Thema · Identität als Ordenschrist

Den neuen Menschen anziehen

Die Feier der Einkleidung in das Ordensgewand ist einer der ausdrucksstärksten Riten, die man in der Liturgie der katholischen Kirche finden kann. Wer einmal einer solchen Feier beigewohnt hat, weiß, dass es hierbei um nicht weniger geht, als den „alten Menschen abzulegen und den neuen Menschen anzuziehen“ (vgl. Eph 4,22-24).

von Frater Benedikt Eble · 14.09.2020

Einkleidung
Einkleidung. (Symbolbild: Mateus Campos Felipe, unsplash.com)

In starker Bildersprache kommt der Postulant, der um Aufnahme in die Gemeinschaft bittet, festlich bekleidet – in manchen Schwesterngemeinschaften sogar im Brautkleid – um dann im Laufe der Feier das Ordenskleid überreicht zu bekommen, evtl. einen neuen Namen zu erhalten und sein Noviziat zu beginnen. Das Äußere soll hier einem inneren Wandel andeuten, den der zukünftige Ordenschrist in seinem Leben vollziehen will.

Doch ist das nicht alles Gleichmacherei? Steckt hinter solchen Riten nicht ein Raub an Individualität, einer Individualität, die von Gott geschenkt ist und dem Reich Gottes nützen könnte? Was macht so ein „Eingriff in die Selbstbestimmung“ mit der Identität eines jungen Christen?

Ein neuer Name und ein neues Gewand

In meiner ersten Zeit im Kloster, in der ich noch ohne Ordensname und -gewand einfach in der Gemeinschaft mitgelebt habe, habe ich mir öfter Gedanken gemacht, wie mein Alltag in Zukunft sein würde. Ein neuer Name, ein Einheitslook mit den Mitbrüdern, eine gemeinsame Tagesstruktur. Ich freute mich darauf, aber ein kleiner Teil in mir hatte auch seine Bedenken, ob ich als Person nicht zu kurz kommen würde. Ich meine, wir leben in einer Welt, in der die eigene Individualität für unfassbar wichtig gehalten wird. Es ist wichtig, dass die Musik, die man hört, nicht zu sehr Mainstream ist, der Sommerurlaub muss an die exotischsten Stellen der Erde führen und für vieles andere gilt: je krasser desto besser. Man muss sich eigentlich permanent von den anderen unterschieden und alle Freiheiten, die man haben kann, ausspielen.

Frater Benedikt Eble bei seiner Einkleidung bei den Passionisten. (Foto: Privat)

Eigene Pläne zurückstellen

Und in so einer Welt will sich jemand für ein Leben im Kloster entscheiden, wo es häufig darum geht, seine eigenen Pläne erstmal hintan zu stellen, den Mitbrüdern und den Gläubigen zu dienen und – wie es im Einkleidungsritus meiner Gemeinschaft heißt – ein „Leben des Gebetes und der täglichen Buße“ zu führen? Das ist weltlich gesehen ein totaler Verlust. In der Zeit dieser Bedenken lernte ich Psalm 73 aus dem Stundengebet kennen. Dort betet der Psalmist zu Gott:

„Ich aber bleibe immer bei dir, du hältst mich an meiner Rechten. Du leitest mich nach deinem Ratschluss und nimmst mich am Ende auf in Herrlichkeit. Was habe ich im Himmel außer dir? Neben dir erfreut mich nichts auf der Erde.“ (V.23-25)

Das konnte ich so gut mitbeten. Es geht nicht darum, was wir „zurücklassen“, sondern um die herrliche und größere Freiheit, auf den Ruf Jesu hören, die Leistungsprinzipien dieser Welt vergessen und ihm nachfolgen zu dürfen.

Gott Raum geben

Wer auf den Ruf Gottes hört, dem verleiht Gott Identität, der braucht sich selbst nicht profilieren. Und das gilt umso mehr für Ordensleute, wenn diese sich ihrer weltlichen Identität entledigen wollen und dadurch irgendwo zwangsläufig Gott ausgeliefert sind. Das ist im Tiefsten das Geheimnis des Gottgeweihten: Er leert sich ganz vom Irdischen – er verliert seinen Namen, seine Freiheiten, das Verfügungsrecht über sein Leben –, um immer und immer mehr frei zu werden für Gott. Er erhält seine Identität jetzt nur noch von Gott, und zwar dadurch, dass er ihn lobpreist, ihn anbetet, ihn stellvertretend für die Menschen anfleht und ihn über alles liebt. Das ist alles.

Die großen Stücke des eigenen Lebens, die der Ordenschrist aufgibt, derer er sich entledigt, geben Gott Raum in seinem Leben. Das kann manchmal wehtun und ist auch nicht immer leicht, aber wie herrlich ist es, zum Schluss mit ganzem Herzen sagen zu können:

„Gott nahe zu sein ist mein Glück. Ich setze auf Gott, den Herrn, mein Vertrauen. Ich will all deine Taten verkünden.“ (Ps 73,28)