Thema · Part of His Plan?

Kathdating beim Singleseminar

Es ist schon einige Jahre her, kurz vor unserer Hochzeit, als wir eingeladen waren Zeugnis zu geben auf einem Seminar für katholische Singles. Es sollte darum gehen, wie wir unsere Beziehung leben und wie wir uns gedated haben, bevor wir ein Paar wurden.

 

von Julia Kleinheinz · 06.08.2019

Normalerweise bereite ich mich gerne intensiv auf solche Zeugnisse vor, überlege mir, wo ich Schwerpunkte setzen möchte und was die Leute als Botschaft mitnehmen sollen. Hier jedoch war es genau eine Woche vor unserer Hochzeit, ich hatte eigentlich keine Zeit und war auch bis zu der Hinfahrt sauer auf meinen Verlobten, weil er diesen Termin in meinen Augen leichtfertig zugesagt hatte und wir deswegen jetzt Stress hatten. Wie so oft sind diese Gedanken allein meinem organisatorischen Denken geschuldet, und ich vergesse zu schnell, dass genau in diesen Situationen Gott wirkt und für Überraschungen sorgt. Genauso sollte es auch dieses Mal sein.

 

Tisch mit zwei Stühlen, Herzen
(Bild: J. Darius)

Wir erzählten, dass wir uns schon über acht Jahre kannten, bevor es „plötzlich Liebe“ war und wir auf einmal etwas überfordert waren, wie wir damit umgehen sollten. Jeder von uns berichtete über seinen Weg bis zu dem Moment, als es ernst wurde, und wie sich jeder bis zu diesem Zeitpunkt unterschiedlich mit seiner Berufung und seiner Vorbereitung auf die Ehe auseinandergesetzt hat. Dominik und ich haben in der Zeit der Prüfung, ob wir wirklich ein Paar werden sollen, sehr viel gebetet und sehr offen über ALLE Bereiche unseres Lebens gesprochen, und wir legten damit alle Masken voreinander ab.

Das haben wir an diesem Tag auch erzählt, und wir ließen auch nicht aus, dass wir sehr offen über die Punkte Sexualität, Süchte und Sünde gesprochen haben und dabei die ganzen heißen Themen wie Pornografie, Selbstbefriedigung etc. nicht ausgelassen haben. Genau hier ging ein hörbares Ausatmen durch den Raum, und die Sitzpositionen wurden hörbar geändert. Das war ein Zeichen für mich, dass diese Themen für viele im Raum wohl auch welche waren. Mir wurde das in der darauffolgenden Fragerunde nochmals bewusst, und weitere Punkte fielen mir auf, die mich ehrlich nachdenklich gemacht haben.

Die Fragen bezogen sich stark darauf, welche Zeiträume und Regeln wir in Sachen Kennenlernen, Verlobungszeit, Urlaubsgestaltung, Küssen, Zärtlichkeit etc. empfehlen. Auf Grund der Fragen wurde mir ein Thema wieder bewusst, dem wir auch begegnet sind. In Katechesen und Vorträgen wird oft nur über den Schatz der vorehelichen Enthaltsamkeit gesprochen. Der ganze Bereich, wie du deine Beziehung ausgestalten kannst, wie du Gott einlädst, der Gestalter zu sein, und nicht du selber, wie wir Emotionen und Empfindungen verantwortungsvoll gegenübertreten und nicht zuletzt, wie wir mit dem gemeinsamen Scheitern umgehen, wird so oft nicht angesprochen. Wir haben immer wieder versucht klar zu machen, dass es hier kein Patentrezept gibt, aber der intensive Austausch darüber, das gemeinsame Gebet und Hören auf Gott und ein sehr regelmäßiger Empfang der Sakramente (Eucharistie und Beichte) für uns eine totale Hilfe waren. Dadurch lernten wir uns wirklich (noch mal anders) kennen, und die oben genannten Punkte wurden nicht mit Hilfe von Regeln oder Empfehlungen durchlebt, sondern wurden sinnerfüllt durch das Hören auf Gott.

Ein kleines direktes Beispiel: Wir wurden gefragt, wie oft wir uns küssen und ob wir uns auf Zunge küssen. Am Anfang der Beziehung pflegten wir das Küssen sehr intensiv ;-). Im Gebet hatte ich irgendwann den Eindruck, dass Gott dieses Jahr als Fastenopfer auf Ostern hin von uns möchte, dass wir uns nicht küssen. Dominik war zu Beginn alles andere als begeistert. Aber hat dem Ganzen dann doch zugestimmt (mir zuliebe). Während dieser Fastenzeit haben wir für uns erkannt, dass uns das ehrlich gut tut, und haben sogar danach fortgeführt, dass wir uns nicht mehr auf Zunge geküsst haben bzw. haben das Küssen sehr reduziert, und es waren eher nur noch kleine Küsse zur Begrüßung, nach einem gegenseitigen Segen oder zur Ermutigung, wenn etwas Anstrengendes oder Wichtiges bevorstand. Dadurch haben wir erst im Nachhinein festgestellt, dass die zu intensiven Küsse oft ein Türöffner waren zu Bereichen, die wir eigentlich nicht betreten wollten. Aber das haben wir so nur durch Gottes Führung erlebt und nicht durch Regeln.

Eine andere Frage, die besonders auf den sexuellen Bereich abzielte, war, ob die „totale Offenbarung“ nicht etwas zu steil sei, besonders wenn Dinge abgeschlossen sind und heute keine Rolle mehr spielen. Zudem wolle man sich ja von seiner besten Seite präsentieren. Wir konnten hier nur unsere Erfahrung erzählen. Bei uns hat gerade die totale, gegenseitige Wahrheit erst die echte und beste Seite in uns aufgezeigt. Besonders wir Katholiken versuchen, unsere Maske des tadellosen Katholiken aufrecht zu erhalten und geben den ganzen Bereichen hinter der Maske mehr und mehr Macht, die in die vielfältigsten Lebensbereiche wirkt. Dabei schaffen wir im Ablegen der Masken und in der Erkenntnis und im Bekenntnis unserer Schwachheit den Raum, in dem sich wahre Freundschaft beweist und Gott zum Gestalter und Heiler unseres Lebens wird.

Obwohl mir das alles bewusst war, hab ich durch das Zeugnis und die darauffolgenden Reaktionen neu erfahren und verinnerlichen dürfen, wie dankbar ich Gott bin und dass die Wahrheit wirklich frei macht. Der Hochzeitsstress war dahin, und es war einfach pure Freude im Herzen und die perfekte Vorbereitung für die letzte Tage auf die Hochzeit.

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