Thema · Die Pascalsche Wette

Der Glaube bleibt ein Wagnis

Der französische Philosoph Blaise Pascal hat eine berühmte Wette aufgestellt. Jeder Mensch muss sich entscheiden, ob er an Gott glauben will oder nicht. Man kann, meinte Pascal, aber nur gewinnen, wenn man an Gott glaubt. Der Gläubige gewinnt die Hoffnung auf das ewige Leben – selbst wenn er sich täuscht. Der Ungläubige führt ein hoffnungsloses Leben – selbst wenn er Recht hätte. Und trotzdem: Der Glaube bleibt ein Wagnis.

von Benedikt Bögle · 31.05.2023

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Ob der Gläubige grundsätzlich gewinnt? Was gibt es beim Glauben zu gewinnen oder zu verlieren? Das hängt wohl auch vom Einsatz ab. Bild: Nejron Photo, stock.adobe.com

Als der heilige Papst Johannes Paul II. am 22. Oktober 1978 seinen Dienst als Bischof von Rom begann, rief er den Gläubigen zu: „Habt keine Angst, Christus aufzunehmen und seine Herrschergewalt anzuerkennen! […] Habt keine Angst! Öffnet, ja reißt die Tore weit auf für Christus!“ Seine Worte wurden berühmt. Sie sind eine Zusage an alle Christen: Wir brauchen keine Angst zu haben, Christus nachzufolgen, ihm unser Leben anzuvertrauen. Nur: Wieso musste der Papst das denn überhaupt betonen? Kann man etwas verlieren, wenn man Christ wird? 

Lohnt es sich, an Gott zu glauben?

Diese Frage hat schon den französischen Philosophen Blaise Pascal (1623-1662) umgetrieben. Von ihm ist ein Text überliefert der als „Pascals Wette“ bekanntgeworden ist. Der Philosoph fragt sich dabei, ob derjenige etwas zu verlieren habe, der an Gott glaubt. Einmal angenommen, es gibt einen Gott. Wer an ihn glaubt, wird am Ende des Lebens für seinen Glauben belohnt und in den Himmel aufgenommen. Wer nicht an ihn glaubt, wird nicht belohnt. Der Gläubige „gewinnt“ also.

Umgekehrt aber angenommen, es gäbe keinen Gott: Wer an Gott glaubt, kann zwar jetzt nicht das ewige Leben erringen. Aber er kann ein Leben in Hoffnung führen. Dass er sich am Ende doch getäuscht hat, wird er gar nicht bemerken. Der Ungläubige dagegen hatte zwar Recht, nur bringt ihm das nichts. Er führte ein Leben in der Hoffnungslosigkeit. Wiederum gewinnt der Christ. Egal also, ob es Gott gibt oder nicht, die einzig vernünftige Option scheint zu sein, an ihn zu glauben. „Wenn Ihr gewinnt, so gewinnt Ihr alles, und wenn Ihr verliert, so verliert ihr nichts“, schreibt Pascal (Gedanken 418/223).

Was, wenn Gott nicht belohnt?

Tatsächlich ist der Glaube eine große Kraft, die den Menschen Hoffnung für ihrLeben gibt. Doch Pascals Argumentation hat auch Schwachstellen. Er geht davon aus, dass es nur zwei Optionen geben kann. Es gibt einen Gott, der ewiges Leben schenkt und den Gläubigen belohnt. Oder: Es gibt keinen Gott, folglich kein ewiges Leben, keine Belohnung. Was aber, wenn es zwar einen Gott gibt – aber dieser nicht der christliche ist? Dieser Gott könnte ja den Glauben der Christen nach dem Tod bestrafen, weil sie einen fremden Gott verehrt haben. Pascals Wette funktioniert nur, wenn man voraussetzt, dass der eine Gott zwingend der christliche ist. Schließlich: Was, wenn Gott am Ende alle mit dem ewigen Leben belohnt, also auch den Ungläubigen? Dann würden in der Wette ja alle „gewinnen“.

Pascals Wette kann zeigen, dass der Glaube an Gott kein unvernünftiges Unterfangen ist. Aber der Glaube kann auch zu Nachteilen führen. Das merken natürlich all jene, die für ihren Glauben verfolgt und sogar getötet werden. Sie haben alles auf Gott gesetzt; existiert er nun nicht, haben sie durchaus etwas verloren: Dieses irdische Leben. Aber geht es nicht auch uns so? Auch wir sind durch unseren Glauben an Gesetze und Gebote gebunden. Verlieren vielleicht auch wir einen Teil unserer Freiheit, wenn wir an Gott glauben? Haben wir Pascals Wette noch immer gewonnen, auch wenn es Gott nicht geben sollte?

Es bleibt ein Wagnis

Allein durch die Vernunft wird sich das Christentum nicht belegen lassen; es muss der Glaube dazukommen. Es bleibt ein Wagnis, an Gott zu glauben – ein Wagnis jedoch, das schon viele vor uns gewagt haben. Die Heilige Schrift und die Heiligen zeugen mit ihrem Leben von der Wahrheit der christlichen Botschaft. Wir dürfen weiter darauf hoffen, dass sich dieses Wagnis am Ende lohnen wird: „Habt keine Angst!“

Das Zitat Pascals stammt aus: Blaise Pascal: Das Ich besteht in meinem Denken. Aus den „Gedanken“. Herausgegeben von Franz Josef Wetz, übersetzt von Ulrich Kunzmann, Reclam, Stuttgart, 2. Aufl. 2017, S.62.

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