Thema · Herr der Ringe

Die Rückkehr des Königs

Über die unerschütterliche Hoffnung, die uns Gott selber in Christus geschenkt hat. Und wie J.R.R. Tolkien sie in seiner Herr der Ringe-Trilogie vermittelt.

 

von Pater Engelbert Recktenwald · 11.12.2017

(Bild:prxel.com)

„Die Inkarnation Gottes ist etwas unendlich Größeres als alles, was ich mich getrauen würde zu schreiben,“ teilte Tolkien einmal in einem Brief mit. Er, der tiefgläubige Katholik, dachte zu groß über das christliche Heilsmysterium, um es in seine eigenen Geschichten bannen zu können. Er wollte deshalb keine Allegorien schreiben wie sein Freund C. S. Lewis mit den Narnia-Geschichten, in denen z.B. der Löwe Aslan Christus symbolisiert. Wir dürfen deshalb nicht erwarten, den „Herrn der Ringe“ als eine verkappte Nacherzählung der Bibel entlarven oder seine Personen mit biblischen Gestalten identifizieren zu können.

Und da fällt uns sofort Aragorn in die Augen. Er ist nicht der menschgewordene Sohn Gottes, trägt aber trotzdem einzelne Züge des Erlösers. Er ist der König, der in sein Reich zurückkommt, es von der Macht des Bösen befreit und ihm den Frieden bringt. Dadurch wird deutlich, dass die Erlösung die soziale Dimension des Menschen mitumfasst. Natürlich betrifft sie einerseits die intimste Mitte der einzelnen Seele, die ihre Entscheidung für oder gegen Gott an keine Gemeinschaft abtreten kann. Andererseits ist der Mensch ein Gemeinschaftswesen, und deshalb geht die Erlösung über den je einzelnen Menschen hinaus und schafft eine neue Gemeinschaft, nämlich die der Erlösten.

Auf der anderen Seite müssen wir uns aber auch darüber klar werden, was für Tolkien eine gute Geschichte ausmacht. Für ihn ist dabei wesentlich das, was er die „Eukatastrophe“ nennt. Das griechische „Eu“ bedeutet „gut“. Es ist dieselbe Vorsilbe wie das „Ev“ in „Evangelium“: gute Botschaft. Eine Katastrophe ist das plötzliche Hereinbrechen eines Unglücks. Die Tolkiensche Eukatastrophe ist dasselbe mit umgekehrtem Vorzeichen, also das plötzliche Hereinbrechen der Rettung in aussichtsloser Lage. Dadurch wird die Erzählung zu einem „Echo des Evangeliums“. Die plötzliche Wende zum Guten ist für Tolkien ein ahnendes Aufblitzen der wunderschönen Erlösung, die sich in der Wirklichkeit zugetragen hat.

Christi Geburt ist die Eukatastrophe der menschlichen Geschichte

Denn als die Lage aussichtslos war, die Sünde überhandnahm und die Menschheit verloren war, da kam die Wende, mit der niemand rechnen konnte: Gott sandte seinen Sohn. „Christi Geburt ist die Eukatastrophe der menschlichen Geschichte“ schreibt Tolkien. Die Eukatastrophe ist für Tolkien immer Christi Geburt ist die Eukatastrophe der menschlichen Geschichte eine wunderbare Gnade.“

„Gnade“ bedeutet: Die Wendung wird nicht bewirkt durch menschliches Können, sondern durch ein Eingreifen Gottes. In diesem Sinne interpretiert Tolkien sein eigenes Werk: Frodo erliegt der Macht des Ringes. Im letzten Augenblick, als es darum geht, den Ring zu vernichten, ihn ins Schicksalsfeuer zu werfen, versagt er. Doch dann greift Gott ein durch eine merkwürdige Fügung, indem es zum Kampf mit Gollum kommt. Dieser Kampf endet mit dem Sturz Gollums samt Ring in die Schicksalsklüfte. Dass Gollum zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch lebte und es zum Kampf kommen konnte, verdankte er der Barmherzigkeit Frodos, der zuvor sein Leben geschont hatte. So zahlt sich im Nachhinein durch Gottes Fügung barmherziges Handeln aus.

Nicht physische Macht, sondern moralische Güte, die sich der Gnade Gottes öffnet, hat letzten Endes zur Überwindung der bösen Macht geführt. Das ist die Interpretation, die Tolkien selber seinem Werk gibt. So vom Autor ermutigt, dürfen wir nach weiteren Echos des Evangeliums in seinem Werk suchen.

Das ist das Reich Gottes, von dem Christus in seinen Gleichnissen spricht. Sinnenhaft manifestiert sich der Anbruch seines Reiches in den vielen Wunderheilungen, die er vollbringt. Genau so erleben wir auch Aragorn. Und er tut es wie Christus gemäß alten Prophezeiungen. Wir finden in Tolkiens Epos mit dem von Aragorn gepflanzten neuen Weißen Baum auch die Baumsymbolik, die uns vom Christentum her vertraut ist, wo das Kreuz Christi der neue Lebensbaum ist, der an die Stelle des Baumes im Garten Eden tritt. Bevor Aragorn als König zurückkehrt, lebte er unerkannt als Streicher. Als solcher war er aber nicht untätig, sondern beschützte das Auenland vor dem Eindringen der bösen Mächte. Erinnert uns das nicht an die Aussage Johannes des Täufers: „Unter euch steht einer, den ihr nicht kennt?“ Ist es nicht tragisch, dass es auch heute noch viele Christen gibt, denen Christus im Grunde ein Unbekannter ist? und die nicht merken, wie sehr sie ihr Leben seinem unsichtbaren Gnadenwirken verdanken? die oft unzufrieden oder verzagt sind angesichts dessen, was im Großen oder Kleinen ihres Lebens alles schief läuft?

Doch eines Tages wird der König zurückkehren, die Mächte des Bösen vor aller Augen endgültig besiegen und sein Reich der Liebe und des Friedens errichten. Tolkien wollte uns mit seinem Epos Hoffnung vermitteln: eine Hoffnung, die nicht bloß eine Ausgeburt seiner Phantasie ist, sondern ein Spiegel jener unerschütterlichen Hoffnung, die uns Gott selber in Christus geschenkt hat.

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