Vor Ort · Jugendwerkwoche

Hängengeblieben is nix?!

Bei der diesjährigen Jugendwerkwoche im Bistum Augsburg war Dr. Christian Hennecke, Leiter der Hauptabteilung Pastoral im Bischöflichen Generalvikariat Hildesheim, als Hauptredner zu Gast. Das Thema war „Hängengeblieben is nix?! – Firmvorbereitung – und dann?“. Obgleich Firmvorbereitung der Fokus war – im Raum standen grundlegende Fragen der Glaubensweitergabe in einer postchristlichen Zeit. Der Vortrag sollte den Referenten Jugendarbeit im Bistum Augsburg Orientierung oder zumindest Impulse für ihre Arbeit geben. Ein Kommentar.

von Raphael Schadt · 14.02.2023

Christian Henneckes im Haus-Sankt-Ulrich
Dr. Christian Hennecke bei der Jugendwerkwoche 2023 bei seinem Vortrag im Haus Sankt-Ulrich. Bild: Alexander Lechner

Christian Hennecke, Seelsorgeamtschef des Bistums Hildesheim, spricht entspannt und locker und kommt sympathisch rüber. Das Thema seines Vortrags soll Firmpastoral sein, aber wie er selbst sagt, sei diese Frage nur die Spitze des Eisbergs, denn für die Pastoral prognostiziert er eine umfassende Umwälzung: „Von der Auflösung der aktuellen Kirchengestalt sind wir noch fünf Jahre entfernt”, heißt es zur Einstimmung. Die Frage, die sich den Referenten der Jugendarbeit und generell jedem Katholiken stelle, sei tatsächlich, wie wir den Glauben weitergeben können und wollen.

Entspannt vorgetragene ernste Analyse

Während sich ein Systemwechsel bzw. ein Paradigmenwechsel vollzieht, arbeiten wir in der Pastoral noch an Optimierungsversuchen, so Hennecke: „Kann es ernsthaft die Idee sein, dass junge Menschen in klassischen Gemeindekontexten Heimat finden?” Er beantwortet seine Frage selbst mit einem kurzen und trockenen „Nein.”. Hier verlegenes, da amüsiertes Lachen im Raum. Menschen seien heute frei, es gebe nicht mehr das dörfliche Einheitsprogramm. Jahrgangssakramentenpastoral, Altersfrage … alles Konzepte und Fragen, die an der Realität vorbeigingen.

Hennecke zitiert den Witz über die zwei Pfarrer, die sich über ein Fledermäuse-Problem in der Kirche unterhalten. „Wie bist du sie wieder losgeworden?“ fragt der eine, worauf der andere Antwortet: „Ich habe sie gefirmt“. Der Witz spielt auf das Problem an, dass junge Menschen, wenn sie einmal das Sakrament der Firmung erhalten haben, in der Kirche nie wieder gesehen werden. Dieser Witz suggeriere dabei aber irreführenderweise, dass junge Menschen vor der Firmung – wie Fledermäuse – dagewesen seien. Die Glaubensvermittlung bei der Firmpastoral, so Hennecke, sei „kontextlos, die waren vorher nie da.” Das vermittelte Glaubenswissen habe mit dem Leben der Firmlinge nichts zu tun, es bleibe quasi lebensfremdes, isoliertes Inselwissen. Soweit deckt sich das mit meiner Erfahrung.

Hängengeblieben is nix: Gemeinschaft vor Inhalt

Daher würden Inhalte auch überschätzt. Inhalte seien jedoch nicht so entscheidend. Er selbst erinnere sich an keine Inhalte der Sakramenteninitiation. Mir persönlich geht es nach gut 30 Jahren aber durchaus anders. Im Gedächtnis sind mir etwa noch skurrile Lieder, etwa das „Mutmachlied” oder das Lied vom „kleinen Jonathan“ in den nach einer Mischung aus Bastelknete und Zigarrenrauch riechenden, kindergartenbunt bemalten, dunklen Kellerräumen unseres Gemeindehauses. Aber auch an das Lied „Beim letzten Abendmahle“, das mich damals sehr bewegte.

Auch erinnere ich mich an meine Frage bei der Erstkommunionvorbereitung, was Kommunion eigentlich bedeute, denn die Erzählungen von Gemeinschaft, Gemeinschaftsmahl und Solidarität bekam ich nicht so richtig zusammen mit dem Satz bei der Kommunionausteilung „Der Leib Christi“. Nach der Antwort der Gemeindereferentin war ich ebenso schlau wie zuvor. Auch hier waren Inhalte damals schon nachrangig.

Bei Hennecke ist das vorrangige Ziel bei der Firmvorbereitung und Glaubensvermittlung die Gemeinschaft. Hier ein paar Zitate aus seinem Vortrag: „… Gemeinschaft ist das Wesen des Christentums … Sakramente sind Ausdruck von Gemeinschaftserfahrung. … Wir sind Kirche als Gemeinschaft. Der zentrale Inhalt heißt ‚Einheit und Frieden’“ – wie es im Friedensgebet der Eucharistiefeier heißt. Worin aber diese Einheit besteht, erläutert er nicht näher.

Ich persönlich frage mich: Sind auch hier Inhalte nachrangig? Nach dem bewährten Motto: Wir warten auf jeden und nehmen alle mit. Wohin aber die Reise gehen soll, darüber wird verhandelt, wenn die Tickets bezahlt und alle eingestiegen sind. Die Abfahrt des Zuges kann sich verzögern.

Stein des Anstoßes

Hennecke fragt, warum die Firmung nicht am Ort der Gemeinschaftsbildung stattfindet, sprich bei den Pfadfindern, in der Schule, der Kolping-Jugend oder gar der Jugend des Maltheser-Hilfsdienstes. Ja, warum eigentlich nicht? Dort zumindest muss der Zweck der Einheit bzw. der Gemeinschaft nicht mehr verhandelt werden. Und natürlich könnte die Kirche auch in die Gruppenstunde der Malteser kommen und dort die Firmung spenden, wenn das der Ort ist, an dem junge Menschen eine geistliche Gemeinschaftserfahrung machen. 

Muss man sich aber nicht fragen, was die inhaltliche Mitte dieser Gruppen ist? Denn auch dort ist ja Gemeinschaft an sich nicht der Zweck, sondern Gemeinschaft strukturiert sich um Aktivitäten, wie etwa Freizeiten vorbereiten, Erste-Hilfe-Kurse abhalten, feiern etc. Wenn es eines der zentralen Anliegen dieser jungen Menschen ist, Christus nachzufolgen, würden sie sich dazu als Malteser-Jugend camouflieren? Wenn es aber nicht prioritäres Anliegen ist, Christus nachzufolgen, warum sollten dort Sakramente gespendet werden?

Sherry Weddell, die in ihrer Beschreibung der Situation der Kirche in postchristlicher Zeit zu weiten Teilen in dasselbe Horn wie Hennecke stößt, gibt noch einen entscheidenden Schlüssel mit auf den Weg: Das alles entscheidende Kriterium, ob Menschen sich einer Glaubensgemeinschaft heute anschließen oder nicht, sei die „Erwartung, beim Gottesdienst in eine Gemeinschaft mit Christus/Gott zu treten.“

Ich bin der Ansicht, dass jemand, der nicht explizit die Gemeinschaft mit Gott sucht, keinen Grund hat, sich in eine Kirche oder kirchliche Gemeinschaft zu bewegen. Gute Musik, herausfordernde Ansprachen, coole Leute, Hilfe bei Problemen, Politik und vieles weitere gibt es auch woanders und das leider meist besser als in der Kirche.