Auseinandersetzung mit dem Zukunftsoptimismus beziehungsweise der Technikgläubigkeit der 80er, die sich ja zum Beispiel in der Digitalität der Instrumentierung spiegelt. Ich erinnere mich an eine Folge der ZDF-Hitparade in den 80ern, bei der der Moderator eine Aktion vorstellte, die an Sylvester „nicht in 12 Monaten, sondern in 12 Jahren” stattfinden sollte, gemeint war das Jahr 2000. Bei dieser Aktion sollten sich zum Jahrtausendwechsel alle Menschen die Hände reichen und so für einen Moment Weltfrieden herstellen. Also zumindest die Zuschauer dieses TV-Formats mussten nach dem Dafürhalten der Macher so zukunftsoptimistisch sein, dass der Weltfrieden in Reichweite schien. Von dieser Aktion habe ich allerdings nie wieder etwas gehört.

CREDO: Aber was haben die Autofahrt und der Retro-Sound mit dem Gloria, also der Verkündigung der Engel, zu tun?

Raphael: Es stimmt, der Song versprüht in dieser Fassung nicht die Euphorie, die die Hirten auf dem Felde wohl hatten, als sie sich auf den Weg zum Stall gemacht haben. Aber selbst Engelserscheinungen machen einen nicht immer sofort unmittelbar zum Gläubigen, auch wenn man sich das Verheißene so sehr wünscht. Zacharias, der sich mit dem Glauben schwer tut, als ihm der Engel im Tempel einen Sohn ankündigt, bekommt erst einmal einen Maulkorb. Gott kann seine Pläne durchsetzen, auch wenn wir zweifeln. Die Frage ist doch, machen wir uns trotzdem auf den Weg, oder die Autobahn?

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