Thema · Barmherzigkeitssonntag

Gott schenkt uns sein Herz

Der Sonntag der göttlichen Barmherzigkeit ist im Vergleich zu anderen kirchlichen Festen noch sehr jung. Erst seit zwanzig Jahren feiern wir diesen Sonntag nach Ostern mit besonderem Blick auf Gottes Barmherzigkeit. In diesem Jahr nur eben auch anders als sonst. Ein (Telefon-)Interview mit Katharina Weiß vom Institut für Neuevangelisierung.

von Simone Zwikirsch · 17.04.2020

Barmherziger Jesus
Das erste Bild vom Barmherzigen Jesus, gemalt in Anwesenheit der Heiligen Maria Faustyna Kowalska. (Foto: wikimedia.commons)

Credo: Papst Johannes Paul II. hat im Jahr 2000 den Sonntag der göttlichen Barmherzigkeit ins Leben gerufen. Seitdem feiert ihn die katholisch Kirche immer am Sonntag nach Ostern. Wofür steht dieses Fest?

Katharina: Das lässt sich, finde ich, sehr gut mit dem lateinischen Wort für Barmherzigkeit erklären: Misericordia – das heißt „den Armen sein Herz schenken“. Wenn wir den Sonntag der göttlichen Barmherzigkeit feiern, können wir erleben, dass Gott uns sein Herz schenkt. Gleichzeitig ist es eine Möglichkeit, uns ins Bewusstsein zu rufen, dass wir diese Barmherzigkeit brauchen.

Credo: Gerade jetzt in dieser Zeit der Ungewissheit und Angst?

Katharina:Durch diese Corona-Krise erleben wir uns als sehr verletzlich und angreifbar. Ich denke, dass wir da besonders offen sind für die Barmherzigkeit Gottes. Uns wird gerade ganz deutlich bewusst, dass wir nicht alles aus eigener Kraft bewältigen können, sondern Gottes Zuwendung und seine Barmherzigkeit brauchen.

Credo: Zu diesem Gedanken passt auch dieses bekannte Bild vom Barmherzigen Jesus.

Katharina: Ja genau. Es zeigt, wie Jesus auf uns zukommt. Das finde ich besonders schön. Wir sehen dort den Auferstandenen. Er hat die Wundmale noch an den Händen und breitet seine Hände aus. Aus seinem Herzen kommen zwei Strahlenbündel, wie Ströme der Barmherzigkeit. Manche empfinden das vielleicht als etwas kitschig, aber ich persönlich finde es sehr ausdrucksstark, wie die Barmherzigkeit Gottes in diesem Bild zu uns ausstrahlt.

Credo: Woher kommt diese besondere Darstellung? Das ist ja nicht explizit ein Bild, das so in der Bibel vorkommt, wie etwa der gute Hirte oder der barmherzige Vater.

Katharina: Das stimmt. Dieses Bild vom Barmherzigen Jesus  ist entstanden nach einer Vision, die die heilige Schwester Faustyna Kowalska von Jesus hatte. Faustyna war eine Ordensschwester, die in Polen gelebt hat. Eigentlich eine ganz einfache Frau. Jesus ist ihr im Jahr 1931 in einer Vision erschienen und hat ihr den Auftrag gegeben, dieses Bild malen zu lassen. Wer dieses Bild verehrt, solle, so Jesus weiter, ganz besonders seine Barmherzigkeit empfangen und unter seinem Schutz stehen.

Credo: Die heilige Faustyna wurde, ebenfalls im Jahr 2000, von Papst Johannes Paul II. heiliggesprochen. Er hat sie einmal als Prophetin für das dritte Jahrtausend bezeichnet. Wie ist das gemeint?

Katharina: Die heilige Schwester Faustyna hat den Punkt der Barmherzigkeit Gottes ganz stark in den Blick gebracht. Papst Johannes Paul II. bezeichnet die Barmherzigkeit als „Lichtstrahl“ für unsere oft so friedlose und ungewisse Zeit. Ich denke, das ist etwas, was wir in unserer jetzigen Zeit in vielerlei Hinsicht brauchen. Wir Menschen meinen oft, dass wir alles selbst tun können. Und die Barmherzigkeit Gottes ist etwas, wo wir zunächst einmal nichts tun müssen, sondern etwas empfangen. Gott schenkt uns seine Barmherzigkeit und wir müssen dieses Entgegenkommen Gottes nur annehmen. So ist es eine wohltuende Botschaft in der heutigen Zeit, dass wir uns selbst nicht an die oberste Stelle stellen, sondern dass wir unsere Hände öffnen und Gott um seine Barmherzigkeit bitten. Dabei merken wir, unsere Hände sind gar nicht leer, weil Gott uns beschenkt.

Credo: Ist der Barmherzigkeitssonntag ein solches Geschenk?

Katharina: Auch dieser Sonntag wird von Jesus erwähnt, als er Schwester Faustyna erschienen ist. Er hat gesagt, dass an diesem Sonntag die Tore der Barmherzigkeit ganz offen stehen. Wir können mit allem, womit wir schuldig geworden sind, zu ihm kommen mit der Bitte, all das von uns wegzunehmen.  Und darum ist dieser Barmherzigkeitssonntag ein großes Fest…

Credo: …das mit dem letzten Tag der Osteroktav einen ganz besonderen Platz im Kirchenjahr bekommt. Wie kommt das?

Katharina: Das hängt mit dem Bild des Auferstandenen zusammen. Man könnte Ostern auch als das Fest der Barmherzigkeit Gottes bezeichnen. Sie zeigt sich ja ganz besonders darin, dass Jesus für uns gestorben und auferstanden ist. Das Osterfest ist der Höhepunkt der Barmherzigkeit Gottes und so passt es, dass wir den Barmherzigkeitssonntag eine Woche nach Ostern feiern.

Credo: Dieses Jahr ist alles anders. Normalerweise wird empfohlen, den Barmherzigkeitssonntag mit dem Empfang der heiligen Kommunion zu begehen, es werden Andachten gefeiert und es bilden sich manchmal richtig lange Schlange vor den Beichtstühlen. Gibt es den #westayathome-Barmherzigkeitssonntag?

Katharina: Wir können Gott an diesem Sonntag ja trotzdem ganz besonders um seine Barmherzigkeit bitten. Für uns selbst, für diese Zeit und besonders für die Sterbenden, dass er ihnen das Herz öffnet und ihnen barmherzig ist. Das können wir auch ganz stark im persönlichen Gebet tun – zuhause oder in der Kirche. Das Institut für Neuevangelisierung hat dazu Material zusammengestellt: Eine Anleitung für den Barmherzigkeitsrosenkranz, Texte von Schwester Faustyna und auch eine Andacht zur Stunde der Barmherzigkeit. Wir empfehlen, diese Andacht um drei Uhr nachmittags – das ist die Todesstunde Jesu und damit die Stunde der Barmherzigkeit – zu beten und darin alle Menschen vor Gott bringen, die seine Barmherzigkeit brauchen.

Credo: Vielen Dank für das Gespräch.

Junge Frau mit langen braunen Haaren und lila Schal
Katharina Weiß ist theologische Referentin im Institut für Neuevangelisierung. (Foto: privat)