Im Sommer war ich gemeinsam mit meinem Basical-Jahrgang im Heiligen Land. Gerne erinnere ich mich an diese eindrucksvolle Reise, bei der wir Jesus und sein Land aus den unterschiedlichsten Perspektiven kennenlernen durften. Gerade jetzt, kurz vor Weihnachten, wird die Erinnerung an einen ganz bestimmten Teil der Reise wieder präsent. Unser „Ausflug“ an den Ort, wo Gott Mensch geworden ist.
Nachdem wir schon mehrerer Tage lang die Wirkungsstätte Jesu inklusive Nazareth, See Genezareth, Galiläa und natürlich Jerusalem erkundet hatten, machten wir uns auf in eine völlig andere Welt: Palästina. Dorthin, wo das Leben des Sohns Gottes begann. Die Grenze ins Westjordanland zu überqueren und den Grenzzaun zu sehen, hinterließ ein komisches Gefühl. Die Situation wurde allerdings noch bizarrer, je weiter wir den Spuren der Weihnachtsgeschichte folgten.
Unsere erste Station waren die Hirtenfelder, wo wir die heilige Messe feiern durften. Von diesem eher kitschigen Ort mit Engeln, Sternen und Weihnachtsflair ging es weiter nach Bethlehem. Wie unzählige andere Pilgergruppen durchfuhren wir ein Gebiet, in dem die Menschen faktisch eingesperrt sind – unter ständiger Patrouille israelischer Soldaten.
In der Geburtskirche angekommen, mussten wir erstmal anderthalb Stunden anstehen. An einem der heiligsten Orte der Welt war die Stimmung angespannt und hektisch. Viele waren genervt und auch wir konnten nicht andächtig und still warten. Reiseführer schrien nach ihren Gruppen, Menschen unterhielten sich, drängelten. Als wir endlich an dem Stern, der die Geburtsstelle markiert, ankamen, hieß es nur: „Pray faster! Only a few seconds!“
Andächtig und weihnachtlich war hier fast nichts. Und wie in aller Welt betet man überhaupt schneller? Irgendwann konnten wir uns aber doch in der Nähe des Sterns hinknien und in Ruhe beten. Unsere Leiter stimmten leise „Stille Nacht“ an und langsam legte sich über diesen lauten, hektischen Ort, den der sanfte Gesang wieder heiligte, eine Ruhe. Menschen blieben stehen und fingen an mitzusingen. Die eine oder andere Träne floss und die Welt schien wieder in Ordnung. Gott ist Mensch geworden und als hilfloses Baby auf die Welt gekommen. Schwer vorstellbar in all dem Trubel, aber unser Gebet hielt für ein paar Sekunden die Welt an.
Kaum hatten wir die Weihnachtsfreuden hinter uns gelassen, kamen wir wieder in eine ganzandere Welt. Am Abend besuchten wir Jugendliche aus Bethlehem, die bei wöchentlichen Treffen miteinander beten, spielen und über Gott sprechen und dabei von einem Franziskanerpater begleitet werden. Wir redeten mit den jungen Erwachsenen über Partys,Glauben, Instagram, die politische Situation in Palästina, über unsere Träume und Wünsche, über Studium, Beruf und das Verhältnis zwischen den verschiedenen Religionen in Bethlehem. Das Treffen dauerte länger als geplant, so gut tat uns dieser Austausch. Aber wir mussten wieder zurück über die Grenze, die wir dank eines einfachen: „Wir kommen aus Deutschland“ ohne weitere Kontrollen passieren durften. Ein Privileg, das so vielen, die wir hier getroffen hatten, verwehrt bleibt.