Credo: Wie bist du in Peru gelandet?
Marie Grabmann: Im letzten Sommer (2022, Anm. d. Redaktion) habe ich mein Abi gemacht und bevor ich mit dem Lehramtsstudium starte, wollte ich auf jeden Fall noch ins Ausland. Glücklicherweise bin ich schließlich kurzfristig noch beim Weltfreiwilligendienst reingerutscht. Jedenfalls bin ich letzten September in Peru bei einer sehr netten, großen und herzlichen Gastfamilie gelandet.
Credo: Und was machst du beim Weltfreiwilligendienst?
Als Freiwillige bin ich hier als eine Art Assistenzlehrkraft in der Santa-Barbara-Grundschule eingesetzt, einer integrativen Grundschule mit Kindergarten. Dort unterstütze ich die Lehrerin der ersten Klasse mit gut 17 Kindern wie und wo es geht von morgens acht bis nachmittags zwei Uhr.
Sie ist unglaublich motiviert und kreativ. In den Pausen helfe ich ab und zu im Kindergarten aus. Ich werde sehr gut in den Schulalltag mit eingebunden und es macht mir wirklich mega Spaß dort mitzuarbeiten. Das Schuljahr in Peru geht von März bis Dezember, Januar und Februar sind die großen Ferien. Deswegen ist es mir möglich, nach Weihnachten reisen zu gehen.
Credo: Du bist im Urlaub? Wo bist du grade?
Marie: In El Calafate in Argentinien. Eigentlich wollte ich den Süden von Peru bereisen, aber wegen der instabilen politischen Lage geht das aktuell nicht. Nach einigem Hin und Her bin ich schließlich nach Chile geflogen und schau mir jetzt den Süden Chiles bzw. Argentiniens, Paraguay und Bolivien an.
Credo: Zurück nach Peru. Wie ist es dort? Sind die Leute dort sehr arm?
Marie: Meine Gastfamilie in Huaura hat ein gutes, westlich orientiertes Haus, verputzt und geweißelt. Es gibt schöne Häuser, mit Esszimmer und Küche, mit normaler Zimmeraufteilung und gefliesten Bädern. Viele Häuser bestehen aber nur aus kahlen, betonierten Wänden und haben kaum ein Dach, eher Platten mit Holzscheiten zum groben Abdecken. Zum Glück regnet es relativ wenig. Mir scheint, es gibt aber Städte in Peru, die von einer weit größeren Armut geprägt sind als mein aktueller Wohnort.
Credo: Hat die Zeit in Peru deinen Blick auf die Dinge verändert?
Marie: Es ist eine starke Erfahrung, einmal aus dem Alltag herauszutreten und von außen zu betrachten, wie sich mein Leben bisher entwickelt hat: Die Freizeitaktivitäten und Freundeskreise, die ich zu Hause aufgebaut habe, in einem Dorf mit einer mega Gemeinschaft, einer Jugendgruppe von 30 Kids, die alle bei der Feuerwehr, den Schützen und den Ministranten sind. Ich bin Oberministrantin und in der Leitung der Jugendfeuerwehr. Die dichtgepackten Wochenenden mit Bandproben, den Bauwagen- oder Geburtstagspartys, dem Bedienen auf Hochzeiten, dem Ministrieren in der Kirche und der Familienzeit am Sonntagnachmittag, all das war mein Alltag.
Als ich in Peru ankam, war es ein kleiner Schock. Obwohl meine Gastfamilie super nett war, hatte ich logischerweise kein Wochenende, wie ich es zu Hause gewohnt war. Darauf musste ich erst klar kommen, weil nicht wirklich viele Aktivitäten stattfanden. Wir gingen ein archäologisches Museum anschauen – sehr interessant – meine Gastfamilie hat sich ordentlich reingehängt. Trotzdem wurde mir bewusst, wie gern ich meine Aktivitäten daheim habe.
Credo: Was hast du dann gemacht?
Marie: Ich bekam zunächst einen Motivationsschub und fing begeistert an, eine Projektliste für „die Zeit nach Peru“ zu schreiben: Zur Bereitschaft beim Roten Kreuz wollte ich gehen, zur Wasserwacht, zum WJT nach Lissabon, bei der Feuerwehr eine Weiterbildung machen.
Jedenfalls wurde mir nach diesen ersten zwei Wochenenden bewusst, wie wenig selbstverständlich es ist, zu Hause von so netten Leuten umgeben zu sein. Und von Vereinen und Freizeitmöglichkeiten am Wochenende, in denen ich mich so aufgehoben und erfüllt fühle. Das habe ich zu schätzen gelernt. Und auch wie viel Sicherheit und Halt ich von meiner Family und meinen Freunden selbst 11.000 Kilometer entfernt bekomme: Ich konnte immer einfach meine Eltern und Freunde anrufen.
Mittlerweile fühle ich mich bei meiner Gastfamilie aber auch sehr gut aufgehoben. Ich kann mit allem zu ihnen kommen.
Credo: Du bis also dankbar für deine gesunden Wurzeln in der Heimat?
Marie: Ja! Es wurde vor Ort in Peru auch bald besser, weil ich die Lehrkräfte und Kolleginnen besser kennenlernte und auf Geburtstagsfeiern eingeladen wurde – bis auch hier an jedem Wochenende etwas los war, vom Volleyballspielen über Ausflüge in Fruchtplantagen oder Taufen und Beerdigungen. Die Mädels aus der Verwandtschaft meiner Gastfamilie singen z. B. gern bei Karaoke-Abenden, backen Kuchen und tanzen für ihr Leben gern. Diese Aktivitäten und Hobbies teilen wir jetzt. Außerdem bin ich mittlerweile Mitglied im Kinderkirchenchor, Dienstag und Donnerstag habe ich jetzt immer Chorprobe. Wir singen bei Hochfesten in der Messe und sonst wenn der Chorleiter Lust hat. Ich brauche es, unter Leute zu kommen, dass etwas los ist. Das ist mir bewusst geworden und das habe ich schätzen gelernt.
Credo: Hat das Jahr deinen Berufswunsch, Lehrerin zu werden, bestätigt?
Marie: Ja, das ist nach wie vor der Plan. Es macht mir wirklich unglaublich viel Spaß im Unterricht mitzuwirken und von der Lebensfreude der Kinder angesteckt zu werden.
Credo: Und die Punkte auf der Nach-Peru-Liste sind noch aktuell?
Marie: Ja, absolut. Mal sehen, was sich dann wirklich alles in die Realität umsetzen lässt. Aktuell steht aber erst einmal die Jetzt-in-Peru-Liste im Vordergrund, wie beispielsweise vielleicht einer Tanzgruppe beizutreten, traditionelle Gerichte zubereiten lernen, weiterhin im Kinderchor mitzusingen und noch viiiel mehr über Land und Leute kennenzulernen.
Eine der wichtigsten Erkenntnisse für mich ist, wirklich im Hier und Jetzt zu leben, weder der Vergangenheit nachzuhängen, noch verträumt in die Zukunft zu blicken. Jeden Moment, jede Sekunde zu nutzen und mir bewusst zu machen, dass ich selbst, ganz allein die Macht habe, meine Lebenszeit mit etwas Großartigem, Unvergesslichem zu füllen.